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- Die Interdependenz der Ordnungen: Entwicklungszusammenarbeit als interkulturelles Diskursfeld
Sozialwissenschaften
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Verlag:
Bachelor + Master Publishing
Imprint der Bedey & Thoms Media GmbH
Hermannstal 119 k, D-22119 Hamburg
E-Mail: info@diplomica.de
Erscheinungsdatum: 09.2013
AuflagenNr.: 1
Seiten: 84
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback
Welche Bedeutung hat Kultur im Entwicklungsdiskurs und in welcher Weise prägen die Begriffe Kultur und Entwicklung die Ziele, Methoden und Maßgaben einer einerseits auf Veränderung zielenden und andererseits dem Anspruch einer der Kultursensibilität verpflichteten Entwicklungszusammenarbeit? Kultur ist das, was der Mensch gestaltend hervorbringt und der Natur in Eigenleistung abringt. Daraus ergibt sich eine unmittelbare Relation zu dem, was unter Entwicklung grundsätzlich zu verstehen ist. Die UNESCO erkennt die kulturelle Dimension des Entwicklungsprozesses auch hinsichtlich ihres Problemlösungspotentials an. Wie nun diese Relation von Kultur und Entwicklung operationalisiert werden kann, steht im Zentrum entwicklungspolitischer Strategien und zielgruppenorientierter, partizipatorischer Entwicklungsvorhaben. Kultur in der Entwicklungszusammenarbeit umfasst die soziokulturellen Rahmenfaktoren von Entwicklungsprozessen, sowie die interkulturelle Zusammenarbeit mit den Partnerländern. In der Asymmetrie von Gebern und Nehmern und dem Spannungsverhältnis zwischen fremd-kulturellen Orientierungen und westlichen Werten, ist Entwicklungszusammenarbeit selbst durch Relation definiert.
Textprobe: Kapitel 3, Die Paradigmen der Entwicklungszusammenarbeit: Als Entwicklungszusammenarbeit (EZ) wird das gemeinsame Bemühen von Industrie- und Entwicklungsländern definiert, weltweite Unterschiede in der sozioökonomischen Entwicklung und in den allgemeinen Lebensbedingungen dauerhaft und nachhaltig zu verringern. Im Gegensatz zur Hunger-, Katastrophen-, Flüchtlings- und humanitären Hilfe, die kurzfristig auf aktuelle Krisen reagiert, zielt Entwicklungszusammenarbeit auf strukturelle Änderungen in den Partnerländern. Das Leitbild einer nachhaltigen Entwicklung richtet sich an Strategien einer gesellschaftlichen Neuorientierung hinsichtlich der Zukunftsfähigkeit im globalen Kontext aus. Es geht um Grundbedürfnisse, Gerechtigkeit und Ausgleich in einer Gesellschaft, um den Abbau von sozialen und regionalen Disparitäten, um Zugang zu Ressourcen, um Gleichberechtigung und Partizipation. Die seit den 1990er Jahren partnerschaftlich orientierte Entwicklungszusammenarbeit löst die Entwicklungshilfe ab. Auch wenn die Ziele weitgehend dieselben geblieben sind, so sind doch die Herausforderungen angesichts globaler Probleme - wie Bevölkerungswachstum, Umwelt und Klimawandel, Migration, Friedenssicherung und internationaler Terrorismus - erheblich komplexer geworden. Hilfsangebote haben sich auch hinsichtlich einer politischen Konditionierung - etwa nach den Kriterien einer guten Regierungsführung (‘good governance’) - differenzierten Realitäten anzupassen. Demzufolge sind auch die Prioritäten der Entwicklungszusammenarbeit im Hinblick auf einen ganzheitlichen Entwicklungsansatz neu zu definieren und kulturelle Einflussgrößen in den Entwicklungsprozess zu integrieren. Entwicklungspolitik umfasst dabei die Gesamtheit der politischen Aktivitäten von Industrie- und Entwicklungsländern sowie von internationalen Organisationen zur wirtschaftlichen, technischen und sozialen Förderung und Weiterentwicklung der Entwicklungsländer. Zwar lassen sich nach Phasen, Kontinenten und Ländern unterschiedliche Entwicklungsdynamiken feststellen. Dennoch wird idealtypisch ein einheitliches Handlungs- und Deutungsmuster erkennbar, welches Entwicklung als globales Organisationsfeld kennzeichnet. Zu seinen Determinanten gehören eine Gesellschaft, die sich als ‘unterentwickelt’ bezeichnet, eine Elite, die die Modernisierung ihres Herkunftslandes vorantreibt, ein Modell, das die Beseitigung der Unterentwicklung verspricht, internationale Experten, die auf lokaler Ebene die Umsetzung des Modells unterstützen, sowie ein weltumspannendes Netzwerk formaler Organisationen, in dem Entwicklung betrieben und finanziert wird. Diese unterscheiden sich nach nationalen und multinationalen Geber- und Nehmerorganisationen. Auf der Geberseite treten neben Weltbank, IWF und WHO die UN und deren Sonderorganisationen als zentrale Geldgeber und Lieferanten entwicklungspolitischer Leitbilder und Konzepte auf. So hat das Thema Kultur und Entwicklung