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Sozialwissenschaften

Islam Qerimi

Gewohnheitsrecht in Albanien: Rolle und Herkunft des Kanun bei den Albanern

Bearbeitete und vervollständigte Neuausgabe

ISBN: 978-3-95993-073-4

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Produktart: Buch
Verlag:
Bachelor + Master Publishing
Imprint der Bedey & Thoms Media GmbH
Hermannstal 119 k, D-22119 Hamburg
E-Mail: info@diplomica.de
Erscheinungsdatum: 08.2018
AuflagenNr.: 1
Seiten: 48
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback

Inhalt

Bei den Illyrern, Vorfahren der Albaner, die in vorhistorischer Zeit auf dem Balkan lebten, waren Sitten und Gebräuche die Hauptquelle des Rechts. Diese Regeln, die in einer früheren Entwicklungsphase der Gesellschaft geschaffen und mündlich von Generation zu Generation übermittelt wurden, wurden in den nicht-schriftlichen juristischen Quellen, dem Gewohnheitsrecht (bei den Albanern Kanun) aufgegriffen. Sie wurden faktisch angewandt (lat. Consuetudo), sowohl aufgrund ihrer Annahme durch alle als auch im Sinne der Überzeugung der juristischen Notwendigkeit ihrer Umsetzung (lat. Opinio necessitatis oder opinio juris). Bei den Albanern wurden viele regionale Kanunen angewandt, aber vor allem der Kanun des Lek Dukagjini, der als der bekannteste und am meisten beachtete Kanun angesehen wird und im Mittelpunkt dieser Untersuchung steht.

