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Sozialwissenschaften

Moritz Hilgers

Favelas: Brasiliens Armenviertel

ISBN: 978-3-86341-213-5

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Produktart: Buch
Verlag:
Bachelor + Master Publishing
Imprint der Bedey & Thoms Media GmbH
Hermannstal 119 k, D-22119 Hamburg
E-Mail: info@diplomica.de
Erscheinungsdatum: 06.2012
AuflagenNr.: 1
Seiten: 52
Abb.: 16
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback

Inhalt

Marginalviertel sind zumeist räumlich, immer aber sozial gesehen von der übrigen Gesellschaft ausgeschlossen oder an den Rand gedrängt. Dies ist auch in den Favelas nicht anders, einer speziellen, brasilianischen Form von Marginalvierteln. Durch Filme wie ‚City of God’ oder ‚City of Men’ sowie die gleichnamige brasilianische Serie (portugiesisch: ‚Cidade dos Homens’), aber auch aufgrund der im Vorfeld der Großveranstaltungen Fußballweltmeisterschaft (2014) und Olympische Spiele (2016) durchgeführten ‚Aufräumaktion’ in Rio de Janeiro gelangten Favelas zu mehr Bekanntheit. Dabei werden jedoch größtenteils nur Aspekte wie Gewalt oder Drogen in den Vordergrund gestellt beziehungsweise thematisiert. Diese Bachelorarbeit versucht einen eingehenderen und prüfenden Blick auf die Favela zu werfen. Die Arbeit beginnt mit einer allgemeinen Beschreibung und Definition von Marginalvierteln und der Darstellung der Situation in Brasilien. Anschließend wird, auch mit Hilfe dieser Merkmale, versucht das Beispiel beziehungsweise den Begriff Favela zu definieren. Eingebunden sind dabei Informationen zur Geschichte, Entstehung und Verbreitung von Favelas. Schließlich befasst sich die Arbeit mit dem Leben in der Favela. Thematisiert werden hier die Bereiche Bewohner, Infrastruktur, Bildung, Arbeitsmarkt, Soziales, und Gewalt/Drogen. Nach einer Schilderung von vergangenen sowie aktuellen Sanierungsprojekten und Sozialprogrammen, wird abschließend auf die innere als auch äußere Wahrnehmung von Favelas eingegangen.

