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Sozialwissenschaften
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Verlag:
Bachelor + Master Publishing
Imprint der Bedey & Thoms Media GmbH
Hermannstal 119 k, D-22119 Hamburg
E-Mail: info@diplomica.de
Erscheinungsdatum: 06.2014
AuflagenNr.: 1
Seiten: 64
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback
Der polizeiliche Alltag ist geprägt von aggressiven Situationen mit Personen im Ausnahmezustand. In diesem Buch wird die Problematik der Erkennung und des Umgangs mit psychischen Störungen in Bezug auf Aggressionen näher betrachtet. Die Arbeit konzentriert sich auf die Kontakte der Schutzpolizei mit dem Bürger, da uniformierte Polizeivollzugsbeamte in der Regel als erste eingesetzte Kräfte auf aggressive psychisch Gestörte treffen werden. Auch Vollzugsbeamte der Kriminalpolizei können als Kriminaldauerdienst oder im Rahmen von Ermittlungen mit Bürgern in Erstkontakt treten, die sich in eine Phase akuter Aggression hinein begeben oder bereits befinden, und dessen Hintergrund psychische Erkrankungen darstellen. Wichtigstes Mittel, um eine Situation gewaltfrei zu klären, ist die Kommunikation mit dem psychisch Gestörten durch eine kooperative Gesprächsführung und eine flexible Verhaltensweise. Ziel dieses Buches ist es, die Frage zu beantworten, ob eine erhöhte Aggressionsbereitschaft bei psychischen Störungen vorhanden ist, und ob Polizeibeamte im Einsatz die Aggressionen erkennen und kontrollieren können.
Textprobe: Kapitel 2, Der Begriff Aggression - eine Definition: Aggression [ist] eine ein Objekt bzw. eine Person schädigende oder beeinträchtigende Handlung bzw. eine Handlung, die einen solchen Schädigungsvorgang intendiert. Bei Aggressionen muss zunächst erläutert werden, dass es Unterscheidungen in verbale, körperliche und verdeckte oder phantasierte Aggression gibt. Sie kann eine negative, von der jeweiligen kulturellen Gemeinschaft missbilligende Handlung darstellen oder positiv, weil gesellschaftlich akzeptiert, sein. Es wird unterschieden in affektgesteuerter Aggression, die aufgrund der Stimmungslage einer Person plötzlich auftritt, und instrumenteller Aggression, eine aufgrund von Kalkulationen eingesetzte geplante Handlung zum Erreichen abgesteckter Ziele. Diese Aufzählung ist nicht abschließend und beschreibt nur Verhaltensweisen. Es ist letztlich abhängig von dem Wertesystem des Beurteilers, ob eine Handlung zwischen zwei Personen eine Aggression darstellt. Erklärungsmodelle der Psychologie zu den Entstehungsbedingungen und deren Prozesse von Aggressionen sind zahlreich. Eine der ersten psychologischen Theorien beruht auf den triebtheoretischen Überlegungen von Sigmund Freud, der in zwei Erklärungsansätzen zunächst den Sexualtrieb, danach den Todestrieb für die Entstehung von Aggressionen verantwortlich machte. Weitere Modelle sind die Frustrations-Aggressions-Hypothese nach Dollard, die Bedeutung aggressiver Hinweisreize nach Berkowitz oder die soziale Lerntheorie nach Bandura. Neuere Erklärungsansätze versuchen, neben den psychodynamischen und lerntheoretischen Modellen die Dynamik der Interaktion aggressiven Verhaltens zwischen zwei Personen näher zu analysieren. Dies wird in dem Modell sozialer Informationsverarbeitung von Crick und Dodge oder in dem sozialinteraktionistischen Modell von Tedeschi und Felson deutlich. Danach lässt sich Aggression als eine soziale Interaktion beschreiben, die folgende Elemente aufweist. [Zum einen benötigt sie] mindestens zwei Protagonisten, die einander wechselseitig beeinflussen, die in einer bestimmten Relation zueinander stehen,[und zum anderen müssen diese] [...] sich in einem bestimmten Kontext begegnen. In der Erforschung biologischer Erklärungsansätze geht man davon aus, dass sich das Gehirn in seiner kindlichen Entwicklung an eine bedrohliche Umgebung mit Gewalt, übermäßig harten Erziehungsmethoden und sensorischer Deprivation, also Elementen aus der Theorie des sozialen Lernverhaltens, physisch anpasst. Es wird die Produktion zweier Schlüsselchemikalien, Serotonin und Noradrenalin, durch die Umwelt beeinflusst. Diese Neurotransmitter hängen mit gewalttätiger Aggression zusammen und können bei genetisch dafür anfälligen Kindern eine Neigung zu krimineller Gewalttätigkeit und damit Aggression verstärken. Es wurde erforscht, wie durch genetische Faktoren und durch Einflüsse in der Schwangerschaft und in den ersten Lebensjahren die biologische Reaktionsfähigkeit des Gehirns auf potenziell aggressionsauslösende Reize festgelegt wird. Ein wichtiger Aspekt in diesem Zusammenhang ist Stress. Der Psychologe F.Lösel ist der Auffassung, dass biologische Dispositionen, psychologische, situative und soziale Faktoren zusammengebracht werden müssen, um Gewaltkarrieren mit ihren Aggressionen zu verstehen. 