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Sozialwissenschaften


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Produktart: Buch
Verlag:
Bachelor + Master Publishing
Imprint der Bedey & Thoms Media GmbH
Hermannstal 119 k, D-22119 Hamburg
E-Mail: info@diplomica.de
Erscheinungsdatum: 11.2013
AuflagenNr.: 1
Seiten: 48
Abb.: 11
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback

Inhalt

Der Europäischen Union wird von vielen Seiten ein Öffentlichkeitsdefizit attestiert, was ihre Sichtbarkeit im öffentlichen Diskurs betrifft. In Anbetracht des politischen Gewichtes der EU-Institutionen und der damit verbundenen Folgen für die Mitgliedsstaaten und deren Bürger wäre diese öffentliche Unsichtbarkeit aus demokratietheoretischer Sicht bedenklich. Diese Studie ermittelt das Ausmaß an europäisierter Berichterstattung in deutschen Fernsehnachrichten in den Jahren 2004 bis 2011. Dabei stellt sich die Frage, wie die Dynamik der EU-Berichterstattung erklärt werden kann. Gibt es bestimmte Schlüsselereignisse, die zu mehr Sichtbarkeit der EU und ihrer Institutionen im Fernsehen führen? Gibt es Unterschiede zwischen privaten und öffentlich-rechtlichen Programmen bezüglich ihrer Europäisierungsgrade? Zunächst werden die theoretischen Betrachtungen zur Europäischen Öffentlichkeit resümiert und ein für diese Arbeit fruchtbarer Ansatz vorgestellt. Nach der Betrachtung des Forschungsstandes werden die aufgeworfenen Fragestellungen mithilfe einer Sekundäranalyse der Daten aus der kontinuierlichen Fernsehprogrammforschung der Arbeitsgruppe der Landesmedienanstalten beantwortet.

