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- Die Kehrtwende in der Atompolitik der Regierung Merkel – Erklärungsansätze in der Presse
Sozialwissenschaften
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Verlag:
Bachelor + Master Publishing
Imprint der Bedey & Thoms Media GmbH
Hermannstal 119 k, D-22119 Hamburg
E-Mail: info@diplomica.de
Erscheinungsdatum: 09.2013
AuflagenNr.: 1
Seiten: 52
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback
Die vorliegende Arbeit thematisiert die atompolitische Kehrtwende der Regierung Merkels und beleuchtet den Vollzug dieses sogenannten U-Turns von der Laufzeitverlängerung im Herbst 2010 bis zum Ausstieg aus der Atomenergie im Jahre 2011. Im Zentrum des Interesses steht diesbezüglich die CDU, die sich zuvor deutlich für die Atomkraft ausgesprochen hatte. In dieser Untersuchung steht dabei weniger die inhaltliche Diskussion der Nutzung von Kernenergie im Fokus, sondern vielmehr die Intention, die Ursachen für die Wende in der Atompolitik der Regierung herauszuarbeiten. Hierzu wird zunächst eine Hypothese aufgestellt, die sich an ökonomischen Theorien der Demokratie orientiert und das Verhalten der Regierung anhand der bevorstehenden Landtagswahlen erklärt. Anschließend erfolgt die Suche nach weiteren Erklärungen, wobei Zeitungsartikel als Untersuchungsgegenstand dienen.
Textprobe: Kapitel 3, Andere Erklärungen für den Atomausstieg: Wie aus dem vorigen Kapitel hervorgeht haben alle Zeitungen die aufgestellte Hypothese mehr oder weniger stark bestätigt. Allerdings wurden in den Artikeln auch weitere Ansätze entdeckt, die das Handeln der Regierung anders erklären als schlicht durch die bevorstehenden Wahlen. Um welche Thesen es sich dabei handelt und welche Zeitungen diese Thesen verwendet haben wird im Folgenden vorgestellt. Die Reihenfolge ist zufällig und soll keine Gewichtung implizieren. 3.1, Notwendigkeit einer politischen Reaktion: Die fünf deutschen Zeitungen sind sich kurz nach der Katastrophe allesamt einig, dass eine politische Reaktion auf die japanische Katastrophe notwendig sei oder zumindest, dass die Debatte der Kernenergie nun in einem anderen Lichte erscheinen würde. Die FTD appelliert, dass der ‘politische Fallout’ nun größer sein müsse als nach der Katastrophe von Tschernobyl, denn dort hatte man immer den Reaktorunfall mit den Schrottmeilern der Sowjetunion entschuldigt. Man könne sich ‘auf die Sicherheit selbst moderner Meiler nicht verlassen’, ‘[w]eltweit hat die Politik die Risiken verdrängt.’ Die Risikowahrnehmung hat sich verändert und ‘eine Kombination verschiedener Pannen [sei] überall auf der Welt’ möglich, weshalb nun dringend gehandelt werden müsse. Die Redaktion sieht also Handlungsbedarf unabhängig von künftigen Wahlen. Später relativiert sie aber, dass sich politische Reaktionen im Rahmen der Planbarkeit und Sicherheit halten müssen, um nicht für den Industriestandort Deutschland zur Bedrohung zu werden. Die FAZ stellt zwar keine politischen Forderungen nach Reaktionen, beobachtet aber nach der Katastrophe in Japan eine allgemeine ‘Neupositionierung in der Debatte um die Nutzung der Kernenergie’ in Deutschland und Europa. Und gerade in Deutschland seien ‘die Ängste […] vor der friedlichen Nutzung der Kernenergie aufs Neue belebt.’ Die taz sieht in dem Beben von Japan den Beweis, dass das Wort ‘Risikotechnologie’ nicht inhaltslos sei und fordert deshalb: ‘AKWs müssen abgeschaltet werden’, nicht nur in Deutschland, sondern überall auf der Welt. Atomkraftwerke seien auch im Normalbetrieb ein enormes Risiko, doch Wirtschaft und Politik wollten das lange Zeit nicht einsehen. Nun müssten sie eine Lehre aus der Katastrophe ziehen und handeln. Die Welt beschreibt, dass bisher Vertrauen in die Atomkraft bestand, solange sie in ‘modernen Demokratien mit Sicherheitsvorkehrungen gefesselt’ war. Dieses Vertrauen sei nun erschüttert. Man wusste zwar schon vorher um das Risiko der Kernenergienutzung, aber ‘[e]s zu sehen macht den Unterschied.’ Es werden politische und psychologische Folgen, vergleichbar mit dem 11. September 2001, prophezeit und eine Verschiebung der politischen Achsen beobachtet. Die Industrieländer hätten nun die Aufgabe, die nukleare Gefahrenquelle zu vermindern, eine Aufgabe, die mit der Absicherung gegen den radikalen Islam verglichen wird. Denn ‘dem Gefühl nach liegt Fukushima ebenso wie Hiroshima und New York vor der eigenen Haustür.’ Die Katastrophe wird deshalb als ‘politischer Einschnitt ersten Ranges’ bezeichnet, ein Verweis auf das Jahr 2017, an dem der Atomausstieg ursprünglich beginnen sollte, würde nicht ausreichen. Obwohl die Zeitung kurz nach dem Unglück diese Forderungen an die Politik stellt, schreibt sie wenig später, dass die ‘aktionistische Atompolitik’ beendet werden müsse und dass man sich mehr Zeit lassen solle mit dem Ausstieg. Einige Tage danach heißt es dann, dass die veränderte Wahrnehmung durch die Medien verzerrt und die Vorstellung, Fukushima sei überall, falsch wäre. Politiker sollten sich von dieser Fehleinschätzung nicht leiten lassen. Die Zeitung sieht also kurz nach dem Unglück politischen Handlungsbedarf fernab von Wahlen, revidiert diese Ansicht aber wenig später mit dem Argument, dass die Katastrophe falsch wahrgenommen werde. Die Zeit gibt an, dass aus der Katastrophe nicht erst Lehren gezogen werden sollten wenn sie vorbei ist, sondern dass sofort auf dieses Unglück reagiert werden müsse. Nach Fukushima müssten ‘endlich alle Fragen auf den Tisch’. In allen deutschen untersuchten Zeitungen wird eine veränderte Wahrnehmung beobachtet und eine daraus folgende Notwendigkeit politischer Reaktionen behauptet. Daraus leiten vor allem die FTD und die taz den Appell ab, dass die Politik definitiv auf die Ereignisse reagieren müsse, unabhängig von Wahlen oder Umfragewerten. Die Zeit meint, man müsse Lehren aus der Katastrophe ziehen und die Welt geht sogar so weit, politische Konsequenzen auf dem Niveau des 11. Septembers zu fordern (obwohl diese Forderungen kurze Zeit später revidiert werden). Das bedeutet, zumindest die deutsche Presse sieht eine Notwendigkeit politischer Handlungen wegen der veränderten Wahrnehmung, den verschobenen politischen Achsen und dem gewandelten Atomdiskurs. Diese Ansichten werden allerdings nur in einem kurzen Zeitraum nach der Katastrophe vertreten. Langfristig verändern die Zeitungen entweder drastisch ihre Haltung (die Welt) oder sie erwähnen zumindest schlicht nicht mehr, dass die Handlungen der Atompolitik Konsequenzen auf die Katastrophe in Fukushima sein könnten. Ausnahmsweise die IHT schreibt nirgends, dass sich Wahrnehmungen des Risikos oder politische Achsen verschoben hätten. Dass Staaten mit Kernenergienutzung durch Fukushima irgendwelche Konsequenzen ziehen sollten wird ebenfalls an keiner Stelle behauptet. Die Ansicht, dass eine politische Reaktion zwingend notwendig sei, ist von daher wahrscheinlich eine typisch deutsche Ansicht. 3.2, Gesellschaftlicher Druck: Einige Zeitungen beschreiben einen gesellschaftlichen Druck, der auf die Regierung ausgeübt wird. Vor allem die taz und die IHT vertreten diese Ansicht. Aus der veränderten Wahrnehmung und der Verschiebung des Atomdiskurses resultiert für die taz eine wachsende Anzahl an Atomkraftgegnern, die ihrer Haltung in Form von Demonstrationen Ausdruck verleihen. Die Fassungslosigkeit angesichts der Katastrophe habe die Ablehnung der Atomkraft noch intensiviert, wodurch eine enorme politische Kraft erwachsen sei. Die demonstrierenden Bürger seien jetzt ‘weit über das grüne Milieu hinaus’ sensibilisiert, nun komme keine Regierung mehr an ihnen vorbei. ‘Merkel spürt den Druck der Bevölkerung’ und dieser Druck zwingt die Regierung zur energiepolitischen Wende. Nach der Verkündung des Atomausstieges bis Ende 2022 steht für die taz fest, dass die Demonstranten gesiegt haben. Den Siegern wird gratuliert. Diese Darstellung beachtet weniger bevorstehende Wahlen und mehr die Macht der Bürger, die über Demonstrationen ausgeübt wird. Es sei schlicht normal, dass Politiker ‘unter dem Druck der öffentlichen Meinung überraschende Volten schlagen.’ Der IHT fällt zehn Tage nach der japanischen Katastrophe auf, dass bis dahin in kaum einem Land Demonstrationen gegen Atomkraft stattfanden außer in Deutschland, und die Opposition plane noch weitere. ‘On Saturday, more than 200.000 people took to the streets of four big German cities to protest nuclear power.’ Diese Demonstrationen hätten Merkel bereits beeinflusst: ‘The power of antinuclear sentiment has already redrawn the politics of survival for Mrs. Merkel.’ Ansonsten wird aber auf den möglichen Einfluss der Demonstrationen nicht weiter eingegangen. In der Zeit werden die Demonstrationen zwar einmal erwähnt, aber nicht als Erklärung für das Regierungshandeln. In den übrigen Zeitungen werden die Demonstrationen nicht erwähnt. Während der vorige Punkt allgemein eine Verschiebung der Wahrnehmung und eine Dringlichkeit politischer Reaktionen beinhaltet, wird hier die Macht der Bevölkerung als regierungsbeeinflussende Variable aufgeführt. In Form von Demonstrationen würden die Bürger ihren Willen zeigen und Druck auf die Regierung ausüben, wodurch diese zum Handeln gedrängt werde. Besonders deutlich wird diese These von der taz vertreten, aber auch die IHT meint, dass die Demonstrationen die Regierung geprägt hätten. Die Zeit erwähnt die Demonstrationen, aber nicht in dem Sinne, dass diese das Regierungsverhalten entscheidend beeinflusst hätten. Die FTD, die FAZ und die Welt erwähnen die Demonstrationen nicht.
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