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- Das ewige Scheitern: Jugendfernsehen in Deutschland
Sozialwissenschaften
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Verlag:
Bachelor + Master Publishing
Imprint der Bedey & Thoms Media GmbH
Hermannstal 119 k, D-22119 Hamburg
E-Mail: info@diplomica.de
Erscheinungsdatum: 01.2013
AuflagenNr.: 1
Seiten: 64
Abb.: 6
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback
Im Jahr 2012 wird das Thema Jugendfernsehen” wieder stark diskutiert. Die öffentlich-rechtlichen Sender stellen sich die Frage, ob das Anbieten von Jugendsendungen zu ihren Pflichtaufgaben gehört. Diese Überlegungen existieren bereits seit dem Bestehen des deutschen Fernsehens. Seit dessen Beginn wurde viel ausprobiert, um die Jugendlichen zu unterhalten. Doch wie das aktuelle Programmangebot zeigt, hat dies nicht funktioniert. Heute werden die Jugendlichen zu der werberelevanten Gruppe (14-49jährige) gezählt und haben keine speziell für ihr Alter ausgeschriebenen Sendungen mehr. Welche Ursachen haben dazu geführt, dass das junge Publikum nach dem Kinderkanal dem TV- Dschungel schutzlos ausgesetzt ist? Welche Fehler wurden gemacht, so dass sich heute niemand mehr traut Sendungen speziell für Jugendliche zu produzieren? In dieser Studie werden zunächst die Begriffe Jugend und Jugendfernsehen definiert. Im Hauptteil wird die Geschichte des deutschen Jugendfernsehens vorgestellt. Welche Sendungen waren für Jugendliche gedacht, was wollten die Produzenten erreichen und wie groß war das eigentliche Interesse der jungen Zuschauer? Ziel dieses Abschnitts ist das Herausarbeiten von Gründen für das Scheitern deutscher Jugendsendungen. Dabei beschränkt sich die geschichtliche Aufarbeitung auf Sendungen, die speziell für Jugendliche konzipiert, und als solche ausgewiesen sind. Auf fiktive Jugendfilme und TV-Serien sowie Musik-, Kinder- und Familiensendungen wird nicht eingegangen. Der zweite Teil der Arbeit konzentriert sich auf das aktuelle TV-Angebot für Jugendliche. In welche Richtung hat sich das Jugendfernsehen entwickelt und was bietet es heute an? Bei dieser Untersuchung werden Studienergebnisse einbezogen, die Informationen zu beliebten Medien sowie Lieblingssendungen der jungen Zielgruppe liefern. Gibt es bereits Formate im deutschen Fernsehen, die überwiegend von Jugendlichen gesehen werden und doch nicht als Jugendsendungen ausgezeichnet sind? Neben dem Medium Fernsehen werden zum Vergleich die Printmedien und der Hörfunk auf erfolgreiche Jugendangebote untersucht. Als Beispiel dienen hier die Jugendzeitschrift NEON und das Jugendradio Eins Live. Was sind ihre Erfolgskonzepte beim jungen Publikum, und lassen sich diese auch auf das Medium Fernsehen übertragen? Kann Jugendfernsehen mit den richtigen Leitlinien erfolgreich sein?
