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- Freiarbeit nach dem Montessori-Prinzip: Zur Alltagspraxis an der Ostseeschule Flensburg
Sozialwissenschaften
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Verlag:
Bachelor + Master Publishing
Imprint der Bedey & Thoms Media GmbH
Hermannstal 119 k, D-22119 Hamburg
E-Mail: info@diplomica.de
Erscheinungsdatum: 07.2012
AuflagenNr.: 1
Seiten: 64
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback
Maria Montessori, eine der bekanntesten Reformpädagoginnen ihrer Zeit, entwickelte infolge der Arbeit mit ‘schwachsinnigen’ Kindern eine Vielzahl von Sinnesmaterialien, die auch heute noch einen entscheidenden Beitrag zur individuellen Lernförderung darstellen. Im Mittelpunkt ihrer Arbeit steht dabei das einzelne Kind, das selbst entscheiden soll, wann, wo und wie es lernen möchte. Der Erwachsene nimmt dabei eher eine beratende und helfende Stellung ein und hält sich überwiegend im Hintergrund. Montessoris Prinzip ‘Hilf mir, es selbst zu tun!’ wird dabei zum Sinnbild von Freiheit und Selbstbestimmung. Mit Hilfe ihrer Pädagogik gelingt es, die ursprüngliche Macht der Erwachsenen durch die Motivation, die von den Lernmaterialien ausgeht, zurückzudrängen. Diese ermöglichen dem Kind einen spielerischen Umgang mit unterschiedlichen Lerninhalten, bei denen alle Sinne angesprochen werden. Durch diese Methode können langfristig Lernergebnisse im Gedächtnis gespeichert werden und sind später leichter abrufbar. Des Weiteren ermöglicht die Freiarbeit nicht nur die Freiheit in der Auswahl des Materials, sondern auch die Freiheit in der Wahl des Raumes, der Zeit sowie der Lernpartner. Wesentliche Elemente der Freiarbeit nach Montessori sind: Der absorbierende Geist, die Polarisation der Aufmerksamkeit, die sensitiven Perioden und der Aktivitätszyklus, Freiheit und Disziplin, Hilfe zur Selbsthilfe, Faktoren, die die Entwicklung bzw. Entfaltung des Kindes ermöglichen sowie das Konzept der sogenannten kosmischen Erziehung. Im Hinblick auf die Unterrichtspraxis wird in diesem Buch konkret auf die Lehrerrolle, die Situation der Schüler, die Gestaltung der Lernumgebung sowie zwei unterschiedliche Arten von Lernmaterialien eingegangen. Für die erfolgreiche Umsetzung von Freiarbeit müssen auch bestimmte Rahmenbedingungen eingehalten werden, die hier näher erläutert werden. Auch die Leistungsbewertung unterscheidet sich im Vergleich zur herkömmlichen Beurteilung. Da mit der Freiarbeit nicht nur Vor- sondern auch Nachteile verknüpft sind, werden diese im Vergleich einander gegenübergestellt. Neben den bekannten Montessori-Schulen wird auch an der Ostseeschule in Flensburg das Prinzip der Freiarbeit praktiziert. Diese zeichnet sich durch eine innovative Pädagogik, umfangreichen Unterricht mit unterschiedlichen inhaltlichen Schwerpunkten sowie einer ausgezeichneten Ausstattung mit Lernmaterialien aus. Die Kinder haben so die Möglichkeit, ihrem natürlichen Wissens- und Tatendrang nachzugehen. An der Ostseeschule in Flensburg liegen dabei die Schwerpunkte der Freiarbeit in den Hauptfächern Deutsch und Mathematik. Hierfür stehen eine Vielzahl unterschiedlicher Sinnesmaterialien zur Verfügung, die alle aufeinander bezogen sind und eine Fehlerkontrolle enthalten. So erhalten die Kinder ein Feedback über die Richtigkeit ihrer Ergebnisse.
