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Sozialwissenschaften


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Produktart: Buch
Verlag:
Bachelor + Master Publishing
Imprint der Bedey & Thoms Media GmbH
Hermannstal 119 k, D-22119 Hamburg
E-Mail: info@diplomica.de
Erscheinungsdatum: 09.2012
AuflagenNr.: 1
Seiten: 60
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback

Inhalt

Das Ordnungsprinzip in postmodernen Gesellschaften wie der Bundesrepublik Deutschland ist geprägt von binären Kodierungen in Bezug auf Geschlechtsidentität und Sexualität. Das sozial konstruierte System der Heteronormativität ist institutionell und kulturell verankert und wird stets reproduziert, indem die Mitglieder der Gesellschaft von Geburt an anhand vermeintlich bipolarer körperlicher Merkmale in die zwei sich gegenseitig begehrenden, vermeintlich anatomisch hergeleiteten Geschlechtsklassen ‘Frau’ und ‘Mann’ eingeteilt werden. Als Ideal sozialer Bindungen gilt das monogame, heterosexuelle, Nachkommen produzierende Paar. Alternative Lebens- und Begehrensformen werden durch die Dominanz des heteronormativen Systems marginalisiert, verdängt oder sogar offen bekämpft. In Anlehnung an subjektorientierte pädagogische Konzepte kann jedoch davon ausgegangen werden, dass gesellschaftliche Individuen das heteronormative System dekonstruieren können. Eine Chance kann diesbezüglich Social Web bieten. Das Internet als medialer Erprobungsraum vermag bei einer von der Norm abweichenden Identitätsfindung vor Konsequenzen in der ‘Offline-Realität’ zu schützen. Es bietet Chancen auf die Mitgestaltung von sozialer Realität, und damit auf die Dekonstruktion heteronormativer Zwänge. Das vorliegende Buch untersucht, wie sich bisherige Publikationen aus der Kommunikations- und Medienwissenschaft, insbesondere der Medienpädagogik, mit Heteronormativität und deren Auswirkung auf Geschlechtsidentitäten in internetbasierten Kommunikationsräumen auseinandergesetzt haben. Welchen Beitrag leistet die Disziplin zur Analyse sexueller Identitäten und des binären Systems im Social Web? Haben geschlechtsspezifisch konzipierte Studien die binäre Kodierung selbst reproduziert? Treffen sie Aussagen darüber, ob Social Web die Dekonstruktion des binären Systems begünstigen oder hemmen kann? Welche Erfordernisse ergeben sich daraus für eine geschlechtssensible Medienpädagogik und deren Zielvorstellung, dass sich das (sexuell) selbstbestimmte, handlungs- und gestaltungsfähige Individuum von kulturellen Zwangsordnungen emanzipieren und für das heteronormative System sensibilisiert werden muss?

