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- Die Krimiserie: Spannung und Entspannung zugleich?
Sozialwissenschaften
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Verlag:
Bachelor + Master Publishing
Imprint der Bedey & Thoms Media GmbH
Hermannstal 119 k, D-22119 Hamburg
E-Mail: info@diplomica.de
Erscheinungsdatum: 01.2014
AuflagenNr.: 1
Seiten: 60
Abb.: 24
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback
Auffallend ist, dass sowohl im öffentlich rechtlichen als auch im privaten Fernsehen Krimiserien seit Jahrzehnten boomen und sich bei Jung und Alt an großer Beliebtheit erfreuen. Weil der Krimi im Fernsehen so interessant für die Zuschauer ist, muss er es auch für die Wissenschaft sein meinte schon Viehoff (2005, S. 89) in seinem Text Der Krimi im Fernsehen . Wenn ein Genre über seine inzwischen Jahrhunderte dauernde Gattungsgeschichte hinweg immer wieder diejenigen fasziniert und unterhält, die sich ihm zugewandt haben, dann muss daran etwas zu beobachten sein, was diesen Erfolg erklärt (Viehoff, 2005). Ziel dieser Arbeit ist es, zu zeigen warum Krimiserien rezipiert werden, was den Reiz und vor allem die Faszination dieser Serien ausmacht und ob die vermehrte Rezeption Auswirkungen auf die SeherInnen haben kann. Als theoretische Basis dienen der Uses-and-Gratifications-Ansatz, die Kultivierungsthese von George Gerbner, sowie das Vielsehersyndrom.
Textprobe: Kapitel 2.3.2, Die Kultivierungsthese im Kontext der Krimiserie: ‘What assumptions does television cultivate about facts, norms, and values of society?’. Die Kultivierungsthese ist ein theoretischer Medienwirkungssatz, der davon ausgeht, dass die Menschen der modernen Gesellschaft einen Großteil ihrer Erfahrungen aus der Fernsehwelt ziehen und ihre soziale Realität aus den medial vermittelten Botschaften rekonstruieren. Die Kultivierungsthese besagt, dass bei Personen, die besonders viel fernsehen, eine Verzerrung der Vorstellung von der gesellschaftlichen Realität eintritt – und zwar in Richtung auf die dargestellte ‘Fernsehwelt’. Dem Fernsehen kommt dabei eine zentrale Bedeutung zu, weil es sich aufgrund seiner allgegenwärtigen Verfügbarkeit, seiner hohen Reichweite sowie aufgrund der Gleichförmigkeit seiner Botschaften und Realitätsnähe von anderen Medien unterscheidet. Bei der empirischen Überprüfung der Kultivierungsthese wird meist wie folgt vorgegangen: Zunächst werden durch Inhaltsanalysen die kulturellen Indikatoren wie z. B. die Häufigkeit von Gewalt innerhalb des Gesamtsystems Fernsehen erfasst. Es wird also ein Bild der Fernsehwelt gezeichnet, das mit der realen Welt verglichen werden kann. Danach werden die RezipientInnen auf zwei verschiedenen Arten befragt: 1. Fragen, die eine ‘Fernsehantwort’ und eine (richtige) ‘reale Welt-Antwort’ zur Wahl stellen. Diese sollen Aufschluss über kultiviertes Faktenwissen (first-order-beliefs) geben. 2. Einstellungs- oder Verhaltensfragen sollen Aussagen über kultivierte Meinungen und Einstellungen (second-order-beliefs) ermöglichen. (Zum Beispiel, ob man Angst habe, nachts alleine spazieren zugehen). Aufgrund der Tatsache, dass sich die Antworten von Viel- und Wenigsehern dahingehend unterscheiden, dass erstere deutlich häufiger Fernsehantworten geben und der Fernsehwelt entsprechender Meinung vertreten, wird ein kultivierender Einfluss von der Gerbner-Gruppe als nachgewiesen angesehen. So kam sie zu dem Ergebnis, dass das Fernsehen das Bild einer furchterregenden (mean and scary) Welt vermittelt und so bei Vielsehern zu Angst, Misstrauen und stärkerer Akzeptanz unterdrückender Sicherheitsmaßnahmen führt. Kritik an der Kultivierungsthese: Gerbners Ansatz und seine Forschungsergebnisse waren jedoch von Beginn an nicht unumstritten. Die Hauptkritikpunkte sind: - die schlechte Replizierbarkeit der Ergebnisse durch andere, auch internationale, Studien. - die mangelnde Kontrolle von Drittvariablen, wie beispielsweise soziodemographischer Merkmale. - der unzulässige Kausalschluss, da genauso wie das Fernsehen die Einstellungen der ZuschauerInnen beeinflussen könnte, eben jene Einstellungen die Fernsehnutzung bestimmen könnten. Weitere Kritikpunkte beziehen sich auf die Messung der abhängigen Variable, die Gruppierung in Viel- und Wenigseher sowie die Nonlinearität der Zusammenhänge. Gerbner nahm diese Beobachtungen zum Anlass, die Kultivierungseffekte in zwei Sub-prozesse zu differenzieren: - Mainstreaming: unterschiedliche, durch jeweilige soziale Voraussetzungen bedingte Einstellung werden durch eine intensive Fernsehnutzung absorbiert und zu einer gemeinsamen Auffassung, dem Mainstream, homogenisiert. - Resonanz: bezieht den Einfluss der Realitätserfahrung von den RezipientInnen mit ein. Wenn