3, Art und Häufigkeit - Kontakte mit psychisch Gestörten: Der Kontakt zwischen PVB und psychisch Gestörten wird statistisch zum einen mangels Dokumentation nicht erfasst. Zum anderen stellt sich die Frage, ob psychische Störungen von den Einsatzkräften als solche wahrgenommen werden. Die Wahrscheinlichkeit, im dienstlichen Kontakt psychisch Kranke anzutreffen, liegt für Polizeibeamte in der Größenordnung von einem Viertel bis einem Drittel aller Bürgerkontakte. Die Schätzung basiert auf der Annahme, dass psychisch Gestörte und psychisch Gesunde gleich viel Kontakt mit der Polizei haben. Doch bei vielen kategorisierten Kontakten mit Personen wie z.B. Familienstreitigkeiten, Alkoholabhängigkeit, oder Suizidgefährdung sind psychische Störungen der Anlass der Situation. Somit ist eine Schätzung von Kontakten zwischen Polizei und psychisch Kranken von rund 25 % aller Kontakte zwischen Polizei und Bürgern eine konservative Annahme und dürfte die Untergrenze darstellen. Der Rettungsdienst trifft in ähnlichen Fällen auf psychiatrische Akutsituationen wie die Polizei. Neben dem Anstieg der Lebenserwartung der Bevölkerung (Multimorbidität), der Zunahme von Patienten mit Suchtproblemen (Alkohol-, Medikamenten-, und Drogenabhängigkeit) ist die Dezentralisierung der Psychiatrie hin zu einer ambulanten Versorgung der psychisch Kranken eine Ursache für ansteigende Konfrontationen mit psychiatrisch kranken Personen. In Untersuchungen aus dem Bodenseeraum bzw. aus Hamburg stellt eine psychiatrische Notfallsituation mit 10 % die dritthäufigste Einsatzindikation für den Notarzt dar. Unbeachtet sind die Einsätze, bei denen das nichtärztliche Rettungspersonal in eigener Verantwortung sogenannte ‘hilflose Personen’ mit psychiatrischen Grunderkrankungen, teils mit Hilfe der Polizei, in das Krankenhaus transportiert. Die Tendenz dieser Einsätze ist steigend. Der Kontakt zwischen Personen mit psychischen Störungen und der Polizei hat also eine erhebliche Relevanz für die Polizeiarbeit. Eine Studie der FH Villingen-Schwenningen, FB Polizei ergab, dass drei typische Alltagssituationen in der Polizeiarbeit unter Beteiligung psychisch Gestörter hervorzuheben sind: Familienstreit, Alkohol- und Drogenmissbrauch und hilfsbedürftige psychisch Kranke. Eine Auswertung von 2074 Einsätzen aus dem Jahr 1991 zu dem Stichwort Familienstreitigkeiten ergab, dass zu mehr als 30 % psychische oder Suchtprobleme zu einem Polizeieinsatz führten. Bei Alkohol- und bei bestimmten Drogenmissbrauch steigt der Grad aggressiven Verhaltens. Es stellt sich die Frage, ob es sich um eine kriminelle Aggression oder um eine aggressive Störung im medizinischen Sinne handelt. In Einsatzsituationen mit Drogenabhängigen entscheidet häufig die Einstellung und Erfahrung des PVB zu den Facetten aus dem Milieu des Substanzmittelmissbrauchs, ob eine durchgeführte Maßnahme repressiven und somit punitiven Charakter für den Betroffenen hat. Es wird selten auf objektiv psychologische und medizinische Kenntnisse im Umgang mit den Betroffenen zurückgegriffen. Dies macht sich in der Situationsdynamik mit diesen psychisch Gestörten bemerkbar und kann eine aggressive Dynamik begünstigen. Das ist auch in rechtlicher Hinsicht problematisch. Die polizeiliche Verfolgungspraxis im Betäubungsmittelbereich muss sich daher in gewissem Umfang den Vorwurf der Willkür gefallen lassen der verfassungsrechtliche Gleichheitsgrundsatz wird vor allem bei der Verfolgung von Konsumenten und Kleindealern teils grob verletzt. Bei hilfsbedürftigen psychisch Gestörten fehlen den PVB oftmals Strategien, um adäquate Hilfsmaßnahmen einzuleiten. Die Zuführung zu psychiatrischen Diensten ist schwierig, weil es einen hohen Zeitaufwand darstellt. Personalmangel seitens der Polizei und anderer Ordnungsbehörden, fehlende Infrastruktur in Städten und Gemeinden (Psychiatrieärztlicher Bereitschaftsdienst) und mangelndes Rollenverständnis der PVB für den Umgang mit psychisch Gestörten führen zu einem Vermeidungsverhalten gegenüber solchen Einsätzen. Doch der Einsatz mit psychisch Gestörten ist eine Aufgabe der Polizei. Laut einer Studie aus dem Jahr 2003 haben PVB aufgrund ihres Berufes wesentlich mehr Kontakt zu psychisch Gestörten als Nichtpolizeibeamte.
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