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- Beziehungsgestaltung im Strafvollzug mit Hilfe des personenzentrierten Ansatzes
Sozialwissenschaften
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Verlag:
Bachelor + Master Publishing
Imprint der Bedey & Thoms Media GmbH
Hermannstal 119 k, D-22119 Hamburg
E-Mail: info@diplomica.de
Erscheinungsdatum: 03.2014
AuflagenNr.: 1
Seiten: 52
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback
Im Strafvollzug stellt sich immer wieder die Frage der Regulation von Nähe und Distanz. Durch konsequente Umsetzung des personenzentrierten Ansatzes wird die professionelle Arbeitsbeziehung aufgebaut und gefestigt. Das Buch zeigt praxisnah eine andere Art von Beziehungsgestaltung mit straffälligen Menschen sowie eine Fülle von Informationen, Berichten und praktischen Hinweisen aus dem Bereich der Arbeit mit dissozialen und delinquenten Menschen. Eine professionelle Beziehungsgestaltung mit Hilfe des personenzentrierten Ansatzes ist aus Sicht des Autors im Strafvollzug förderlich für die Resozialisierung und bedeutet keinesfalls Kuschelpädagogik oder Kuscheljustiz. Schwerpunkte der Diplomarbeit sind: • Was spricht für den Aufbau einer tragfähigen Arbeitsbeziehung unter Anwendung des personenzentrierten Ansatzes? • Welche Grundlagen sind förderlich, um eine professionelle sozialpädagogische Beziehung zu delinquenten Menschen herzustellen? • Wie wirkt sich die Arbeitsbeziehung mit dem personenzentrierten Ansatz auf das Verhalten und die Motivation der Gefangenen aus? • Ist das Sanktionssystem ein geeignetes Mittel, um das Verhalten eines Menschen langfristig zu verändern?
Textprobe: Kapitel 2.4, Der Begriff ‘Totale Institution’ nach E. Goffman: Goffman, im Jahr 1922 in Kanada geboren, 1982 gestorben, lehrte zuletzt an der Universität von Kalifornien in Berkeley Soziologie. Sein berühmtes Buch ‘Asyle’ erschien im Jahr 1961. In seinem Buch zeigt er auf, wie totale Institutionen auf inhaftierte Menschen wirken und was in diesem Kontext entstehen kann. Goffman beschreibt eine totale Institution folgendermassen: ‘Eine totale Institution lässt sich als Wohn- und Arbeitsstätte einer Vielzahl ähnlich gestellter Individuen definieren, die für längere Zeit von der übrigen Gesellschaft abgeschnitten sind und miteinander ein abgeschlossenes, formal reglementiertes Leben führen’ (Goffman, 1973, S.11). Die zentrale These lautet, dass der wichtigste Faktor, der einen Patienten prägt, nicht seine Krankheit ist, sondern die Institution (Personal, Infrastruktur, Regeln etc.), der er ausgeliefert ist (vgl. ebd. S. 2). Die totale Institution aufgegliedert in fünf Gruppen: Laut Goffman lassen sich in unserer Gesellschaft fünf Gruppen von totalen Institutionen unterscheiden: Fürsorgeanstalten für harmlose Menschen, z. B. Altersheime, Behindertenheime Fürsorgeanstalten für gesellschaftlich bedrohliche Menschen, z. B. Psychiatrie Einrichtungen zum Schutz der Gemeinschaft, z. B. Strafvollzug Institutionen mit dem Ziel, arbeitsähnliche Aufgaben besser durchzuführen, z. B. Kasernen, Internate, Schiffe Einrichtungen als Zufluchtsort, z. B. Klöster (vgl. Goffman, 1973, S. 16 ). Merkmale der totalen Institution Alle Angelegenheiten des Lebens finden an ein- und derselben Stelle unter ein- und derselben Autorität statt. Die Mitglieder der Institution führen alle Phasen ihrer täglichen Aktivitäten in unmittelbarer Gesellschaft einer grossen Gruppe von Schicksalsgenossen aus, wobei alle weitgehend dieselben Behandlungen erfahren. Funktionäre der Einrichtung überwachen die Einhaltung der Regeln. Alle Phasen des Tagesablaufs sind exakt geplant, wobei formale Regeln die Aktivitäten bestimmen. Die verschiedenen erzwungenen Tätigkeiten münden in einen einzigen Plan, der angeblich dazu dient, die offiziellen Ziele der Institution zu erreichen. Es besteht eine grundlegende Trennung zwischen der grossen, gemanagten Gruppe der Gefangenen und