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- Der Einfluss gesellschaftlicher Gruppen auf die internationale Klimapolitik: Ein Vergleich zwischen den USA und Deutschland am Beispiel des Kyoto-Protokolls
Sozialwissenschaften
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Verlag:
Bachelor + Master Publishing
Imprint der Bedey & Thoms Media GmbH
Hermannstal 119 k, D-22119 Hamburg
E-Mail: info@diplomica.de
Erscheinungsdatum: 01.2013
AuflagenNr.: 1
Seiten: 68
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback
Der Klimawandel gilt als eine der größten Herausforderungen der Gegenwart. Die auf fossilen Brennstoffen beruhende Wirtschaftsweise führt zu Problemen, die die Erde nachhaltig verändern. Will man dem Klimawandel entgegenwirken sind umfassende Veränderungen notwendig, wobei insbesondere die Kostenfrage eine wichtige Rolle spielt. Nicholas Stern geht der Kostenfrage in seinem viel beachteten Stern-Review nach und kommt zu dem Ergebnis, dass die Kosten, die durch den Klimawandel verursacht werden, deutlich höher sind, als die Kosten zur Bekämpfung des Klimawandels. Dennoch sind die Fortschritte in der internationalen Klimapolitik gering. Das Kyoto-Protokoll ist das bisher einzige Abkommen mit rechtsverbindlichen Reduktionsverpflichtungen. Die USA, einer der größten Treibhausgas Emittenten, nimmt nicht am Kyoto-Protokoll teil und auch die Verhandlungen zur Fortführung des Kyoto-Protokolls verlaufen schwierig. Die vorliegende Studie untersucht diesen scheinbaren Widerspruch, indem der Nationalstaat nicht als monolithischer Akteur betrachtet wird, sondern als reiner Vertreter nationaler gesellschaftlicher Interessen. Durch dieses Vorgehen kann eine genauere Analyse von Kosten und Nutzen des Klimawandels, sowie deren Wirkung auf gesellschaftliche Gruppen, erreicht werden. Da nicht alle gesellschaftlichen Interessen im gleichen Umfang berücksichtigt werden, können mächtige Partikularinteressen eine für die gesamte Gesellschaft negative Entwicklung aufrechterhalten. Um dies zu untersuchen, werden im vorliegenden Buch die USA und Deutschland anhand des Neoliberalismus von Andrew Moravcsik analysiert und miteinander verglichen. Nach einem kurzen Umriss der naturwissenschaftlichen Forschungslage zum Klimawandel wird dargestellt, welche allgemeinen Bedingungen für die gesellschaftliche Interessendurchsetzung von Bedeutung sind. In den beiden Länderanalysen wird zunächst untersucht, welchen Einfluss das politische System auf die Interessendurchsetzung der gesellschaftlichen Gruppen hat und wie die jeweilige Ausgangslage ist. Hierbei sind die Energieeffizienz, die Quellen der Energiegewinnung sowie die Ressourcen fossiler Rohstoffe von Bedeutung. Daran schließt sich eine Analyse der Interessen der Wirtschaft und der ENGOs an, und die Frage, mit welchen Mitteln versucht wird, diese Interessen durchzusetzen. Im Fall der USA wird noch auf die konservative Bewegung eingegangen. Ferner wird die Einstellung der Bevölkerung zum Thema Umweltschutz, insbesondere des Klimaschutzes, dargestellt. An dem so gewonnen Einblick in die gesellschaftliche Interessenlage der beiden untersuchten Staaten schließt sich eine Darstellung der Verhandlungen zum Kyoto-Protokoll an. Der Fokus liegt dabei bei den beiden untersuchten Ländern. Hier wird zum einen überprüft, ob und in welchem Ausmaß die nationale Verhandlungsposition durch gesellschaftliche Akteure beeinflusst wird, zum anderen ist zu fragen, wie die Staaten versuchen, ihre Positionen durchzusetzen.