Leseprobe

Textprobe: Kapitel 2.2., Triebkräfte europäischer Öffentlichkeit: 2.2.1., Paneuropäische Medien: Gerhards schlägt zwei mögliche Modelle einer europäischen Öffentlichkeit vor: zum Einen das Modell einer länderübergreifenden europäischen Öffentlichkeit und zum Anderen die Vorstellung einer Europäisierung der nationalen Öffentlichkeit (Gerhards 1993: 100, 2000: 288). Nach Gerhards‘ erster Vorstellung einer europäischen Öffentlichkeit durch ein einheitliches Mediensystem rezipieren die EU-Bürger verschiedener Mitgliedsländer die gleichen Medien und damit die gleichen Inhalte. Dadurch würde sich eine Integration in eine europäische Öffentlichkeit über die Grenzen der Nationalstaaten hinweg ergeben. Ausgehend von historischen Betrachtungen zur Entstehung von Mediensystemen nennt Gerhards fünf Faktoren für ein solches System auf europäischer Ebene. Er kommt zu dem Schluss, dass zwar die politischen und technischen Rahmenbedingungen gegeben sind, jedoch sprechen das Fehlen einer einheitlichen Sprache, die damit verbundene geringe ökonomische Bedeutung des möglichen Zielpublikums und das Demokratiedefizit in der EU gegen die Entstehung eines einheitlichen Mediensystems (vgl. Gerhards 2000: 289-292). Hinzu kommt, dass sich die Journalismuskulturen der Mitgliedsstaaten zum Teil stark unterscheiden, was ein weiteres Hindernis bedeutet (vgl. Machill/ Beiler/ Fischer 2006: 153f.). Aus diesen Gründen gilt dieses erste Modell einer europäischen Öffentlichkeit häufig als ‘weniger empirisch wahrscheinlich’ (Latzer/ Sauerwein 2006: 16). Firmstone argumentiert jedoch, dass die Forschung die existierenden EU-weiten Medien bisher vernachlässigt. Gerade transnationale Tageszeitungen verdienten wegen ihrer europäischen Art der Berichterstattung mehr Aufmerksamkeit, auch wenn sie nur eine sehr kleine und spezialisierte Elite erreichen (vgl. Firmstone 2008: 425). Damit komme ‘manchen transnationalen Medien eine wichtige, da politische Diskurse im Vorfeld prägende Rolle bei der Artikulation europäischer Öffentlichkeit zu’ (Brüggemann et al. 2009: 396). Brüggemann und Schulz-Forberg (2008) unterscheiden transnationale Medien in vier Kategorien. Allen gemeinsam ist dabei, dass ihre Zielpublika nicht national begrenzt sind (vgl. ebd.: 81). Für die europäische Betrachtung sind paneuropäische Medien bedeutend, die aus der europäischen Perspektive berichten und sich an Europäer als Zielpublikum richten (vgl. ebd.: 82). Beispiele für existierende paneuropäische Medienangebote sind der Fernsehsender Euronews und die Wochenzeitung European Voice. Auch Online-Medien mit einem europäischen Fokus existieren (u.a. EUobserver und café babel). All diesen paneuropäischen Medien mit politischen Inhalten ist jedoch ihre mit nationalen Medien verglichene sehr geringe, wenn auch steigende, Nutzung gemein (vgl. ebd.: 85f.). Die wenigen erfolgreichen transnationalen Medien sind globale Medien mit einem globalen Fokus (vgl. Koopmans/ Statham 2010: 36). Zusammenfassend kann man feststellen, dass paneuropäische Medien, die sich an ein europäisches Zielpublikum richten und mit einer europäischen und nicht nationalstaatlichen Perspektive berichten aus sprachlichen und wirtschaftlichen Gründen momentan keine europäische Öffentlichkeit herstellen. Sie erreichen nicht die breite Masse, sondern ein hoch interessiertes und involviertes Elite-Publikum. Damit bleibt ein einheitliches Mediensystem in Europa auch in Zukunft unrealistisch. 2.2.2., Europäisierung nationaler Öffentlichkeiten: Das zweite von Gerhards (2000) vorgeschlagene Modell ist die Entstehung einer europäischen Öffentlichkeit durch die Europäisierung der nationalen Öffentlichkeiten. Diese Möglichkeit sei weitaus realistischer, weil sie das Sprachproblem überwinde (vgl. ebd.: 293). Des Weiteren entfällt auch das Problem unterschiedlicher Journalismuskulturen in den europäischen Ländern. Andere Faktoren wie die unter dem Stichwort Demokratiedefizit subsummierten geringen Beteiligungsmöglichkeiten bestehen auch in diesem Modell und erschweren die Entstehung einer europäischen Öffentlichkeit. Allerdings bleibt die Frage nach dem adäquaten Maß an europäischer Berichterstattung häufig unbeantwortet. Konsens gibt es allerdings darin, dass dieses Maß im Laufe der Zeit zunehmen sollte (vgl. Latzer/ Sauerwein 206: 17). Darüber hinaus gibt es in der Literatur unterschiedliche Auffassungen darüber, wann eine massenmediale Botschaft europäisiert ist. Neidhardt (2006) beklagt zum einen methodische Unterschiede, die die Ergebnisse einzelner Studien kaum anschlussfähig machen und zu Forschungsartefakten führen. Außerdem seien Differenzierungen nötig und pauschale Aussagen über den Europäisierungsgrad wenig hilfreich. Aktuellere Forschungen analysierten daher einzelne Politikbereiche. Diese themenspezifische Betrachtung öffentlicher Kommunikation werde dem ‘locus of control’ der politischen Entscheidungsprozesse gerecht (vgl. ebd.: 51). Die Kriterien zur Identifikation europäisierter nationaler Öffentlichkeiten werden in der empirischen Forschung in diesem Bereich unterschiedlich betrachtet (vgl. als Überblick Koopmans/ Statham 2010: 36-38): Rezente Analysen betrachten mehrere Dimensionen von europäisierter öffentlicher Kommunikation und versuchen sich dem einzigartigen Charakter des Staatenverbundes Europäische Union anzupassen, der sowohl supranationale, aber auch intergouvernementale Elemente in seinen rechtlichen Grundlagen enthält. Daraus ergeben sich für Koopmans und Erbe drei theoretische Dimensionen einer europäisierten nationalen Öffentlichkeit (2004: 101f.): Eine supranationale europäische Öffentlichkeit, in der europäische Sprecher aus dem politischen System der EU untereinander oder mit der europäischen Zivilgesellschaft kommunikativ interagieren vertikale Europäisierung in nationalen Öffentlichkeiten, die aus Bezügen zwischen dem EU-Level und der nationalen Ebene bestehen, wobei beide Richtungen dieser Bezüge denkbar sind und horizontale Europäisierung, die aus kommunikativen Bezügen zwischen den Mitgliedsstaaten besteht. Dabei kann es sich um die reine Berichterstattung über die Innenpolitik eins anderen Landes handeln, aber auch um konkrete Aussagen, die die Grenzen eines Staates überwinden. Diese drei Dimensionen bilden intergouvernementale und supranationale Prozesse ab und entstehen durch Kommunikationsflüsse, die zwischen oder innerhalb von bestimmten politischen Räumen verlaufen. Entscheidend für den Grad der Europäisierung ist die relative Dichte trans- oder supranationaler Kommunikation (vgl. ebd.: 102). Das Modell kann mithilfe konzentrischer Kreise illustriert werden (vgl. Abb. 1).

Über den Autor

Enrico Günther, B.A., wurde 1987 in Neubrandenburg geboren. Sein Studium der Publizistik- und Kommunikationswissenschaften der Freien Universität Berlin schloss er 2012 erfolgreich mit dem akademischen Grad Bachelor of Arts ab. Während seines Studiums in Berlin und Nizza, Frankreich, beschäftigte sich der Autor mit Phänomenen öffentlicher und politischer Kommunikation in Europa und wirkte an mehreren DFG-geförderten Forschungsprojekten mit.

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