Leseprobe

Textprobe: Kapitel 3, Theoretische Ansätze: 3.1, Grundlegende theoretische Zugänge: Die Untersuchung der kulturellen Zwänge von Heteronormativität und deren Auswirkung auf Geschlechtsidentitäten in internetbasierten Kommunikationsräumen umfasst drei theoretische Zugänge. Sowohl Gendertheorien, zu deren Untersuchungsgegenstand Geschlecht, Geschlechtsidentität, Sexualität und nicht zuletzt das heteronormative System gehören, als auch handlungsorientierte Medienpädagogik mit ihrer Orientierung an handelnden gestaltungsfähigen Subjekten in der mediatisierten Gesellschaft und sozialisationstheoretische Ansätze sind miteinander verknüpft. Als Besonderheit des letztgenannten theoretischen Zugangs lassen sich Medien- sowie sexuelle bzw. geschlechtsspezifische Sozialisation nennen. Deren prinzipielle Untrennbarkeit wird durch den Sexualpädagogen Lukas Geiser deutlich: ‘Jugendliche müssen lernen, wie sie sich im jeweiligen sexuellen Kontext zu verhalten haben. Medien beeinflussen diese sexuelle Sozialisation. Wer ist nun für das Sozialverhalten von Jugendlichen verantwortlich? Neben korrekter Wissensvermittlung über Medien und von Erwachsenen ist entscheidend, dass Jugendliche ein Selbstkonzept und eine Selbstwirksamkeitserfahrung entwickeln können sowie soziale Resonanz von anderen Jugendlichen und Erwachsenen erhalten’ (Geiser 2010: 32). Hier zeigt sich, dass sexuelles Erleben und Verhalten einerseits Normen unterliege, die von Sozialisationsinstanzen wie Erwachsenen, Peers und Medien vermittelt werden. Andererseits gebe es ein aktives Moment der Subjekte, die sich ein Selbstkonzept entwerfen und dafür auch Medien instrumentell in Anspruch nehmen können. Die Verbundenheit der theoretischen Zugänge zeigt sich auch an anderer Stelle. Die Kommunikationswissenschaftlerin Elisabeth Klaus konstatiert, Geschlechterforschung sei sogar als eigenständiger Teilbereich der Kommunikations- und Medienwissenschaft aufzufassen (vgl. Klaus 2001: 21). Diese Zusammengehörigkeit zeigt sich etwa in der gemeinsamen Zielvorstellung der handlungsorientierten Medienpädagogik und des dekonstruktivistischen Ansatzes - der medienbezogenen Genderkompetenz (siehe Punkt 3.5). In diesem Kapitel werden die drei theoretischen Ansätze nun erläutert und Zusammenhänge hergestellt. 3.2, Medienpädagogischer Ansatz: 3.2.1, Handlungsorientierte Medienpädagogik: In den Konzepten einer handlungsorientierten Medienpädagogik nach Bernd Schorb, Jürgen Hüther sowie Bernd Podehl werden Subjekte, Medien und Gesellschaft miteinander in Beziehung gesetzt. Im Zentrum der Analyse stehen aktiv handelnde gesellschaftliche Subjekte, die sich Medien alltäglich aneignen und sie zu ihrem individuellen Medienalltag arrangieren. Medienaneignung wird dabei im jeweiligen gesellschaftlichen Kontext der Subjekte betrachtet, da Medienhandeln grundsätzlich soziales Handeln darstelle und immer nach einbettenden, lebensweltlichen Bedingungen gefragt werden müsse. Medien als Träger gesellschaftlicher Kommunikation seien Bestandteil sozialer Realität, in der Individuen reale Erfahrungen machen, die zu unterschiedlichen Interessen und Bedürfnissen führen (vgl. Hüther/ Podehl 2005: 125 vgl. Schorb 2005a: 253f. vgl. Schorb 2008: 76ff.). Es wird davon ausgegangen, dass die Subjekte letztere ‘im täglichen Umgang mit den Medien […] artikulieren’ (Hüther/ Podehl 2005: 125) und dass dies ‘im Rahmen eines reflektierten Prozesses’ (Hüther/ Podehl 2005: 126) geschehe. Demnach seien Menschen dazu in der Lage, Medien produktiv zu nutzen und sie als Kommunikations- und Gestaltungsmittel zur aktiven Auseinandersetzung mit ihrer Lebenswelt in Anspruch zu nehmen. Dies machen sie entweder eigenständig oder in Kooperation mit anderen. Als Basis der Reflexion müsse Medienpädagogik Wissen um Inhalte und Strukturen der Mediengesellschaft vermitteln und die gesellschaftlichen Subjekte zu emanzipatorischem Handeln leiten (vgl. Schorb 2008: 75ff.). Damit werde diesen nicht nur die Fähigkeit eingeräumt, sich an der Veränderung von sozialer Realität - und damit auch an der heteronormativen Gesellschaftsordnung - zu beteiligen, sondern auch, sich von entsprechenden kulturellen Zwängen zu befreien. In diesem Zusammenhang wird Beteiligung als Partizipation ‘im Sinne von Verstehen, von Eingreifen in und Mitgestalten von gesellschaftlichen Prozessen’ (Schorb 2008: 78) definiert. Das pädagogische Ziel, ‘den passiven Medienkonsumenten […] zu einem aktiven Mitgestalter des öffentlichen Mediengeschehens [zu] machen’ (Hüther/ Podehl 2005: 126), werde durch die Vermittlung von Medienkompetenz zu erreichen versucht. 3.2.2, Medienkompetenz: Wie der Medienpädagoge Bernd Schorb konstatiert, muss selbstständiges und kritisch reflektiertes Handeln von Individuen ‘in einer Zeit, in der gesellschaftliche Kommunikation primär mit und über Medien geschieht, die Fähigkeit umfassen, sich der verfügbaren Medien kompetent und nach Maßgabe der eigenen Interessen zu bedienen, um (korrigierenden) Einfluss auf Zustände und Prozesse zu nehmen (vgl. Hüther/ Podehl 2005: 126 vgl. Schorb 2008: 76). Diesem Tatbestand trägt die Vermittlung aktiver und selbsttätiger Nutzung von Medien in pädagogischen Prozessen Rechnung’ (Schorb 2008: 78). Der Begriff der Medienkompetenz als geforderte Qualifikation von Individuen ist von Schorb folgendermaßen definiert worden: ‘Medienkompetenz ist die Fähigkeit auf der Basis strukturierten zusammenschauenden Wissens und einer ethisch fundierten Bewertung der medialen Erscheinungsformen und Inhalte, sich Medien anzueignen, mit ihnen kritisch, genussvoll und reflexiv umzugehen und sie nach eigenen inhaltlichen und ästhetischen Vorstellungen, in sozialer Verantwortung sowie in kreativem und kollektivem Handeln zu gestalten’ (Schorb 2005b: 262). Medienkompetenz beschreibt also eine Bündelung der Fähigkeiten gesellschaftlicher Subjekte. Nach Schorb bestehe sie aus den drei Hauptkategorien Medienwissen (Funktionswissen, Strukturwissen, Orientierungswissen), Medienbewertung (kritische Reflexion, ethisch und kognitiv basierte Qualifizierung) und Medienhandeln (Medienaneignung, Mediennutzung, Medienpartizipation und Mediengestaltung). Über die Fertigkeit hinaus, Medien technisch bedienen zu können, sollen alle vernetzten sozialen und medialen Umgebungen bzw. Realitäten kritisch reflektiert und aktiv gestaltet werden. Die individuelle und gesellschaftliche Handlungsfähigkeit sei mit einer gezielten Aneignung und Nutzung von Medien verbunden. Im Sinne einer Eingrenzung auf das kommunikative Handeln mit Medien - als menschliche Fähigkeit, sich mittels Austausch von Symbolen zu verständigen - solle öffentliche Kommunikation als veröffentlicht durchschaut werden. Ziel sei es, sich mit gleicher Chance in der zunehmend durch Medien bestimmten gesellschaftlichen Kommunikation mitzuteilen und aktiv zu partizipieren (vgl. Fromme 2002: 158f. vgl. Schorb 2005b: 257ff.). Johannes Fromme schlussfolgert, dass sich der Medienkompetenzbegriff an der ‘Befähigung zur Partizipation an gesellschaftlichen Kommunikationsprozessen’ (Fromme 2002: 159) orientiere und damit ein deutlicher Schwerpunkt bei den internetbasierten Kommunikationsräumen gesetzt werde. Im Zusammenhang mit der Aneignung von Medienkompetenz bezeichnet der Medienpädagoge Social Web als virtuellen Handlungsraum, in dem gefahrlos mit verschiedenen Rollen und Optionen gespielt werden könne. Die Nutzer können in Zeichenwelten eingreifen, da diese interaktiv seien (vgl. Fromme 2002: 160ff.). Damit wird ein Hinweis darauf gegeben, dass Medienkompetenz Voraussetzung zur Dekonstruktion von Heteronormativität in internetbasierten Kommunikationsräumen ist.

