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- Deutsche Atompolitik im Wandel: Welchen Unterschied machen die Parteien?
Sozialwissenschaften
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Verlag:
Bachelor + Master Publishing
Imprint der Bedey & Thoms Media GmbH
Hermannstal 119 k, D-22119 Hamburg
E-Mail: info@diplomica.de
Erscheinungsdatum: 09.2012
AuflagenNr.: 1
Seiten: 60
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback
Im Jahr 2000 hat die rot-grüne Bundesregierung den Ausstieg aus der wirtschaftlichen Nutzung der Kernenergie beschlossen, was als Zäsur in der Umweltpolitik begriffen werden kann. Im Vorfeld des Machtwechsels 2009 kündigten CDU/CSU und FDP dann eine Revision dieser Politik an, mit dem Ziel, eine Verlängerung der Restlaufzeiten umzusetzen - was im Jahr 2010 zu einer Verlängerungsregelung führte. Nach dem dramatischen externen Ereignis der drohenden Atomkatastrophe in Japan im März 2011 wurde diese Politik jedoch von der schwarz-gelben Regierung einem Moratorium unterzogen und geändert. Bis zu diesem Zeitpunkt war aus politikwissenschaftlicher Sicht die Parteiendifferenzhypothese auf dem Feld der Kernenergiepolitik auf den ersten Blick erklärungskräftig, stand doch die rot-grüne Bundesregierung für den Atomausstieg und die schwarz-gelbe für eine Aufweichung desselben. Inwiefern bestand diese Differenz jedoch tatsächlich? Und welche Faktoren führten zum Einen vom Policy-Wandel hin zur Laufzeitverlängerung und zum Anderen dann zur Revision dieser Politik nach Fukushima? Das sind die Leitfragen der Analyse. Die Parteiendifferenzhypothese scheint zunächst an dem Punkt des schwarz-gelben Policy-Wandels von 2011 an die Grenzen ihrer Erklärungskraft zu stoßen. Inwiefern sie auf dem kernenergiepolitischen Feld erklärungskräftig bleibt oder aber hierfür um einige Faktoren erweitert werden sollte, muss untersucht werden. Insbesondere werden dabei spezifische Interessenkoalitionen der verschiedenen Parteien mit anderen Akteuren - Energiekonzernen und Umweltorganisationen - berücksichtigt und es wird der Frage nachgegangen, wie tiefgreifend die Policy-Wandel tatsächlich waren.
Textprobe: Kapitel 3.1, Policy-Wandel 2010: Klimaschutz, Wirtschaftlichkeit und Versorgungssicherheit: Wenden wir uns zunächst dem Policy-Akteur-System nach Machtübernahme der schwarz-gelben Bundesregierung im Jahr 2009 zu. Die politischen Akteure mit formaler Autorität waren ausgetauscht und gleichzeitig änderten sich an diesen Stellen die Interessen bezüglich Policies im Feld Kernenergie (zu den konkreten Interessen vgl. Kap. 4). Auf der Seite der Energiekonzerne änderten sich die Interessen nicht, folglich änderte sich die Art der Einflusskonstellation zwischen diesen beiden Seiten. Wenn Parteien die Regierung stellen, die der Kernenergie (und damit den Kernenergie erzeugenden Konzernen) gegenüber eher positiv eingestellt sind, besteht die Möglichkeit einer Interessenkoalition zwischen diesen Akteuren, welche die formal-autoritäre Ebene überlagert (wenn auch nicht verschwinden lässt, als Drohpotential bleibt die formale Autorität immer bestehen) und eher Konsenscharakter hat. Dieses veränderte Policy-Akteur-System kam unterhalb der Ebene der Wähler (bezugnehmend auf Abbildung 1) in Bewegung, deren formale Zustimmung für die konkrete Einleitung eines Policy-Wandels nach der Wahl nicht mehr notwendig ist. Die Interessenlage der neu gewählten Bundesregierung war indes schon während des Wahlkampfes deutlich geworden, man wollte die Laufzeitverlängerung für Kernkraftwerke. Von Protesten und heftiger öffentlicher Debatte begleitet, leitete die Bundesregierung im Oktober 2010 die elfte Änderung des Atomgesetzes in die Wege. Inhalt der Novelle war vor allem die Aufstockung der Elektrizitätsmengenerzeugungsrechte für die im Betrieb befindlichen Kernkraftreaktoren, und zwar um rechnerisch acht Jahre für die bis einschließlich 1980 gebauten Reaktoren und 14 Jahre für die jüngeren Reaktoren. Gleichzeitig - und die Gesetze sind im unmittelbaren Zusammenhang mit der Verlängerung der KKW-Laufzeiten zu verstehen - gingen das Gesetz zur Erhebung der Kernbrennstoffsteuer und das Gesetz für den Energie- und Klimafonds zur Abstimmung in den Bundestag. Beide sollten der teilweisen Abschöpfung von Mehreinnahmen für die Energiekonzerne durch die Laufzeitverlängerung dienen, die Einnahmen des Energie- und Klimafonds sollten explizit in die Förderung erneuerbarer Energien investiert werden. Um von einem erneuten Wandel dritter Ordnung sprechen zu können, hätte das von Rot-Grün neu formulierte Ziel der geordneten Beendigung der zivilen Nutzung der Kernenergie wiederum von der Regierungskoalition von CDU/CSU und FDP reformuliert werden müssen. Und obgleich es Stimmen aus der Regierungskoalition gab, die nach der Aufhebung des Beschlusses zum Atomausstieg riefen und eine unbefristete Verlängerung der Laufzeiten verlangten (wie beispielsweise Günther Oettinger, damals noch CDU-Ministerpräsident in Baden-Württemberg), wurde an dem Bekenntnis zum Ausstieg nichts geändert. Stattdessen wurde im Jahr 2010 von der Bundesregierung das Festhalten am Grundsatz der geordneten Beendigung ausdrücklich betont, der Atomausstieg solle nicht zurückgenommen werden. Begründet wurde der Beschluss, den Ausstieg noch hinauszuzögern mit drei Argumenten: der angeblichen CO2-Neutralität von Kernenergie angesichts des drohenden Klimawandels und den damit verbundenen Klimaschutzzielen und der Sicherheit der Energieversorgung in der Bundesrepublik außerdem wurde mit den verhältnismäßig niedrigen Kosten von Atomstrom argumentiert, gerade in wirtschaftlich schwierigen Zeiten eine wichtige Grundlage für die Wettbewerbsfähigkeit insbesondere der Branchen, die einen hohen Energieverbrauch haben. Die energiepolitischen Ziele lauteten also: Klimaschutz, Wirtschaftlichkeit und Versorgungssicherheit, die Kernenergie habe eine ‘Brückenfunktion’ (Bundesregierung 2010a: 1). Für die Laufzeitverlängerung wurde das bestehende Instrument der auf Basis von Reststrommengen berechneten Laufzeiten verändert, es gab an dieser Stelle einen Wandel der settings, nach Hall also ein Wandel erster Ordnung. Im gleichen Zuge wurden jedoch noch zwei neue Instrumente eingeführt, die die Laufzeitverlängerung flankierten, nämlich die Kernbrennstoffsteuer und der Energie- und Klimafonds. Die Einführung dieser neuen Instrumente unter dem unveränderten Paradigma der grundsätzlichen Ausstiegsregelung bedeutet einen Wandel zweiter Ordnung, den ich damit für das Gesamtpaket des Policy-Wandels von 2010 konstatieren will.
Veronika Anna Bach wurde 1981 in Stuttgart geboren und ist heute als Politikwissenschaftlerin tätig.
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