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- Handlungs- und produktionsorientierte Methoden zur Förderung der Lesekompetenz: Max Frischs Drama 'Andorra' im kompetenzorientierten Deutschunterricht
Sozialwissenschaften
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Verlag:
Bachelor + Master Publishing
Imprint der Bedey & Thoms Media GmbH
Hermannstal 119 k, D-22119 Hamburg
E-Mail: info@diplomica.de
Erscheinungsdatum: 06.2012
AuflagenNr.: 1
Seiten: 56
Abb.: 21
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback
Die vorliegende Arbeit untersucht die Möglichkeiten und Grenzen handlungs- und produktionsorientierter Methoden im Rahmen eines kompetenzorientierten Deutschunterrichts am Ende der Sekundarstufe I. Dazu wird die Planung einer Unterrichtssequenz zum handlungs- und produktionsorientierten Erschließen des dramatischen Textes 'Andorra' von Max Frisch mit dem Fokus der Lesekompetenzförderung theoretisch fundiert. Auf der Basis tiefgehender Überlegungen zur Lesekompetenz selbst, aber auch zu handlungs- und produktionsorientiertem Literaturunterricht und zum Drama 'Andorra' findet dann die eigentliche Planung und Durchführung einer Unterrichtssequenz statt, die schließlich eingehend evaluiert wird. Im Zentrum stehen einige exemplarisch aus den eingesetzten Methoden ausgewählte handlungs- und produktionsorientierte Verfahren, die zuerst theoretisch beschrieben und schließlich nach dem Praxistest eingehend hinsichtlich ihrer Funktionalität zur Förderung der Lesekompetenz überprüft werden. Besonders interessant ist hierbei natürlich die Frage, ob die eingesetzten Verfahren dazu in der Lage sind, auch eher leseschwachen Schülern einen Zugang zu einem solch anspruchsvollen Dramentext zu ermöglichen.
Textprobe: Kapitel 2.3, Implikationen durch das Drama ‘Andorra' von Max Frisch: Frisch hat mit dem Kommentar zum Stück, Andorra sei der Name für ein Modell und habe nichts mit dem Kleinstaat gleichen Namens oder einem anderen Kleinstaat zu tun, eine wesentliche Prämisse für die Deutung des Dramas aufgestellt. Dieser damit angesprochene modellhafte Charakter des Stückes wird zudem in der Zeichnung der Figuren, des Schauplatzes und auch im Handlungsverlauf deutlich. Der Einfluss des Epischen Theaters ist unverkennbar und wird von Frisch in einem Interview mit Ernst Wendt selbst betont. Das Modell diene ihm als Mittel, eine Thematik durch Entaktualisierung freizulegen. Die Thematik ist freilich zur Entstehungszeit mehr als aktuell, denn die Fabel des Stückes entstand als Prosaskizze 1946 in unmittelbarer Nachkriegszeit, zur Zeit der Nürnberger Prozesse. Die Arbeit am Drama fand dann vor allem zwischen 1958 und 1961 statt. 1960 wurde Eichmann gefasst und in Israel der Prozess gemacht. Dies macht deutlich, dass ‘Andorra ‘ trotz aller Betonung des Modellcharakters, auch ein Stück seiner Zeit ist. Dabei hat es allerdings den Anspruch ein Stück jeder Zeit zu sein, denn die Art, wie in ‘Andorra ‘ die 'normale' Gesellschaft einen Menschen durch Vorurteile in eine bestimmte Rolle drängt, ist leider zeitlos. So spielt es vor dem Hintergrund der Judenverfolgung und weist Bezüge zur Zeitgeschichte auf, etwa durch die Ähnlichkeit der schwarzen Soldaten mit der SS, bleibt dabei aber exemplarisch und gleichnishaft, da mit Andri nur ein einzelner vermeintlicher Jude um Integration ringt, mit Ablehnung, Ausgrenzung und letztlich Ermordung für seine gefühlte Andersartigkeit bestraft wird. Frisch geht es dabei um die Anfänge der Ausgrenzung durch Vorurteile und Mitläufertum sowie mit didaktischem Anspruch darum, wie diesen Vorgängen von Beginn an entgegentreten werden könnte und müsste. Die Wirkmächtigkeit des Vorurteils wird dadurch noch massiv betont, dass Andri ja gar kein Jude ist, sondern nur durch die stereotypen Vorstellungen der Andorraner zu dem gemacht wird, was von ihnen unter einem Juden verstanden wird. Andri selbst zeigt die Bezüge zur Sündenbocktheorie auf, indem er sich selbst als Träger des Bösen in Betracht zieht, das durch die Anderen vernichtet werden wird. Dies ist eine von vielen Vorausdeutungen zu Beginn des Dramas, welche die Struktur als komponiertes Gesamtgefüge erscheinen lässt, in dem trotz der Auflösung der klassischen Dramenform natürlich keine Szene wahllos platziert ist. Die Einfügungen der Zeugenschranke durchbrechen Raum und Zeit, betonen die Schuld und Unbelehrbarkeit der Andorraner sowie damit den lehrhaften Charakter des Stückes. Barblins Schlussworte nivellieren zudem nicht nur die Unschuld Andorras und seiner Bewohner, sondern fordern zusammen mit dem Element der Zeugenvernehmung auch dazu auf, über eine Anklage der Schuldigen oder Möglichkeiten der Intervention nachzudenken. Das ganze Drama kann auch auf der Basis des Schuldeingeständnisses des Paters gelesen werden. Sein Ausspruch ‘Du sollst dir kein Bildnis machen [...] ‘ ist nicht nur Teil des Dekalogs, sondern auch Titel eines Tagebucheintrags von Max Frisch, in welchem er die soziale Determiniertheit des Menschen reflektiert, die im Falle Andris schließlich sogar in seiner Selbstwahrnehmung aus einem andorranischen Jungen einen verfolgten Juden machte.
Stefanie Grzesikowski, Jahrgang 1982, studierte Deutsch sowie Lebensgestaltung-Ethik-Religionskunde an der Universität Potsdam und schloss ihr Studium erfolgreich mit dem Ersten Staatsexamen ab. Bereits während des Studiums bildeten u. a. handlungs- und produktionsorientierte Verfahren sowie im Zuge der Diskussion um die Ergebnisse der ersten PISA-Studie auch der Lesekompetenzerwerb Interessenschwerpunkte. Diese konnten im Rahmen des in Berlin absolvierten Vorbereitungsdienstes noch vertieft werden, wie in vorliegender Publikation deutlich wird.
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