Leseprobe

Textprobe: Kapitel 5.1, Bewohner: Die Bewohner der Favelas werden Favelados genannt (Evenson 1973:20). Im Durchschnitt sind die Familien vier - bis sechsköpfig und ihnen stehen ein bis maximal zwei Mindestlöhne zur Verfügung (Deffner 2006:24). ‘Die Kultur der brasilianischen Favelas wird geprägt von der farbigen Bevölkerung, das heißt der schwarz-weißen Mischbevölkerung, die heute für die brasilianischen Unterschichten typisch ist’ (Achinger 1997:26). Obwohl es offiziell keine Rassendiskriminierung in Brasilien gibt, werden Nichtweiße auf vielfältige Weise diskriminiert und an den Rand der Gesellschaft gedrängt. Deshalb sind die Favelas die hauptsächlichen städtischen Wohngebiete der nichtweißen Bevölkerung (Achinger 1997:26). Eine Feldstudie aus dem Jahre 1991 ergab in den Favelas einen Prozentsatz von weißer zu nichtweißer Bevölkerung von 31% zu 69%, wohingegen die Volkszählung von 1980 für ganz Brasilien ein prozentuales Verhältnis von 55% zu 45% aufwies (Achinger 1997:28). Auch Deffner (2008:43) spricht in diesem Zusammenhang von ‘schwarzer Armut’. Die Mehrheit der Favelados ist afrobrasilianischer Herkunft, wobei hier natürlich noch regionsspezifisch unterschieden werden muss. So stellen zum Beispiel in Salvador, welches vor etwa 500 Jahren einer der ersten und wichtigsten Anlege- und Handelsplätze für die Sklaven aus Afrika war, Afrobrasilianer über 80% der Bevölkerung dar. Hingegen ist in den Metropolen des Südens, den Zentren europäischer Immigration, der Anteil der hellhäutigen Bevölkerung deutlich höher (Deffner 2008:43). Somit ergeben sich auch unterschiedliche Anteile in den Favelas. Darüber hinaus sind die Favelas, was den Status ihrer Bewohner angeht, nicht homogen. Souza (1993:222) spricht in diesem Zusammenhang von einer inneren sozioökonomischen Differenzierung der großen Favelas. Bei einer Untersuchung der Favela Rocinha wurde festgestellt, dass auch die untere Mittelschicht, wenn auch in der Minderheit, vertreten ist (Souza 1993:221). Auch Richter (2008:196) bestätigt die Existenz von Haushalten in den Favelas, die der Mittelschicht zugerechnet werden können. In Natal (Nordosten Brasiliens) lag der Anteil dieser Haushalte bei 15%. Der Anteil der Unterschicht beträgt somit durchschnittlich 85%. Deffner (2007:213-214) berichtet, dass die Favela-Bewohner heute ein formales Existenzrecht zumindest in den innerstädtischen Räumen besitzen und somit administrativ-territorial und politisch akzeptiert sind. Viele Favelados besitzen heute formelle Wohn- beziehungsweise Bodenbesitzrechte und Favelas sind für Immobilienmarktspekulationen keineswegs frei verfügbare Flächen (Deffner 2006:24). Auf die Integration der Favelados in die Gesellschaft wird in den Kapiteln 5.3, 5.4 und 6 genauer eingegangen. 5.2, Infrastruktur: Pino (1998:52-53) beschreibt die Bausubstanz in den Favelas der fünfziger und sechziger Jahre als ärmlich. Die Mauern der Unterkünfte wurden mithilfe von Schlamm beziehungsweise Ton und Bambus errichtet. Schnüre oder Kleidungsstücke dienten als Halt für die vier Außenwände. Die Dächer bestanden aus Blechdosen, Zink, Pappe, bessere aus Ziegeln. Auch Carolina Maria de Jesus (1962) spricht in ihrem Tagebuch der Armut über den schlechten Zustand ihres Hauses. Dafür benutzt sie durchweg die Bezeichnung ‘Bretterbude’. Während der letzten Jahrzehnte hat sich der Lebens- und Wohnstandard in den Favelas jedoch stark verbessert (Lanz 2007:194). Richter (2008:197) spricht von einer Verlangsamung der Entstehung neuer und der verstärkten Konsolidierung bereits bestehender Favelas. Der laut Favela-Definition der IBGE (Instituto Brasileiro de Geografia e Estatistica) fehlende Anschluss an Basisgrundversorgung wie Elektrizität und Wasser/Kanalisation ist in den innerstädtischen Favelas kaum mehr ein aktuelles Kennzeichen, wenngleich noch vielerorts prekäre Situationen besonders im Bereich der Entsorgung herrschen. Ebenso wurde das Bild der Wellblech-Hütten aus der Entstehungsphase innerstädtischer Favelas, wie sie heute nur noch in neuen randstädtischen Marginalvierteln vorzufinden sind, im Laufe der Konsolidierungsprozesse von mehrgeschossigen Häusern aus fester Bausubstanz abgelöst (Deffner 2006:24). Bereits im Jahre 1981 waren 63% der Häuser in den Favelas des Munizips Rio de Janeiros Steinhäuser (Souza 1993:223). Auch in der Favela Rocinha sind die überwiegende Mehrheit der Häuser aus Beton gebaut, einige zweistöckig oder dreistöckig, einige sogar verputzt (Souza 1993:222). Dietz (1998:265-269) unterteilt, ausgehend von der konstruktiven Verwendung der Wandmaterialien, die für die Dauerhaftigkeit der Häuser von entscheidender Bedeutung ist, in den Favelas vier Bautypen.

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