Leseprobe

Textprobe: Kapitel II: Der Begriff des Kanun: Es wird angenommen, dass der Begriff Kanun bei den Albanern, der das gesamte Gewohnheitsrecht umfasst, der aus der symmetrischen Sprache stammt (gi = Rohr), übergegangen in das Akkadische (qanu = Rohr), in das Hebräische (qane = Rohr), dann in das Griechische (kanna = Rohr) sowie ins Lateinische, wo wir den Ausdruck jus canonicum finden, der « kanonisches Gesetz » bedeutet, später ins türkische kanon weiter entwickelt wurde, was soviel wie Regeln oder Normen bedeutet . Diese Gewohnheitsregeln, die in Kanunen kodifiziert wurden, waren zuvor auch in der Zeit der Byzanz bekannt, von ihnen weiß man, dass sie griechisch-byzantinischer Herkunft sind und als Nomokanon definiert wurden, dass sie juristische Normen darstellten, die die Kaiser von Byzanz erließen, und die Normen enthielten, die durch das Volk geschaffen und in den Jahrhunderten von Generation zu Generation überliefert wurden. Auf dem Territorium, auf dem die Albaner in den Gebieten des Balkan leben und besonders in den tiefen Berggegenden, in denen das alte antike Volk der Pelasger mittels der Kanune des Mittelalters (Kanun des Lekë Dukagjini, Kanun des Skandërbeg und Kanun der Labëria) überlebt hat, welche parallel zu den Verfassungen der Küstenstädte Albaniens (Durrës, Shkodra, Tivari, Drisht, Budva) aus den XIV. Jahrhundert bestanden, hat das ungeschriebene Gewohnheitsrecht seinen Beginn vor Jahrtausenden und bleibt ein nationaler Reichtum der Albaner. III: Die bei den Albanern angewandten Kanune: Unter den zahlreichen Kanonen, die auf den albanischen Gebieten angewandt wurden, und die eine Besonderheit der Bergregionen sind und zugleich die Quelle des albanischen Gewohnheitsrechtes darstellen, sind hervorzuheben: der Kanun von Arbër oder von Skandërbeg (1405-1468), der Kanun des Hochlandes, der Kanun der Labëria (von Papa Zhuli), der Kanun von Lekë Dukagjini (KLD). Neben diesen Kanunen mit weitem Handlungscharakter bestanden auch weitere besondere Kanune mit artikulierendem Charakter. Sie wurden in engeren Regionen angewandt und sind von ungeschriebenen Quellen des Gewohnheitsrechts auf schriftlich verfassten Quellen des Gewohnheitsrechts übergegangen, und gleichzeitig wurden diese Kanune reformiert und den neuen gesellschaftlichen Bedingungen angepasst, da die alten Normen nicht mehr den objektiven Bedingungen und Umständen der Entwicklung in jener Periode entsprachen. Hier sind erwähnenswert: der Kanun von Dibra, der Kanun des Berglandes von Gjakova, der Kanun von Kurbin, der Kanun des Tamadhese, Der Kanun von Tarmaneshi, der Kanun von Çermenika, Kanun von Luma, der Kanun von Idriz Suli, der Kanun von Benda. Diese Regeln und juristischen Richtschnuren, um eine juristische Ordnung untereinander zu organisieren, fanden die Gebirgler in der Art und Weise, dass sie die Meinungen von älteren Menschen (Dorfältesten) aber auch von Weisen einholten und so den Kanun in mündlichen Überlieferung sammelten und schufen. Dabei machte das albanische Gewohnheitsrecht keine Unterschiede (mit wenigen Ausnahmen) zwischen religiösen Gruppierungen. Er bestand einheitlich für alle Albaner unabhängig von ihrer Religionszugehörigkeit. So gehörten auch die Mitglieder des Ältestengremiums selbst unterschiedlicher Religionen an. Erwähnenswert hier zB der Ältestenrat Gjykata e Xhibalit ( Das Gericht von Wald - aus Arabischen xhebel - Wald) aus dem Jahre 1987, der aus 13 islamischen und 12 katholischen Glaubensmietgliedern bestand. Hier hat dieses Ältestengericht eigene Normen verfasst und fallbezogen angewendet. Wir können zurecht feststellen, dass dort, wo die gesellschaftliche Entwicklung schneller vonstattengegangen ist, auch das geschriebene Recht auf den Plan getreten ist, und das Gewohnheitsrecht nach und nach verschwunden ist, als Beispiel hierfür dient der Kanun der Labëria bzw. die Bevölkerung Südalbaniens, während dort, wo die Entwicklung stockte, eher das Gewohnheitsrecht bewahrt worden ist. III.1: Der Kanun des Lekë Dukagjini: Den ersten Beitrag zum Beleg der Existenz des Kanun des Lekë Dukagjini (des weiteren KLD genannt) hat der österreichische Albanologe Johann Georg Hahn (1811-1869) gebracht. Dieser hat im Jahr 1867 in seinem zweiten Albanien gewidmeten Werk, neben der Schlussfolgerung, dass die Albaner Nachfahren der Illyrer sind , angemerkt, dass es auch ausgeprägte Unterschiede zwischen den Kanunen gab, die schon zu jener Zeit in den albanischen Siedlungsgebieten bestanden haben, vor allem zwischen dem Kanun des Lekë Dukagjini und dem des Skanderbeg.Um welche Unterscheidungsmerkmale genau es sich handele, hatte er aber nicht ausgeführt. Einer der hervorstechenden Forscher, die sich mit dem Kanun beschäftigt haben, Dr. Ludwig v. Thallóczy, der auf der Grundlage seiner Forschungen, die er bezüglich des Alters des Kanun vorgenommen hat, zu der Schlussfolgerung gelangt, dass der Kanun von Lekë Dukagjini,schon allein aufgrund seines Inhalts selbst, seine Herkunft bereits in der Zeit des Heidentums und nicht erst in der Zeit des Katholizismus von Lek haben muss. M. E. Durham hat sich ebenfalls mit den Kanunen und den Gewohnheitsregeln beschäftigt und ist für ihren Beitrag, den sie zu Beginn des XX. Jahrhunderts für die Albaner und Albanien geleistet hat, als Königin der Bergbewohner gekürt worden. Frau Durham, die mit eigenen Augen gesehen hat, wie die Bergbewohner des nördlichen Teils Albaniens und des Kosovo diese Normen des Kanun anwandten und mit unbeschreiblicher Entschlossenheit respektierten und die Wirkungskraft bei ihnen erlebte, hat über Lekë selbst gesagt, dass er eine imponierende Persönlichkeit” gewesen sein muss, die die Möglichkeit gehabt hat, ihn in diesem Gebiet hin, in denen eine Bevölkerung katholischen Glaubens lebte, noch berühmter als die Bibel zu machen. Über das Alter des Kanun des Lekë Dukagjini hingegen führte sie an, dass es sich dabei um den ältesten Code handele der in Europa jemals bestand. Der Kanun des Lekë Dukagjini ist über Generationen hinweg mündlich übermittelt worden. Dies geschah vor allem durch ausgeübte Gerichtspraxis oder durch das Kreieren von abstrahierenden Sprichwörtern die dann fallbezogen ausgelegt wurden. Dieser Kanun wurde für die Bergbewohner der nördlichen Gebiete Albaniens und des Kosovos eine Art Bibel. So verglich Margaret Hasluck Lekë Dukagjini mit Solon von Athen, welcher ebenfalls bestehende Gesetze überprüft und kodifiziert hat, ohne sie zu verschriftlichen. Der Kanun des Lekë Dukagjini blieb ungeschrieben, wirkte aber Jahrhunderte über wie das englische Common law”, bis er vom Franziskaner Pater Shtjefën Gjeqovi unmittelbar von der Bevölkerung der Medica bzw. des Hochlandes zu Beginn des 20. Jahrhunderts gesammelt und kodifiziert wurde. Er brachte das albanische Rechtssystem, welches Jahrhunderte lang in den Gebieten Nordalbaniens und im Kosovo als ungeschriebene Rechtsquelle bestand und auch so funktioniert hat, zu Papier. Pater Gjeqovi selbst vertrat, dass der Kanun des Lekë Dukagjini eine Sammlung von Gewohnheitsnormen darstellt, die Personen mit Autorität jener Zeit kodifiziert haben, und der juristische Werte hat, und der als Zivilgesetz im Bergland von Shkodra ...anerkannt wurde .

Über den Autor

Islam Qerimi, LL.M (Magister der Rechte), wurde 1967 in Dumnice e Poshtme (Kosova) geboren. Sein Diplomstudium der Rechtswissenschaften hat er an der Universität von Prishtina und sein Magisterstudium der Rechtswissenschaften an der Ruhr-Universität Bochum erfolgreich abgeschlossen. Fasziniert von dem albanischen Gewohnheitsrecht und den Kanunen hielt sich der Autor mehrmals in Albanien auf, um die Besonderheiten des Gewohnheitsrechts kennenzulernen. Seine Tätigkeit bei verschiedenen kosovarischen Universitäten motivierte ihn dazu, sich der Thematik des vorliegenden Buches zu widmen.

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