Vielseher die Realität so erleben, wie sie im Fernsehen dargestellt wird, wirkt diese konsonante Fernsehbotschaft wie eine starke ‘Doppel-Dosis’ und verstärkt den Kultivierungseffekt. Dissonante Realitätserfahrungen dagegen schwächen den Kultivierungseffekt ab. Dies ist jedoch nur schwach empirisch gesichert. Neue Kultivierungsstudien entfernen sich immer mehr von den traditionellen Grundannahmen und so hat sich die Untersuchung genrespezifischer Kultivierungseffekte und die Anerkennung des aktiven Rezipienten bzw. der aktiven Rezipientin weitgehend etabliert. Außerdem ziehen neuere Studien zunehmend sozialpsychologische Erkenntnisse zur Informationsverarbeitung mit ein. Nach ungefähr 30 Jahren Kultivierungsforschung kommen die meisten Studien, wie auch eine Metaanalyse über 58 Einzelstudien zu dem Schluss, dass es einen schwachen aber konsistenten und positiven Zusammenhang zwischen Fernsehnutzung und einem Weltbild, das dem der Fernsehwelt entspricht oder ähnelt, gibt. Welche Variablen und individuellen Verarbeitungsmuster allerdings die Kultivierung beeinflussen, welche psychischen Prozesse ihr zugrunde liegen sowie von welcher Verursachungsrichtung ausgegangen werden kann, ist bisher nicht hinreichend geklärt. Im Kontext Krimiserie liegt nun folgende Vermutung nahe: Bei Vielsehern verbrechensbezogener Genres [Anm. d. Verf.: unter verbrechensbezogene Genres werden hier haupt-sächlich Krimiserien verstanden, aber auch beispielsweise Actionserien, Reality TV, Gerichtsshows, usw.], die dadurch gewalthaltigen Inhalten ausgesetzt sind, lassen sich stärkere Kultivierungseffekte im Bereich Gewalt und Verbrechen beobachten als bei Wenigsehern. Die Ergebnisse verschiedener Studien widersprechen jedoch dieser Annahme. Sie zeigen, ‘(…)dass die Nutzung verbrechensbezogener Genres durchaus Wirkungen auf verbrechensbezogene Kultivierungsmaße hat, aber tendenziell geringere als die Gesamtfernsehnutzung. Andererseits erweisen sich auch Genres, die keine Gewalt thematisieren, als einflussreich.’. Dies macht deutlich, dass bei der Kultivierung durch verbrechensbezogene Genres nicht von einfachen unbewussten Prozessen im Sinne eines Kausalzusammenhang Inhalt-Wirkung ausgegangen werden kann. Der schwache Kultivierungseffekt könnte durch Drittvariablen, die die intensive Fernsehnutzung begleiten, erklärt werden oder aber auch durch eine umgekehrte Verursachung: ‘Wenn die individuelle Fernsehnutzung von den Einstellungen der Rezipienten beeinflusst wird, dann könnte es sein, dass ängstliche Zuschauer verbrechensbezogene Genres meiden. Vielnutzer dieser Genres wären dagegen eher 'furchtlose Charaktere' und deshalb für Kultivierungseffekte weniger anfällig.’. Eine andere plausible Interpretation liefert Zillmann, indem er einen entgegengesetzten Kultivierungseffekt annimmt. ‘Dadurch, dass in verbrechensbezogenen Sendungen die Täter meist gefasst und bestraft werden und am Ende die Gerechtigkeit siegt, vermitteln sie eher ein Bild einer sicheren als einer gefährlichen Welt.’. Merten meint, dass insbesondere fiktionale, verbrechensbezogene Genres deshalb weniger kultivieren, weil hier Gewalt oft unpersönlich, unrealistisch und actionreich dargestellt wird. Auch wenn Gewalt aufgrund des Genres schon von den RezipientInnen erwartet wird, wird diese als weniger gewaltsam eingeschätzt. So wird die Gewalt in Krimiserie schon im Vorhinein von den ZuschauerInnen erwartet, kommt somit für sie nicht überraschend und wirkt auf sie daher weniger gewaltsam. Dies heißt auch, dass je vertrauter ZuschauerInnen mit Genrekonventionen sind, desto weniger anfälliger sind sie für die Wirkung dieser Inhalte. Zillmann und Wakshlag haben gezeigt, dass Kultivierungseffekte nicht nur zwischen verschiedenen Genres, sondern auch innerhalb eines Genres variieren können. In einer Studie zur Kultivierung durch crime drama waren Effekte nur für die Sendungen zu beobachten, in denen die Taten unbestraft blieben (injustice-laden drama). Für differenzierte Ergebnisse sollte also in Zukunft vor allem bei heterogenen Genres, wie dem Krimi-Genre, spezifische Inhalte und Darstellungsformen mit berücksichtigt werden, um Kultivierungseffekte ausschließen zu können.
Danielle Sprengnagel, Bakk. phil., wurde 1989 in St. Pölten geboren. Ihr Studium der Publizistik- und Kommunikationswissenschaft an der Universität Wien schloss die Autorin 2013 mit dem akademischen Grad der Bakkalaurea der Philosophie erfolgreich ab. Seit Oktober 2013 befindet sich Sprengnagel im Magisterstudium der Publizistik- und Kommunikationswissenschaft. Bereits während des Studiums sammelte die Autorin umfassende praktische Erfahrung in der Medien-Branche.
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