Textprobe: Kapitel 3.1.2, Die Experimentierphase: Ende der 60er Jahre kommt es in der BRD durch diverse globale Ereignisse, wie dem Vietnamkrieg, Prager Frühling, Pariser Mai, Aufstand in Ungarn, der Ermordung von Martin Luther King usw., vermehr zu Jugend- und Studentenunruhen. Man protestiert gegen herrschende Normen in sozialen, kulturellen und politischen Bereichen. Gesamtgesellschaftliche und institutionelle Reformziele stehen im Vordergrund. Jugendliche wollen mehr Mitbestimmung und Chancengleichheit. Auch die Menschen in der DDR nehmen sehr wohl wahr, was auf der anderen Seite der Mauer passiert. Doch zu Protesten kommt es nicht. Zu groß ist die Angst vor dem Staatsapparat. Die 68er Bewegung löst besonders in der Fernsehlandschaft der BRD eine Programmreform aus. Das junge Publikum will eine ernsthafte Auseinandersetzung mit ihren Problemen. Es sieht sich als kritisch und selbstbewusst und fordert ein TV-Angebot, das dieses neue Verständnis berücksichtigt. Damit ergeben sich den Redakteuren sowohl inhaltlich thematische als auch gestalterische Entfaltungsmöglichkeiten. Mit Hilfe technischer Neuerungen steigt die Kreativität in der formalen und bildlichen Umsetzung des Programms. Menschen über 14 Jahre werden verstärkt angesprochen. Der ´Schonraum` wird aufgelöst. Die neuen Programmkonzepte legen ihre Schwerpunkte auf politische Bildung und Aufklärung. Diese sollen möglichst antiautoritär an das Publikum herangetragen werden. Noch im Jahr 1968 entsteht die erste kritische Jugendsendung 'Baff', die im Abendprogramm des Westdeutschen Rundfunks (WDR) ausgestrahlt wird. Schon der Titel verspricht Veränderungen. Demnach soll der Inhalt überraschen, aufklären oder besser gesagt, den Zuschauer 'baffen'. Auch die formale Gestaltung ist neu. Schnelle Schnitte, harte Kontraste und neue Montagetechniken sollen alte Sehgewohnheiten ´durchbrechen`. Das Format versucht Unterhaltung und Information sowie Inhalt und Form zu verknüpfen. Laut dem 'Baff'-Redakteur Hans Gerd Wiegand soll die Jugendsendung zur kritischen Auseinandersetzung mit gesellschaftlich und politisch relevanten Themen anregen und zur Bildung eines kritischen Bewusstseins beitragen. Das Konzept der Sendung hat ein emanzipiertes Verständnis von seiner Zielgruppe. Es hinterfragt die Jugendvorstellungen der 50er und 60er Jahre und gibt Denkanstöße. Das bleibt nicht ohne Konsequenzen, denn Stimmen aus der Öffentlichkeit und der ehemaligen Redaktion der ´braven` 'Jugendstunde' äußern sich gegen 'Baff' und erreichen damit eine Sendeplatzänderung. Die Jugendsendung wird aus dem Montagabend-Programm in das Nachmittagsprogramm verdammt. Die anhaltenden Reaktionen sowie der neue Sendeplatz führen zu einer Einstellung von 'Baff' im Herbst 1971. Ähnlich konzipierte TV-Angebote wie 'Zoom', 'Bildstörung' und 'IN' erleiden bei der ARD das gleiche Schicksal. Bald lernt auch das Zweite Deutsche Fernsehen die Nachteile des kritischen Jugendprogramms kennen. Seit 1971 wird das Jugendmagazin 'Direkt' von den Redakteuren Peter Rüchel und Helmut Greulich produziert. Ähnlich wie bei 'Baff' verrät der Titel auch hier das Ziel der neuen Jugendsendung. 'Direkt' will seine Themen und Inhalte ohne Umwege, also 'direkt' an den Zuschauer herantragen. Es soll nichts verborgen oder versteckt werden. Erstmalig integriert ein Konzept sein Zielpublikum, was aus jungen Arbeitnehmern und Lehrlingen im Alter von 15 bis 25 Jahren besteht, in die Programmgestaltung. Mit Hilfe von Kameramännern und Redakteuren werden Themen wie Zukunftsängste, Berufsaussichten und Loslösungsprozesse in einem 'Gruppenfilm' umgesetzt und die Beiträge von den beteiligten Jugendlichen kommentiert. Damit soll beim Publikum eine starke Authentizität erzeugt werden. Doch die Umsetzung von 'Direkt' ist nicht so einfach wie anfangs vermutet. Schon bei der