der kleinen Gruppe des Personals. Während die Gefangenen nur beschränkt Kontakt zur Aussenwelt haben, verbringt das Personal nur einen beschränkten Teil seiner Zeit in der Institution, nämlich den Arbeitsalltag. Jede Gruppe sieht die andere Gruppe durch die Brille enger feindseliger Stereotypien. Die Gefangenen werden vom Personal häufig als verbittert, verschlossen und wenig vertrauenswürdig gesehen, während die Eingewiesenen das Personal als herablassend, hochmütig und niederträchtig ansehen. Die soziale Mobilität zwischen den beiden Gruppen ist sehr gering. Oftmals besteht eine grosse und oft formell vorgeschriebene soziale Distanz (vgl. Goffman, 1973, S. 17ff). Goffman nennt die totale Institution auch Treibhäuser: ‘Sie sind die Treibhäuser, in denen unsere Gesellschaft versucht, den Charakter von Menschen zu verändern. Jede dieser Anstalten ist ein natürliches Experiment, welches beweist, was mit dem Ich des Menschen angestellt werden kann’ (vgl. ebd. S. 23). Stellungnahme: Ein sich positiv auf den Gefangenen auswirkender Strafvollzug lässt sich nur mit ihm gemeinsam durchführen. Eine Veränderung ist mit aktiver Beteiligung und dem Einverständnis und Willen des Gefangenen möglich. Dies erfordert von den Betreuenden, den Gefangenen schrittweise an eine Thematik heranzuführen, so dass er bereit ist sich zu öffnen, um an sich und mit dem Personal zusammen zu arbeiten. Somit ist die Grundlage geschaffen, dass beim Gefangenen die personalen und sozialen Kompetenzen gefördert werden können. Goffman schreibt dazu, dass die Gefangenen den Aufenthalt in Institutionen als eine verlorene, vergeudete und nicht gelebte Zeit, die abgeschrieben werden kann, empfinden (vgl. Goffman, 1973, S. 71). 2.4.1, Die Welt des Personals: Menschen, die in eine Institution eingewiesen werden, haben ein Delikt begangen und sind nicht freiwillig dort, sondern aufgrund ihrer Straftat. Sie rebellieren und beschweren sich mündlich oder schriftlich, wenn sie sich ungerecht behandelt fühlen. Ihr Attributionsstil ist meistens external und global, d. h. bei Sanktionen suchen sie die Schuld vielfach bei anderen Personen und nicht bei sich. Dem Personal stehen sie oftmals nicht wohlgesonnen gegenüber. Das macht die Arbeit mit den Gefangenen anspruchsvoll (vgl. Goffman, 1973, S. 78). Mit Drohungen, Belohnungen und Überredungen kann das Verhalten von Menschen beeinflusst oder gar gesteuert werden (extrinsische Motivation). Sie können somit bewusst zu bestimmten - aus Sicht der Institution erwünschten - Handlungen motiviert oder von unerwünschten Handlungen abgehalten werden (vgl. ebd. S. 84). Ein wesentlicher Aspekt ist die tägliche Interaktion zwischen Personal und Gefangenen. Je nach Haltung der Personen entsteht eine positive oder negative Beziehung. Solche Beziehungen sind von Gefühlen geleitet. Gefühle können verletzt werden und bergen dadurch Gefahren. Es ist nicht einfach, eine Beziehung und damit auch eine bestimmte Nähe zu den Gefangenen zuzulassen, und trotzdem die nötige Distanz zu wahren, um in jeder Situation neutral und professionell entscheiden zu können (vgl. ebd. S. 85). Stellungnahme: Es erfordert ein hohes Mass an Professionalität vom Betreuungspersonal, mit Gefangenen, die sich über die Angestellten schriftlich beschweren und diese oftmals bewusst provozieren, freundlich, wohlwollend aber auch sachlich begrenzend zu sein und zu bleiben, so wie es in unserem Leitbild verankert ist. Das Personal ist in solchen anspruchsvollen Situationen besonders gefordert. Nach meinem professionellen Verständnis ist eine ständige Reflexion meiner Handlungen und der Nähe zum Gefangenen notwendig. Zudem erachte ich es als wichtig, dass ich mir bewusst bin, dass ich in einer Interaktion auch Auslöser einer Reaktion meines Gegenübers bin. 2.4.2, Das ‘Doppelte Mandat’ im Strafvollzug: Im zitierten Text beschreibt Goffman die Schwierigkeiten, mit dem sich das Personal im Strafvollzug