Textprobe: Kapitel 3.2, Die Polarisation der Aufmerksamkeit: Als ‘Polarisation der Aufmerksamkeit’ wird jenes Phänomen beschrieben, das bei Maria Montessori zum zweiten wichtigen Schlüsselerlebnis führte als sie im Kinderhaus von San Lorenzo arbeitete. Bei der Beobachtung eines dreijährigen Mädchens, das sich intensiv und voller Konzentration mit Einsatzzylindern beschäftigte und sich durch gezielte Störversuche nicht ablenken ließ, kam sie zu der Überzeugung, dass auch kleine Kinder ihre Aufmerksamkeit über einen längeren Zeitraum konzentrieren können. Dabei ist das Kind jedoch auf äußere Gegenstände angewiesen, von denen die Kraft zur Konzentration ausgehen muss. Diese müssen ihm ‘als Werkzeuge seiner Sammlung’ dienen. Mit der Polarisation der Aufmerksamkeit wird die Fesselung bzw. freiwillige Bindung der Aufmerksamkeit an einen bestimmten Gegenstand oder einer Sache verstanden, die den jeweiligen Sensibilitäten (gesteigerte Lernbereitschaft) eines Kindes entsprechen. Maria Montessori wies nachdrücklich daraufhin, dass die große Macht kindlicher Konzentration vor allem durch die Aktivität mit den eigenen Händen unter Führung der Intelligenz stattfindet. Das Kind experimentiert mit seiner Umwelt durch den handelnden Umgang mit einem selbstgewählten Gegenstand, der seinerseits über die Kraft verfügt, ‘des Kindes Kräfte einzusammeln und sie dauerhaft und wirksam zu binden – zu polarisieren.’ In diesem Zusammenhang ist es wichtig, dass die Seele auf einen Anreiz reagiert und für eine gewisse Zeit im Inneren verweilt. Durch diesen Prozess wird die schrittweise Versunkenheit und Unablenkbarkeit ausgelöst, die Intelligenz des Kindes entwickelt sich sowie die Fähigkeit zur Ausdauer und Geduld. Von Montessori wird dieser Vorgang als freie Arbeit, freie Wahl bzw. freie intellektuelle Arbeit interpretiert. Ihr weiteres Erziehungskonzept richtet sich nach dieser Polarisation der Aufmerksamkeit. Dabei versuchte sie geeignete Bedingungen hinsichtlich der Gegenstände und des Erziehungsverhaltens zu finden, um das Auftreten dieses Phänomens herbeizuführen. Durch diese tiefen Aufmerksamkeitszustände verändert sich das Kind, indem es glücklicher, zufriedener, ruhiger, gelöster, intelligenter und mitteilsamer wirkt und ‘außergewöhnliche innere Qualitäten (offenbart), die an die höchsten Bewußtseinsphänomene erinnern, wie die der Bekehrung.’. 3.3, Die sensitiven (sensiblen) Perioden und der dreiphasige Aktivitätszyklus: Montessoris Theorie vom Ablauf bestimmter Perioden, in denen spezifische Sensibilitäten auftreten, spiegeln den Einfluss von Umweltgegebenheiten auf das Entwicklungsstadium des Kindes wieder. In jeder dieser Perioden besteht eine gewisse Lernbereitschaft für bestimmte Erwerbungen. Da diese zeitlich begrenzt sind, ist das Kind nur innerhalb dieser besonders offen, seine in der Umwelt gemachten Erfahrungen zu verarbeiten und erfolgreich zu nutzen. Jede dieser Phasen besitzt dabei ihre besondere Sensitivität für Bewegung, Sprache, Ordnung sowie soziales Verhalten, die bedeutsam für den weiteren Entwicklungsprozess des Kindes und den damit verknüpften Erfahrungen sind. Die Phasenübergänge erfolgen dabei in Abhängigkeit eines komplizierten Wechselwirkungsprozesses von Reifung und Lernen wie beispielsweise der inneren, schöpferischen Arbeit des Individuums. Diese sensiblen Perioden haben demzufolge eine grundlegende Bedeutsamkeit für die Organisation und den Aufbau der menschlichen Persönlichkeit. Zu beachten ist, dass sie ‘von vorübergehender Dauer (sind) und nur dazu (dienen), dem Wesen die Erwerbung einer bestimmten Fähigkeit zu ermöglichen.’ Die Empfänglichkeit sinkt zum Ende einer jeden Phase ab, so dass jeder Charakterzug aufgrund eines spezifischen Impulses und nur während eines begrenzten Zeitraums entwickelt werden kann. Wird diese Gelegenheit versäumt, so kann der Erwerb der entsprechenden Fähigkeit nicht mehr ‘auf natürliche Weise’ nachgeholt werden und bedarf eines höheren Kraftaufwandes. Entsprechend Montessoris Annahme von der Existenz sogenannter sensibler Perioden, in denen entscheidende Entwicklungsprozesse stattfinden, hat Hildegard Holstiege diese in ihrer Analyse konkret herausgearbeitet. Es lassen sich demnach drei Phasen, die jeweils sechs Jahre andauern, unterscheiden. In der ersten Phase, die im Alter von 0-6 Jahren stattfindet, erfolgt die ‘Bildung der Basis der Persönlichkeit und Intelligenz.’ Des Weiteren umfasst sie den Erwerb wichtiger motorischer Fähigkeiten (Hand, Gleichgewicht, Laufen), die Sprachentwicklung sowie die des Bewusstseins, den Sinn für Ordnung und die soziale Integration. Die darauffolgende zweite Phase (7-12 Jahre) ist geprägt von der ‘Dominanz moralischer Sensibilität’, in der sich ein moralisches und soziales Bewusstsein entwickelt. Darüber hinaus vollzieht sich in dieser Phase auch ‘der abstrakte Aufbau des menschlichen Geistes’ (…), eine ‘sensible Periode der Bildung’, in der ‘die Grundlagen aller Wissenschaften’ zu finden ist. Die dritte Periode (12-18 Jahre) wird als physiologisch labil bezeichnet, da in dieser soziale Sensibilitäten dominieren, die gleichzeitig mit dem Bedürfnis nach ‘Selbstständigkeit im sozialen Beziehungsnetz’ verknüpft sind. Des Weiteren bevorzugt der Jugendliche in dieser Phase ‘schöpferische Arbeiten’, durch die er ein gesundes Selbstwertgefühl sowie persönliche Würde erfahren kann. Im Hinblick auf diese ‘sensiblen Perioden’ muss die Erziehung, im Sinne einer indirekten Erziehung, ein entsprechendes Umfeld schaffen, in dem sich die unterschiedlichen Sensibilitäten auswirken können und in dem der ‘absorbierende Geist’ des Kindes entsprechende Anregungen findet, ‘damit (es) seinen Geist selbst formen kann.’ In der zweiten, sensiblen Periode kann indirekte Erziehung als gezielte Unterstützung und Förderung durch die funktionelle Kinderhausgemeinschaft, deren spezifischer Ausgestaltung sowie den zur Verfügung stehenden Entwicklungsmaterialien dienen. Für die dritte Periode, die nicht so sehr im Fokus Montessoris stand, beschreibt sie ihre Vorstellung von einer ‘Erfahrungsschule des sozialen Lebens’, in der es dem Jugendlichen möglich sein soll, der ‘individuellen Initiative’ einen Freiraum zur persönlichen Entfaltung zu ermöglichen. Damit verknüpft sind Möglichkeiten des persönlichen Ausdrucks anhand von Musik, Sprache oder bilderisches Arbeiten. Darüber hinaus nennt Montessori schöpferische Elemente des psychischen Seins, die durch die moralische Erziehung, Mathematik und Sprachen gekennzeichnet ist. Des Weiteren sollte der Jugendliche ‘mit der augenblicklichen Kultur in Beziehung (gesetzt werden), indem man ihm eine umfassende Bildung vermittelt, und ebenfalls mit dem Mittel der Erfahrung’ Dazu zählen für Montessori das ‘Studium der Erde und der lebendigen Natur’, als auch ‘Studien, die sich auf den menschlichen Fortschritt und auf den Aufbau der Zivilisation durch die Physik und Chemie usw. beziehen.’ Das Kind verfügt über das physische und intellektuelle Potential erwachsen zu werden. Darüber hinaus besitzt es einen mächtigen Selbstentfaltungsdrang, eine erhöhte Sensibilität, die sich in den ‘sensiblen Perioden’ der Kindheit und Jugend manifestieren.
Beatrice Hölting (M.Ed.), geboren 1979 in Stade, schloss ihr Masterstudium für das Lehramt an Realschulen an der Universität Flensburg im März 2012 erfolgreich ab. Im Rahmen ihrer Abschlussarbeit setzte sie sich dabei schwerpunktmäßig mit der offenen Unterrichtsform der Freiarbeit nach dem Prinzip von Maria Montessori auseinander. Praktische Erfahrungen sammelte sie dazu an der Ostseeschule in Flensburg, die nach diesem Konzept arbeitet. In einigen Hospitationsstunden konnte sie sich somit von der Umsetzung und Wirksamkeit der Freiarbeit überzeugen. Auch ein Interview mit der Konrektorin der Schule führte zu weiteren überzeugenden Erkenntnissen zu diesem Themengebiet.
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