Textprobe: Kapitel 6.2, Politische Rahmenbedingungen im klimapolitischen Verhandlungsprozess: Für Medick-Krakau, Robel & Brand wird die Außenpolitik der USA in besonderem Ausmaß von innenpolitischen Faktoren bestimmt. Sie geben hierfür drei Gründe an. Erstens sorgt die Verfassungsordnung der USA dafür, dass das politische System, im Vergleich zu westeuropäischen parlamentarischen Regierungssystemen (z. B. Deutschland), besondere Vorkehrungen zur Gewaltentrennung und Gewaltenverschränkung besitzt. Zweitens hat das Präsidentenamt eine Entwicklung durchlaufen, in der es zum Zentrum einer aktiven, interventionistischen Bundesregierung wurde. Drittens hat das politische System gegenüber der amerikanischen Gesellschaft eine allgemein untergeordnete Rolle. (Medick-Krakau, Robel & Brand 2004:94) Im politischen System der USA ist der Präsident die einzige Person der Exekutive. Er ist sowohl Staatsoberhaupt als auch Regierungschef. Das ihm untergeordnete Kabinett und die dort vorstehenden Secretaries haben keine verfassungsmäßigen Kompetenzen. Der Präsident wird unabhängig von der Legislative - der Kongress besteht aus Senat und Repräsentantenhaus - in einem eigenen Wahlakt gewählt. Für sein Amt bedarf er nicht zwingend einer Mehrheit in der Legislative, wie es in Deutschland der Fall ist. Ein Misstrauensvotum gegenüber dem Präsidenten seitens der Legislative oder die Möglichkeit seitens des Präsidenten die Legislative aufzulösen, gibt es nicht. (Medick-Krakau, Robel & Brand 2004:94-95) Der Verfassung nach hat der Präsident das Recht, völkerrechtliche Verträge abzuschließen. Der Senat muss diesen jedoch mit 2/3-Mehrheit zustimmen. (:107) Das Repräsentantenhaus hat in der Außenpolitik lediglich eine indirekte Rolle. Etwaige Kosten internationaler Abkommen benötigen im Haushaltsplan die Zustimmung der Abgeordneten. Die Verhandlungen im Rahmen des Kyoto-Prozesses werden vom US Department of State geführt. Ein eigenständiges Department für Umweltthemen gibt es nicht, lediglich die 1970 gegründete Bundesbehörde Environmental Protection Agency (EPA). Die Senatoren sind Vertreter der Bundesstaaten auf Bundesebene und sehen in der Interessenvertretung ihrer Bundesstaaten ihre Hauptaufgabe. Daher kann der Präsident auch dann nicht sicher auf die Zustimmung im Senat zählen, wenn seine eigene Partei die Mehrheit stellt. (Medick-Krakau, Robel & Brand 2004:113) Die schwache Bindungskraft und Dezentralisation der Parteien in den USA verstärkt diesen Effekt noch (Wasser & Eilfort 2004:327). Diese schwache Parteienbindung zusammen mit einer Personalisierung, Professionalisierung und Medialisierung des Wahlkampfs haben die Kosten für Wahlkämpfe extrem in die Höhe steigen lassen. 1996 gaben die Parteien deutlich über drei Milliarden Dollar für Wahlkämpfe aus. Dadurch sind Herausforderer wie Amtsinhaber von Wahlkampfspenden abhängig (nur die Präsidentschaftswahlen werden staatlich subventioniert) (:338-343). Diese Faktoren sorgen dafür, dass Lobbying nicht über die Parteien stattfindet, sondern vor allem die Senatoren und Abgeordneten des Kongresses das Ziel gesellschaftlicher Einflussnahme sind. Da die Senatoren immer einen Bundesstaat vertreten, bietet sich hier die Möglichkeit, speziell auf die Senatoren Einfluss zu nehmen, welche bereits im Sinne ihres Bundesstaates dem Thema offener gegenüberstehen. Im Falle eines möglichen Klimaabkommens könnten hier wirtschaftsstarke Bundesstaaten oder Bundesstaaten mit großen Vorräten fossiler Rohstoffe das Ziel sein. Zu erwähnen ist noch das Verhältniswahlrecht der