Pilotsendung ergeben sich hausinterne Probleme. Zuerst wird der Programmbeginn vom Intendanten Karl Holzammer verschoben, der Inhalt vom damaligen Programmdirektor Viehöfer sowie anderen ZDF-Redakteuren heftig kritisiert. Und so grenzt es fast an ein ´Fernsehwunder`, als das monatlich ausgestrahlte Magazin am 3. Juli 1971 zum ersten Mal auf Sendung geht. Neue Widerstände werden entfacht. Eine differenzierte Präsentation der einzelnen 'Direkt'-Themen wird vermisst. Diese soll mehrseitige Sichtweisen schaffen und eine Meinungsbeeinflussung verhindern. Also steht das Konzept der subjektiven und einseitigen Darstellung und Äußerung durch Jugendliche, bei Angehörigen des Fernsehrats, im Mittelpunkt der Kritik. Dagegen trifft genau das bei den Zuschauern auf großes Interesse. Die neue Sendung verschafft ihnen Gehör und kommt ihrem Engagement in Politik und Gesellschaft entgegen. Auch in der Öffentlichkeit wird diese Darstellungsform anerkannt, was die Auszeichnung mit dem Medien- und Fernsehpreis 'Bambi' (1979) bestätigt. Zur 'Belohnung' findet in der 'Direkt'-Redaktion der erste personale Wechsel statt. Doch auch damit ist die Diskussion um das Magazin nicht beendet. Im Oktober 1974 bildet ein 'Direkt'-Beitrag mit dem Titel: 'Wessen Recht schützt der Tendenzschutz-Paragraph?' den Höhepunkt des Streits. Die CSU sowie der ZDF-Fernsehratsvorsitzende Friedrich Zimmermann (CSU) beschweren sich schriftlich über die starke Linkslastigkeit der Ausgabe und fordern eine neue Besetzung der gesamten Redaktion, die unmittelbar durchgeführt wird. 'Ebenso soll nun durch Restriktionen in der Stoffzulassung, durch Mittelbeschneidung und der Forderung nach Änderung der konzeptionellen Grundform der Unausgewogenheit ein Riegel vorgeschoben werden.' Ein erhöhter Anteil an Autorenfilmen muss 'Direkt' nun zur Ausgewogenheit verhelfen. Doch auch diese Veränderungen stellen das ZDF nicht zufrieden, denn bereits drei Jahre später folgt ein dritter personeller Wandel. So dass am 01. Januar 1978 das Jugendmagazin mit einer komplett neuen Redaktion, Konzeption und einem besseren Sendeplatz, Mittwoch 19:30 bis 20:15 Uhr, auf Sendung geht. Das Aufgreifen von Konflikten und Handlungsmöglichkeiten der jungen Menschen steht jetzt weit im Hintergrund. Im Stil des Jugendfernsehens der 50er und 60er Jahre wird ein glückliches Miteinander zwischen Jugendlichen, Eltern, Lehrer, Pfarrern und der restlichen Gesellschaft präsentiert. Die neuen Themen des Jugendmagazins sind auch nicht mehr so stark auf die Arbeitswelt bezogen. Dadurch versprechen sich die verantwortlichen Redakteure eine größere Gruppe von Jugendlichen zu erreichen. Doch das Gegenteil tritt ein: 'Die Strategie des ZDF die Sendung über eine größere Bandbreite der Themen zu entschärfen, führt vom ursprünglichen Profil der Sendung weg.' Zusätzlich lassen modernisierte visuelle Umsetzungen in anderen Produktionen 'Direkt' plötzlich antik erscheinen. Seine formale Gestaltung hat sich seit dem Beginn nicht viel verändert, während auf der Seite der Zuschauer ein Generationswechsel stattfand. Das Fernsehen ist zur Selbstverständlichkeit geworden, das Programmangebot stark angewachsen. 'Hinzu kommt, daß sich in der Entwicklung fernsehmedialer Produkte bestimmte Standards sowohl auf der Ebene der Bildgestaltung, der Schnitt- und Montagetechniken als auch auf formal-präsentatorischer Ebene etablieren, die für den Fernsehzuschauer zur erwartbaren ´Normalität` werden.' Eine Reduktion auf das Inhaltliche reicht den Jugendlichen nicht mehr. Deshalb folgt 1987 aufgrund schlechter Einschaltquoten die Einstellung des ehemals kritischen Jugendmagazins. Wie man bereits an dieser Sendung erkennt, geht im Verlauf der 70er und 80er Jahre die Entwicklung dahin, dass neue Formate vermehrt vom unterschiedlichen Bildungs- und Sozialstatus der jungen