auseinander setzen muss. Hinzu kommt noch das so genannte ‘Doppelte Mandat’ (Schneeberger Georgescu, 1996). Der sozialpädagogische Spielraum wird durch diese Doppelfunktion teilweise eingeschränkt. Schneeberger studierte Sozialarbeit, Pädagogik und Psychologie an der Universität Freiburg. Im Rahmen ihres Studiums absolvierte sie in den Jahren 1988/1989 in der Frauenanstalt Hindelbank ein halbjähriges Praktikum als Betreuerin. Nach dem Praktikum arbeitete sie bis zum Studienabschluss im Jahr 1993 als Betreuerin auf der Mutter-Kind-Abteilung. Schneeberger versteht unter dem doppelten Mandat die Verbindung von zwei unterschiedlichen Aufträgen in einer Berufsrolle, nämlich einerseits den helfenden und den kontrollierenden Auftrag (Resozialisierungsfunktion), andererseits die Aufsichtsfunktion. Hinter diesen Begriffen verbirgt sich die Problematik, die sich für das Betreuungspersonal aus der Tatsache ergibt, dass sie in der praktischen Arbeit unterschiedliche, unter Umständen sogar widersprüchliche Interessen vertreten und diese zu vermitteln versuchen müssen (vgl. Schneeberger Georgescu, 1996, S.13). Bei der Betreuung im Strafvollzug ist das doppelte Mandat schon aus der Berufsbezeichnung Aufseher/Betreuer ersichtlich. Im betreuungsorientierten Gruppenvollzug kommt ein doppeltes Mandat zum Ausdruck, wie es in Qualität (Art des Konflikts) und Quantität (Schärfe und Prägnanz des Konflikts) im Bereich der sozialen Arbeit unbekannt ist. Die Strafvollzugsangestellten haben die Aufgabe, darauf zu achten, dass sich der Gefangene der vom Richter angeordneten Strafe nicht entziehen kann. Das Personal ist verpflichtet, die Bedingungen der Strafe aufrechtzuerhalten und Kontrollhandlungen auszuführen. Dies kann z. B. das Einschliessen in die Zelle mit vorhergehender Zellen- und Materialkontrolle, aber auch eine Leibesvisitation sein. Der Aufseher muss aufgrund seiner Funktion Dinge tun, die sozialpädagogischen Überlegungen und dem Beziehungsaufbau widersprechen. Dies ist überall dort der Fall, wo der Aufseher die Intimsphäre und persönliche Würde der Gefangenen aufgrund seines Auftrages verletzt. Der Straffunktion des Gefängnisses entsprechend ist auch die Funktion der Betreuer nicht pädagogisch fundiert (vgl. ebd. S.17ff). Sozialpädagogische Kriterien kommen bei der Resozialisierung der Gefangenen zum Zug. Individuell und ressourcenorientiert wird auf den Gefangenen eingegangen. In Gesprächen werden Ziele mit ihm für die Zeit im Gefängnis erarbeitet. Der in der Hausordnung enthaltene Handlungsspielraum wird aufgrund sozialpädagogischer Überlegungen genutzt (vgl. ebd. S.19).
Seit 2001 arbeitet Siegenthaler in einem Wohnpavillon als Aufseher / Betreuer in einer geschlossenen Strafanstalt. Im Februar 2009 entstand losgelöst vom Abteilungssystem ein neuer Arbeitsbereich, den er als Leiter Wohnen/Beschäftigung für alte, verhaltensauffällige, instabile und renitente Gefangene neu Strukturierte. In diesem Bereich werden die Gefangenen in einem eigens angepassten Kontext beschäftigt und betreut. Die Gefangenen wollen oder können infolge ihres Alter oder Krankheitsbildes die vorgegebene Tagesstruktur nicht bewältigen oder verweigern jegliche Anweisungen. Siegenthaler beginnt von Grund auf mit diesen Menschen zu arbeiten. Es stehen nicht Leistung und Arbeitstempo im Vordergrund, sondern der Aufbau einer tragfähigen, zwischenmenschlichen Arbeitsbeziehung nach dem personenzentrierten Ansatz. Währen der Ausbildung zum Sozialpädagogen schrieb er die Literaturarbeit über den personenzentrierten Ansatz. Konsequent setzt er diesen mit Erfolg im Strafvollzug um. Weiterbildung: 2004-2006 berufsbegleitende Ausbildung zum: Fachmann für Justizvollzug mit eidgenössischem Fachausweis, 2008-2011 Bildungsgang Sozialpädagogik : Diplomierter Sozialpädagoge HF, 2012-2013 Modulzertifikat: Praxisausbildner inkl. SVEB- Zertifikat 1.
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