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- Diagnose Hirntod: Ethische Verantwortung gegenüber sterbenden OrganspenderInnen
Sozialwissenschaften
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Verlag:
Bachelor + Master Publishing
Imprint der Bedey & Thoms Media GmbH
Hermannstal 119 k, D-22119 Hamburg
E-Mail: info@diplomica.de
Erscheinungsdatum: 07.2013
AuflagenNr.: 1
Seiten: 52
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback
Die Organtransplantation steht im Brennpunkt! Mit ihr entstehen - besonders bei der Organentnahme hirntoter Patienten - Schwierigkeiten. Sowohl medizinische als auch ethische Erkenntnisse regen zum Nachdenken an. Diese werden von der öffentlichen Berichterstattung jedoch nicht erwähnt. Da stellt sich die Frage nach dem Warum . Durch das gezielte Vorenthalten von Informationen werden wir unserer Mündigkeit beraubt und treffen Entscheidungen, die uns durch die Medien impliziert werden. Der Hirntod wurde 1968 durch das Harvard-Komitee als Tod des Menschen neu festgelegt, damit lebende Organe als Spenderorgane rechtlich abgesichert genutzt werden durften. Diskussionen in Fachkreisen regen jedoch zur Skepsis an. Ist der sogenannte Hirntod wirklich mit dem Tod eines Menschen gleichzusetzen? Was bedeutet eine Organentnahme für den Einzelnen, dem lebende Organe entnommen werden? Die Zusammenhänge zwischen Seele und Körper bleiben unberücksichtigt. Ist der Hirntod nur der Beginn einer Sterbephase? Welche ethischen, rechtlichen und wirtschaftlichen Folgen ergeben sich daraus, wenn wir anfangen tiefer nachzudenken? Und welche Entscheidungen treffen wir dann vor diesem Hintergrund?
Textprobe: Kapitel 6, Der Tod - eine Sache der Perspektive? Zunächst ist es notwendig, sich einmal anzusehen, was Leben bedeutet. Denn: ‘Wer nämlich den Tod des Menschen definieren will, muss das Wesen des Menschen definieren, und es ist zumindest umstritten, ob dies exakt naturwissenschaftlich möglich ist.’ ‘Leben ist eine Eigenschaft, die Lebewesen von unbelebter Materie unterscheidet. Wesentliche Merkmale für Leben sind: Es ist in der Lage sich fortzupflanzen (in einer über eine bloße Kopie hinausgehenden Form der Evolution), es hat einen Stoffwechsel und es bildet nach außen abgeschlossene Gebilde. Letzteres, die Systemeigenschaft, ist eine notwendige, aber nicht hinreichende Voraussetzung für Leben: der Zusammenschluss von miteinander in Wechselwirkung stehenden Einheiten zu höheren Einheiten über mehrere Stufen.’ Während Mediziner davor zurückschraken, den Tod wissenschaftlich neu zu definieren und um Hilfe aus anderen Disziplinen baten, gaben Juristen und Theologen zu, dass sie sich nicht kompetent genug fühlten und die Todesfeststellung eine rein biologische Angelegenheit sei. Unter den Medizinern herrschte eine Uneinigkeit über die notwendigen technischen Untersuchungen und einige fragten sich, ob man überhaupt Sicherheit darüber erlangen kann. Sie sprechen von ‘Annahmen’, ‘Übereinkünften’, ‘Definitionen’ und betonen die gesellschaftlichen Aspekte des neuen Hirntodkriteriums, welches im nächsten Kapitel erläutert wird. In der Autopsie dagegen lässt sich eine klare Definition des Todes finden: ‘Tod, Zustand eines Organismus nach dem irreversiblen Ausfall der Lebensfunktionen. Als Abschluss eines Alterungsprozesses, dem jedes Lebewesen von Geburt an unterworfen ist, ist der Tod genetisch programmiert und somit ein in der organischen Verfassung des Lebens begründetes biologisches Ereignis. Sterben ist der allmähliche Übergang vom Leben in den Tod mit einem stufenweisen Abbau aller lebenserhaltenden und lebensbestimmenden Merkmale. Dabei ist die Überlebenszeit der Organe und Organsysteme bei komplettem Sauerstoffmangel sehr verschieden, sodass Sterben und Tod eines Organismus zeitlich voneinander getrennt sind. Diese Erkenntnis führt zu der wichtigen und ärztlich bedeutungsvollen Unterscheidung von