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- Die Fans vom Hamburger SV und dem FC St. Pauli im Vergleich: Eine sozialisationstheoretische Analyse
Sozialwissenschaften
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Verlag:
Bachelor + Master Publishing
Imprint der Bedey & Thoms Media GmbH
Hermannstal 119 k, D-22119 Hamburg
E-Mail: info@diplomica.de
Erscheinungsdatum: 06.2013
AuflagenNr.: 1
Seiten: 68
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback
Fußballvereine gelten als Symbole der Zugehörigkeit und Rivalität. Was aber liegt der Zuordnung zu einer bestimmten Fangemeinschaft zu Grunde, wie wird ein Mensch zum Fan eines bestimmten Vereins? Diese Fragen werden hier anhand des Beispiels der Fans vom HSV und St. Pauli thematisiert. Für deutsche Verhältnisse ist die Rivalität zweier Profi-Clubs in einer Stadt ein seltenes Phänomen. Zudem hat die Fangemeinschaft des FC St. Pauli seit den 1980er Jahren in ihrer Außenwirkung eine besondere Stellung eingenommen. Deshalb bieten sich diese Vereine geradezu an, um die in der Fan-Soziologie meist nur am Rande dargestellten Themen der Herkunft der Fans und ihrer Sozialstruktur zu erforschen. Grundlage der Analyse ist die Frage nach der Sozialisation. Demnach nehmen Faktoren wie Erziehung und sozialstrukturelle Bedingungen Einfluss auf die Beziehung des Fans zum Fanobjekt. Ausgewertet wurden Selbstdarstellungen der Fans, proto-wissenschaftliche und journalistische Artikel sowie wissenschaftliche Texte. Als Resultat werden Thesen über Unterschiede auf den Dimensionen der Identitätsbildung, politischen Überzeugung, regionalen Herkunft, Einkommen und Bildungsniveau der Fangemeinschaften begründet.
Textprobe: Kapitel 3.2, Rivalitäts-Rituale der Fans: Abgesehen von wenigen Momenten existiert also spätestens seit der Bundesliga-Gründung keine sportliche oder wirtschaftliche Rivalität zwischen dem Hamburger SV und dem FC St. Pauli. Aus Sicht des kleineren Vereins könnte man noch gegen diese These argumentieren, da es möglicherweise darum ginge, den großen Nachbarn zu ärgern. Für den HSV aber rückte in rationaler Hinsicht vor allem seit den 1980er Jahren ein anderes Derby immer mehr in den Fokus: das Duell mit Werder Bremen. Seit dem Bremer Wiederaufstieg in die Bundesliga 1981 landeten die Hamburger zehnmal vor der Konkurrenz von der Weser und 22-mal dahinter. In der ewigen Tabelle der Bundesliga liegen die Clubs auf den Rängen zwei und drei – und auch finanziell sind sie nicht weit auseinander. Die Rivalität wurde von Fans, Spielern sowie Funktionären gepflegt und gipfelte schließlich im Saison-Finale 2009, als Werder sich innerhalb von 19 Tagen in der Bundesliga, dem Europapokal und dem DFB-Pokal gegen den HSV durchsetzte und dessen Fans damit in eine tiefe Depression stürzte: Vorstandschef Bernd Hoffmann bezeichnete diese Pleiten später als ‘Trauma’ (Skretny/Prüß 2011: 301). Eigentlich scheint Werder Bremen der ideale Lokalrivale für den HSV zu sein. Die Stadien sind Luftlinie nicht einmal 100 Kilometer voneinander getrennt, die finanzielle Ausstattung und das sportliche Potenzial sind vergleichbar, wenngleich die Hamburger vor allem in den vergangenen 20 Jahren deutlich weniger aus ihren Möglichkeiten gemacht haben. Das ist eine Rivalität, die beispielsweise der von Borussia Dortmund und Schalke 04 entspricht: zwei benachbarte Städte, zwei in etwa gleich starke Vereine mit Fans, die vor allem regional verortet sind. Und doch liegt zumindest den HSV-Fans aus der Nordkurve das Duell mit dem FC St. Pauli mehr am Herzen. Immerhin boykottierten mehr als 30 Fanclubs im Februar 2011 ausgerechnet das Heimspiel gegen Werder, weil ihre Lieblinge zuvor mit 0:1 gegen den Stadtrivalen verloren hatten (frasch sport 22.02.2011). Außerdem wird