Menschen ausgehen. Statt Jugendliche im Allgemeinen an zu sprechen, wird nun auf Schüler, Auszubildende, junge Arbeitnehmer und Studenten separat eingegangen. Diese Differenzierung wirkt sich 1971 auch auf die Programmplanung der öffentlich-rechtlichen Kanäle aus. So widmet die ARD einen Sendetermin am Freitagabend den Schülern und am Sonntagmorgen versuchen sie schwerpunktmäßig berufstätige Jugendliche zu erreichen. Auch das ZDF sendet am Freitagnachmittag ein Programm für jüngere und am frühen Samstagabend für ältere Jugendliche. Die Sender erhoffen sich von der Erneuerung das Publikum gezielter anzusprechen. Parallel dazu findet in dieser Zeit auch eine andere Entwicklung statt. Laut Mattusch setzen 1971 die Phase nicht koordinierter Experimente und der Beginn zunehmender Sendezeitkürzungen ein. Die Sendezeit von ARD-Jugendprogrammen reduziert sich von 1969 mit 180 auf 145 Minuten pro Woche im Jahre 1970. Im April 1972 wird der Tiefstand von 75 Minuten erreicht. Besonders die ARD ist in den 70`ern um neue Jugendformate bemüht. Im Schüler-Programmblock am Freitagabend werden Sendungen, wie 'Szene', 'Teletechnikum', 'Joker' und 'Teamwörk' platziert. Dabei lassen sie sich auf zwei grundlegende Konzeptionen zurückführen. Um größere Identifikationsanreize für die Zielgruppe zu schaffen, versuchen 'Joker' und 'Szene' das junge Publikum als Darsteller zu beteiligen. Planerisch und konzeptionell wird auf ihre Teilnahme verzichtet. Dagegen versuchen Sendungen, wie 'Teletechnikum' und 'Teamwörk' die jungen Menschen gerade bei der Gestaltung, Themenauswahl und anschließender Realisierung mit einzubeziehen. Dabei avanciert besonders 'Teletechnikum' zum Erfolg. Ein Format, was sich überwiegend mit naturwissenschaftlichen Themen beschäftigt, beweist, dass Jugendliche sich nicht nur mit politischen Fragen und kritischen Ansichten auseinandersetzen wollen, wie es die verantwortlichen Redakteure um 1968 geglaubt haben. Im Gegenteil: Aus der ZDF-Studie 'Jugend und Fernsehen' von 1977 geht hervor, dass die von Jugendlichen am häufigsten gesehene Programme Unterhaltungssendungen sind, die zum größten Teil in den Abendstunden rezipiert werden. Dazu gehören z.B. Hit-Paraden, Krimis, Western und Quizsendungen. Politische und kulturelle Programme stehen vor den informierenden Jugendprogrammen am Ende der Aufzählung. Die Sender der ARD nehmen diese Ergebnisse zur Kenntnis und versuchen, seit dem Erfolg von 'Teletechnikum' vermehrt auf Unterhaltung zu setzen. Ab 1978 wird der Freitagnachmittagstermin durch die Produktion der vierwöchentlichen Sendung 'Alles klar?!' bereichert. In der Talkshow diskutieren Jugendliche sowie Erwachsene aus unterschiedlichen Schichten über Themen, wie Sexualität, Liebe, Umwelt, Religion usw. Dabei liegen die Besonderheiten in der Live-Ausstrahlung und der redaktionellen Beteiligung der jungen Menschen. 'Alles klar?!' wird bis 1983 mit mäßiger Anerkennung ausgestrahlt.
Maria Brennecke wurde im Jahr 1985 geboren. Nach ihrem Abitur entschied sie sich 2005 bewusst für einen 2-Fach-Bachelor mit den Kernfächern: Medien (Fernsehen und Film) und Erziehungswissenschaften. Die Verbindung beider Fächer lag auf der Hand, denn alle Medien bemühen sich um die Aufmerksamkeit und das Erreichen des Publikums. Dafür muss man dieses in seinen einzelnen Entwicklungen, Bedürfnissen und Interessen verstehen. Schnell kam die Erkenntnis, dass zwar die Lebensphase Jugend in der Erziehungswissenschaft eine wichtige Rolle spielt, ihr beliebtestes Medium Fernsehen jedoch diese Gruppe übersieht. So entstand die Idee im Rahmen einer Studie dieses Phänomen zu untersuchen und zu erklären. Die Tatsache, dass es kaum aktuelle Literatur zu diesem Thema gab, war für die Autorin ein weiterer Ansporn dieses Buch zu verfassen.
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