klinischem und biologischem Tod. Der klinische Tod umfasst Merkmale ausgefallener Funktionen, die als unsichere Todeszeichen zu bewerten sind: Herzstillstand, Pulslosigkeit, Atemstillstand, Areflexie, Bewusstlosigkeit, Hautblässe und Temperaturabfall. Bei tiefer Bewusstlosigkeit mit klinisch nicht mehr wahrnehmbaren Lebensäußerungen (z. B. bei akuter Vergiftung) kann der Anschein des Todes erweckt werden, obwohl mithilfe des Elektroenzephalogramms (EEG) und des Elektrokardiogramms (EKG) noch elektrische Aktivitäten nachweisbar sind. Diese Vita reducta beziehungsweise minima (umgangssprachlich Scheintod) ist zeitabhängig reversibel und lässt sich durch Wiederbelebung vielfach überwinden. Die Zeichen des klinischen Todes berechtigen nicht, jemanden für tot zu erklären. Die Todesfeststellung ist immer an das Vorliegen sicherer Todeszeichen gebunden (Totenstarre, Totenflecke, fortgeschrittene Leichenerscheinungen wie Fäulnis, mit dem Leben nicht zu vereinbarende Körperzerstörung, vergebliche Wiederbelebung von mindestens 30 bis 40 Minuten Dauer, gesichert durch ein Nulllinien-EKG bei Ausschluss einer Unterkühlung). Das Wissen um zeitlich abgestufte Wiederbelebungszeiten der Organe (z. B. 6 Stunden für die Nieren) ist von grundsätzlicher Bedeutung für die Organtransplantation. Unter Berücksichtigung medizinischer, ethischer und juristischer Gesichtspunkte wird der Organtod des Gehirns dem Tod des Menschen (Individualtod) gleichgesetzt, da mit dem Erlöschen der Hirnfunktionen die für jedes menschliche Leben unabdingbaren Voraussetzungen entfallen. Der Hirntod ist der vollständige und irreversible Ausfall der integrativen Groß- und Stammhirnfunktionen bei nur noch künstlich aufrechterhaltenem Kreislauf. Das Sterben findet nach dem Absterben aller Zellen im (absoluten) biologischen Tod sein Ende.’ Auch Fuat Oduncu beschreibt in seinem Buch verschiedene Stufen des Todes. Auf Grund der unterschiedlichen Sauerstoffmangel -Toleranz der jeweiligen Körperteile tritt der Todeszeitpunkt nicht zur gleichen Zeit im gleichen Maß ein. So können Sterbeprozesse von zum Beispiel Knorpelgewebe auch noch nach der Beerdigung stattfinden. Das Sterben und der Tod beziehen sich auf den Organismus als Ganzen, also auf den Menschen als Ganzen. Der Tod schließt allerdings nicht aus, dass noch Sterbeprozesse auf anderen Organisationsstufen im Gange sind. Diese Organisationsstufen bilden die Organe, welche aus Gewebe und dieses wieder aus Zellen besteht. Diese drei Stufen bilden selbstständige Systeme. Organe, Gewebe und Zellen können in bestimmten Nährlösungen ihre Stoffwechselprozesse auch außerhalb des Körpers fortführen. ‘Die Medizin, genauer der medizinische Fortschritt, ist immer geprägt vom herrschenden Menschenbild und prägt selbst das Menschenbild. Die im Lichte des Heilauftrags entstandene Disziplin der Medizin vermag Krankheiten zu heilen und Leben zu schützen, gleichzeitig aber auch das Verständnis von Leben und Tod zu revidieren, zu ergänzen und umzugestalten - abhängig vom jeweiligen Kenntnisstand.’
Anja de Reuter, B.A., wurde 1982 in Bremen geboren. Ihr Studium der Sozialen Arbeit an der HAWK Hildesheim schloss die Autorin im Jahre 2011 mit dem akademischen Grad des Bachelor of Arts erfolgreich ab. Ihr berührendes Leben ließ sie schon früh über Themen wie Krankheit, Sterben und Tod nachdenken und sich mit ethischen Fragestellungen auseinandersetzen. Durch ihre Dozentin und Mentorin Prof. Dr. Marion Pusch kam sie erstmals mit dem Thema der Organtransplantation in Berührung. Eifrige und beherzte Diskussionen und die auffällig einseitige Berichterstattung durch die Medien animierten die heutige Sozialpädagogin zu einer kritischen Auseinandersetzung mit dem, was unsere Medizin kann, was sie darf und der steigenden moralischen Verantwortung, die wir mit unseren wachsenden Fähigkeiten tragen.
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