USA. Dadurch haben kleine Parteien – und damit auch die US Green Party – kaum eine Möglichkeit politische Macht im Sinne von Mandaten auf Bundesebene zu erlangen. Da die Wähler der Green Party den Demokraten näher stehen als den Republikanern bewirkt die Wahl der Green Party eine Stärkung der Republikaner und hat so zur Niederlage Al Gores 2000 beigetragen. (:323) Der Einbezug der gesellschaftlichen Gruppen in den Politikprozess der USA ist 'passiv inclusive'. Alle gesellschaftlichen Gruppen haben demnach die Möglichkeit auf den Politikprozess einzuwirken. Die Umweltbewegung konnte moderate Veränderungen erwirken, große Veränderungen wurden jedoch nicht erreicht. Die Ansicht, dass ökologische Maßnahmen nur auf Kosten der ökonomischen Entwicklung erreicht werden können, wurde nicht überwunden. Die Möglichkeit einer ökologischen Modernisierung konnte sich in den USA nicht durchsetzen. Konflikte zwischen Ökonomie und Ökologie werden daher zumeist als Nullsummenspiele betrachtet. (Dryzek u.a. 2002) Wie gezeigt wurde, ist das politische System der USA für gesellschaftliche Einflussnahme besonders offen. Es ist nun zu fragen, wie die gesellschaftliche Interessenlage in den USA ist. Dabei werden zuerst die Wirtschaftsinteressen untersucht. 6.3, Wirtschaftsinteressen: Unter den Organisationen, die die US-Wirtschaftsinteressen vertreten, spielt die 1989, kurz nach der Schaffung des IPCC, gegründete Global Climate Coalition (GCC) eine herausragende Rolle. Mit der National Mining Association, dem American Petroleum Institute und der American Automobile Manufacturers Association sind die wichtigen Verbände der fossilen Rohstoffproduzenten, als auch der wichtige Markt der Automobilhersteller hier vertreten. Neben den Verbänden sind auch einige der größten US Unternehmen, wie z. B. Exxon (heute Exxonmobil), Texaco, Chevron und General Motors direkt Mitglieder der GCC. (Germanwatch 2000) Exxonmobil nimmt dabei unter den Mitgliedern eine besondere Stellung ein. Es ist mit 41,1 Milliarden Dollar Gewinn im Jahr 2011 eines der größten Unternehmen der Welt. Der Gewinn beruht hauptsächlich auf der Gewinnung von fossilen Rohstoffen. Im Jahr 2005 waren die THG-Emissionen die durch Exxonmobil Produkte entstanden höher als die von Deutschland (Union of Concerned Scientists 2007:4). Nach eigenen Angaben ist die GCC '(…)an organization of trade associations established in 1989 to coordinate business participation in the international policy debate on the issue of global climate change and global warming” (Global Climate Coaliton 2000a). Insgesamt vertreten ihre Mitglieder sechs Millionen Unternehmen in nahezu allen Bereichen der US-Wirtschaft (ebd.) Die GCC lehnt Reduktionen von Treibhausgasen national wie international strikt ab und versucht ihre Position mit drei Argumenten durchzusetzen. Zum Ersten ist die GCC der Meinung, das Kyoto-Protokoll würde der US-Wirtschaft schaden. Die Reduktion von Treibhausgasemissionen erhöht die Energiepreise und führt schließlich '(…)to a slowdown in the growth of personal income and in economic activity overall' (Global Climate Coalition 2000b:2). Weiter führt die GCC Studien an, welche Verluste von Arbeitsmarktplätzen vorhersagen, wenn dem Kyoto-Protokoll zugestimmt wird. Demnach sollen im schlimmsten Fall 4,9 Millionen Arbeitsplätze verloren gehen. (:3-4) Zweitens bedeuten die nicht vorhanden Reduktionsziele für Entwicklungsländer eine weitere Schwächung der US Wirtschaft, insbesondere gegenüber den Entwicklungsländern (:2). Drittens, und hier wird großer Aufwand betrieben, wird