auf internationaler Ebene durch zahlreiche UN-Konventionen zunehmend an Bedeutung gewonnen. ‘Culture matters’ entspricht dabei dem Selbstverständnis einer Entwicklungspolitik, die unter veränderten Rahmenbedingungen weltweit innerhalb wechselseitiger, asymmetrischer Abhängigkeiten von Staaten agiert und damit in ihrer Vermittlungstätigkeit eine Querschnittfunktion innerhalb vielfältiger Politiken zu erfüllen hat. 3.1, Kultur als notwendiger Faktor der Entwicklungspolitik und -zusammenarbeit: Definiert sich Kultur, abgeleitet aus dem lateinischen cultura (= Ackerbau) als das, was der Mensch gestaltend hervorbringt und der Natur in Eigenleistung abringt, so ergibt sich daraus eine unmittelbare Relation zu dem, was unter Entwicklung grundsätzlich zu verstehen ist. Dies wurde bereits in Kapitel 2 ausgeführt. Wie nun diese Relation von Kultur und Entwicklung operationalisiert werden kann, ist wiederum Teil entwicklungspolitischer Strategien im Hinblick auf das was, mit welchen Mitteln, in welcher Richtung, mit welcher Absicht und auf der Grundlage welcher Kriterien bezogen auf bestimmte Zielgruppen entwickelt werden soll. Wird in der Entwicklungsforschung gemeinhin davon ausgegangen, dass sämtliche Aspekte von Kultur einen bedeutenden Faktor bei der Wirkungsanalyse und Erreichung entwicklungspolitischer Ziele darstellen, Kultur und Entwicklung in der Praxis der internationalen Zusammenarbeit durch wechselseitige Implikationen beeinflusst sind, so erscheint es umso fragwürdiger, dass die im Jahr 2000 vor dem Hintergrund weltweit wachsender Armut verabschiedeten Millennium-Developement-Goals der UN die kulturelle Dimension von Entwicklung nicht erwähnen und demzufolge diese auch nicht als Ziel definieren. Das mag im Wesentlichen darin begründet sein, dass sich im Bereich Kultur ‘nur sehr schwer mit empirischen Analysen Strukturen in den komplexen Zusammenhängen mit globaler Entwicklung finden’ lassen. Begreift man jedoch Kultur als ein Querschnittthema, das als fünfte Dimension neben den vier klassischen – den politischem, ökonomischen, sozialen und ökologischen – Zielen der Entwicklungspolitik fungiert, so ist sie als ein institutionalisierter Faktor zu begreifen. Damit wird die Erklärung kulturspezifischer Rahmenbedingungen, wenn nicht zu einer hinreichenden, so doch zu einer notwendigen Voraussetzung für die Analyse erfolgreicher Entwicklungsprozesse. Entsprechend lassen sich nach Jürgen Wilhelm folgende drei Leitlinien für Kultur im Entwicklungskontext aufstellen: Kultur als Einflussgröße spielt 1) eine Rolle als Rahmenbedingung für die politische, soziale, ökonomische und ökologische Entwicklung. Als zweckgerichtetes Mittel zur Förderung von Entwicklung im Hinblick etwa auf Friedenssicherung, Konfliktprävention und die Durchsetzung von Menschenrechten und demokratischen Strukturen ist Kultur 2) ein Entwicklungsmotor und stellt demzufolge 3) eine eigene Zieldimension der Entwicklung als Interventionsfeld der Entwicklungspolitik dar. Kultur als Faktor von Entwicklung steht mithin im Kontext eines dialektischen Angewiesenseins von ‘choices’ = Akteuren und ‘circumstances’ = rechtlichen, politischen und ökonomischen Institutionen. In ihrer sozioökonomischen Einbindung, in ihrer Kontextbezogenheit macht Kultur dabei den entscheidenden Unterschied aus, worauf in Kapitel 4 nochmals Bezug genommen wird. Innerhalb eines Entwicklungsprozesses kommen ihr je nach den Präferenzen, mit denen sie auf fremdkulturelle Herausforderungen reagiert unterschiedliche Funktionen zu: als Beschleuniger oder als Hemmnis, als Transformationsriemen oder als politisch manipulierte Täuschung, die, wie in Kapitel 2 gezeigt wurde zu Missbrauch und einer Zementierung undemokratischer Verhältnisse führen kann. Erst eine angemessene politische Instrumentalisierung kultureller Traditionsbestände in Richtung auf eine systematische Wettbewerbsfähigkeit für globale Märkte kann nachhaltige Entwicklung bewirken.
Susanne Kampmann wurde 1962 geboren. Nach Abschluss des Studiums der Germanistik, Geschichte und Politikwissenschaften an der Universität Freiburg arbeitete sie für Hörfunk und Fernsehen in Baden-Baden und Mainz. Seit 1999 ist sie Fernsehredakteurin im Bereich Kultur beim Westdeutschen Rundfunk in Köln. Im Rahmen des Masterstudiengangs Kulturmanagement an der TU Kaiserlautern beschäftigte sie sich u.a. mit Selbst- und Fremdbildern im interkulturellen Kontext von Integration und Migration und legte 2011 ihre Masterarbeit zur Interkulturalität in der Entwicklungszusammenarbeit vor, die jetzt als Buchpublikation erscheint.
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