nach jedem Sieg lautstark ‘Scheiß Sankt Pauli’ gerufen und nicht etwa ‘Scheiß Werder Bremen’. Und auch Ex-Hooligan Alexander Hoh schreibt in seinem Buch, dass ‘eine Niederlage gegen den FC St. Pauli […] unvorstellbar fürchterlich gewesen’ wäre (Hoh 2009: 374). Eine Rivalität zu einem anderen Club, wie der Hamburger SV sie mit Werder Bremen pflegt, konnte der FC St. Pauli aufgrund der ständigen Auf- und Abstiege naturgemäß nicht entwickeln. Dennoch gibt es unter den Fans neben dem HSV zwei weitere bekannte Feindbilder: Bayern München und Hansa Rostock. Die Rivalität mit Bayern München scheint mittlerweile eingeschlafen zu sein. Vor allem das große Feindbild der späten 1980er Jahre, FCB-Präsident Uli Hoeneß, erfreut sich am Millerntor inzwischen großer Beliebtheit. Schließlich waren die Münchner 2002 auf seine Initiative ohne Gage zu einem Freundschaftsspiel beim von der Insolvenz bedrohten FC St. Pauli angetreten und hatten so einen großen Beitrag zur Rettung des Vereins geleistet (FC St. Pauli 25.06.2012). In den 1980er Jahren hatten ihn die Fans des Hamburger Stadtteilclubs noch wüst beschimpft und mit Pfennigstücken beworfen (Schlesselmann 2010: 269). Die Stadionzeitung ‘MillernTor-Magazin’ wählte 1989 sogar den Begriff Klassenkampf für das Duell mit den Bayern und kritisierte die ‘streng kapitalistisch ausgerichtete Glamourwelt des FC Bayern’ (Martens 2002: 150). In den 1990er Jahren entwickelte sich zudem eine ausgeprägte Feindschaft zwischen Fans des FC St. Pauli und des FC Hansa Rostock, obwohl die Clubs bis heute auch nur in sieben Saisons zeitgleich in der selben Liga spielten. Seit dem 13. März 1993, als es bei einem Spiel zu Ausschreitungen mit zwölf Verletzten gekommen war, sind die Partien zwischen den beiden Vereinen meist von Krawallen überschattet und unterliegen der höchsten Sicherheitsstufe (faz.net 15.07.2011). Dabei entwickelte sich der Spieltermin für Neonazis und gewaltbereite Linksautonome aus ganz Deutschland zu einem Anlass, sich im Stadion oder davor Auseinandersetzungen immer größeren Ausmaßes zu liefern. ‘Das Spiel Rostock gegen St. Pauli zieht aber leider immer wieder Personen an, die das vermeintliche politische Image der Anhängerschaft als Plattform für Gewalt nutzen. Diese Leute sieht man sonst während der ganzen Saison nicht ein Mal im Stadion. Dies gilt sowohl für St. Pauli als auch für Rostock’, wird der DFL-Fanbeauftragte Thomas Schneider auf der Homepage von Hansa Rostock zitiert (Hansa Rostock 13.10.2009). Wie viele HSV-Fans scheinen aber auch viele St.-Pauli-Fans ihr Hauptaugenmerk auf den Stadtrivalen zu legen. Die Ultràs in der Kurve singen auch bei Spielen gegen andere Clubs ‘HSV ist scheiße’ oder ‘We hate the Volkspark Bastards’ (Schäfer 2012: 27). Manche Stadtviertel sind mit Aufklebern geradezu übersät, auf denen ‘Scheiß HSV’, ‘I hate HSV’ oder ‘fuck hsv’ gedruckt ist (Falk 2010: 128). Folke Havekost bezeichnet die Aussage ‘Ihr seid scheiße wie der HSV’ als ‘Höchststrafe aus dem St. Paulianer Beleidigungskatalog’ (Glindmeyer/Havekost/Klein 2009: 111). Und wie sonst ist zu erklären, dass St. Paulis damaliger Sportchef Helmut Schulte nach dem 1:0 seines Clubs beim HSV vom ‘schönsten Hamburger Fußballtag aller Zeiten’ sprach? (taz.de 17.02.2011).
Sportsoziologe und Sportjournalist Bernd Schlüter wurde 1979 in Pinneberg (Schleswig-Holstein) geboren. Sein journalistisches Volontariat absolvierte er von 2004 bis 2006 beim Pinneberger Tageblatt. Seit 2006 arbeitet er hauptberuflich in der Sportredaktion des Norddeutschen Rundfunks und seit 2013 auch beim Rundfunk Berlin Brandenburg. 2012 schloss er das B.A. Studium der Soziologie mit Sport im Nebenfach an der Universität Hamburg mit sehr gut ab.
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