Über den Autor

Thomas Rakebrand, B.A., Jahrgang 1987, arbeitete nach dem Abitur in der Übergangsphase zum Bachelorstudium als freier Zeitungsredakteur in seiner Heimatstadt Haldensleben, woraufhin er Kommunikations- und Medienwissenschaft an der Universität Leipzig studierte. Bei dem lokalen Radiosender der Universität begann er, sich ehrenamtlich als Ressortleiter und Moderator zu engagieren, bildete sich während des Erststudiums aber nicht nur im journalistischen Bereich weiter, sondern spezialisierte sich auch auf die Soziologie sowie insbesondere auf die Medienpädagogik. Hier absolvierte er sowohl Praktika im berufspraktischen als auch im wissenschaftlichen Bereich. Er ist seitdem als freier Medienpädagoge in verschiedenen Bildungseinrichtungen, wie dem BildungsCentrum des Mitteldeutschen Rundfunks, tätig sowie auch in medienpädagogischen Forschungsprojekten am Lehrstuhl für Medienpädagogik und Weiterbildung an der Universität Leipzig. Das Bachelorstudium schloss er im Jahr 2011 erfolgreich mit dem Grad Bachelor of Arts ab und nahm daraufhin ein konsekutives Masterstudium im Schwerpunkt Medienpädagogik auf, dessen Abschluss im Jahr 2013 geplant ist. Bereits vor dem Erststudium entwickelte der Autor ein besonderes Interesse für die sozialen De- und Rekonstruktionen von Geschlechteridentitäten, die im Zusammenhang mit den neuen Möglichkeiten im Social Web zum Thema des vorliegenden Buches wurden.

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