die Forschungslage in der Klimadebatte angezweifelt. Die GCC und ihre Mitglieder versuchen durch Werbekampagnen, die Bereitstellung eigener Informationen zum Klimawandel und die Finanzierung von wissenschaftlichen Klimawandelskeptikern Einfluss auf die politische Entscheidung zu nehmen. Der Plan, der damit verfolgt wird, gibt ein Memo eines Mitarbeiters des American Petroleum Institute wieder. Darin heisst es: 'Victory Will Be Achieved When (…) recognition of uncertainties becomes part of the 'conventional wisdom”” (American Petroleum Institute 1998). Aufgrund des US-Medienethos, verschiedene Positionen gleichermaßen Platz in den Medien zu bieten, werden die Klimawandelskeptiker überproportional dargestellt (Armitage 2008:142-143). Soweit es geht, wird dabei versucht, die Finanzierung durch die GCC und deren Mitgliedern zu verschleiern. (Armitage 2008:140 Gelbspan 1998:39-64) Wie viel Geld US-Unternehmen investieren um die Klimadebatte in ihrem Sinne zu beeinflussen ist nicht sicher, da private Unternehmen hierüber keine Auskunft geben müssen. Insgesamt wird jedoch geschätzt, dass sie rund 500 Millionen Dollar jährlich in ein 'grünes' Image investieren. Gesicherte, für den Klimawandel nachgewiesene Finanzmittel sind laut Gelbspan 2 Millionen Dollar der GCC zwischen 1994 und 1996, 1,8 Millionen Dollar des American Petroleum Institute im Jahr 1993, 700000 Dollar von der National Coal Association zwischen 1992 und 1993 und 100000 Dollar von der Automobile Manufacturers Association. (Gelbspan 1998:60) Eine weitere Möglichkeit der Einflussnahme über Finanzmittel sind Wahlkampfspenden. Zwischen 1990 und 1998 wurden über 97 Millionen Dollar Wahlkampfspenden von Erdöl- und Gasunternehmen geleistet. Davon gingen insgesamt 69 % an Mitglieder der Republikanischen Partei. Die Kohle fördernden Unternehmen spendeten über 12 Millionen Dollar im gleichen Zeitraum, wovon insgesamt 67 % an Mitglieder der Republikanischen Partei gingen. (Opensecrets 2012) Die US-Wirtschaft ist jedoch nicht geschlossen gegen eine Reduzierung von Treibhausgasen. Bereits 1992 gründeten Firmen aus dem Erneuerbaren Energien Sektor, dem Erdgassektor und der Energieeffizienztechnologie den Business Council for a Sustainable Energy Future. Das selbstgesetzte Ziel ist die US-Energiewirtschaft zukunftsfähig zu machen. Auch das in den USA ansässige International Climate Change Partnership erkennt die wissenschaftliche Forschung an und tritt ebenfalls dafür ein, die THG-Emissionen zu reduzieren. Das International Climate Change Partnership vertritt dabei die Auffassung, dass die Gestaltung einer Energiewende durch die Wirtschaft erfolgen muss, und nicht durch die Politik (Gelbspan 1998:91-92). In den USA waren im Umweltschutz 1999 1 % der Beschäftigten angestellt (Sprenger u.a. 2003:81). Ein weiterer wichtiger Akteur in der Debatte um den Klimawandel in den USA ist die konservative Bewegung. Sie arbeitet in einigen Punkten mit der GCC und den weiteren Gegnern von Klimaschutzmaßnahmen zusammen um die Darstellung eines stattfindenden Klimawandels – welcher von Menschen verursacht wird – zu negieren. Auf sie wird nachfolgend eingegangen.
Dennis Diestertich wurde 1982 in Berlin geboren. Aufgrund des Interesses an politischen Sachverhalten entschloss er sich zum Studium der Politikwissenschaft an der FernUniversität Hagen. Während des Studiums entwickelte sich ein besonderes Interesse an umweltpolitischen Themen. Auch privat ist der Autor zu Themen des Umweltschutzes engagiert.
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