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- Adoleszenz und Medien: Die Rolle des Internets im Prozess der Identitätsentwicklung Jugendlicher
Sozialwissenschaften
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Verlag:
Bachelor + Master Publishing
Imprint der Bedey & Thoms Media GmbH
Hermannstal 119 k, D-22119 Hamburg
E-Mail: info@diplomica.de
Erscheinungsdatum: 06.2014
AuflagenNr.: 1
Seiten: 68
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback
Identitätsentwicklung in Zeiten der Postmoderne ist ein schwieriges Unterfangen. ‘Die Medien wachsen zusammen, und der Computer ist mit dem Internet für die Jugendlichen heute Arbeitsgerät, Kommunikationsmittel, Speicher, Fernseher, Stereoanlage und Spielzeug in einem’ (Dammler 2009, S.196). Die sogenannten neuen Medien sind nicht mehr wegzudenken aus dem Leben Jugendlicher: Mittlerweile hat die Mehrheit der Heranwachsenden ein eigenes Handy, ist Mitglied in mindestens einem sozialen Netzwerk und erkennt in seinem Internetanschluss auch eine Lernhilfe. Jugendliche sehen sich infolge der Verbreitung digitaler Medien mit einer Vielfalt an Möglichkeiten der Selbstwerdung konfrontiert, hiermit verbunden sind jedoch nicht nur Chancen, sondern auch Risiken. Im Buch werden neben Möglichkeiten und Gefahren des Internets für Jugendliche auch verschiedene Identitätskonzepte herangezogen um jugendliches Werden zu erklären. Des Weiteren ist wesentlicher Bestandteil des Buches zu erklären, welche Möglichkeiten zur Identitätsfindung bzw. zum Spiel mit Identitäten sich im Rahmen des Internets finden lassen.
Textprobe: Kapitel 3, Identitätskonstruktion Jugendlicher: Die Identitätskonstruktion ist im Zuge der stattfindenden Individualisierungsprozesse in unserer Gesellschaft mittlerweile nicht mehr so einfach für die Heranwachsenden, denn eine Identität wird heutzutage nicht mehr mittels Geburtstand milieuspezifisch vorgegeben, sondern muss eigenständig erworben und weiterentwickelt werden (vgl. Wegener 2008, S.43). Wie bereits angedeutet, sind die Möglichkeiten der eigenen Identitätsausbildung infolge der Individualisierungsprozesse unserer Gesellschaft enorm vielfältig und frei wählbar geworden. Man kann inzwischen seine Zukunft weitgehend selbst bestimmen, seine Schullaufbahn eigenständig wählen und auch über den zukünftigen Beruf selbst entscheiden. ‘Das Angebot an möglichen sozialen Rollen ist in komplexen Gesellschaften äußerst diffus und umfangreich’ (Schäfers 2001, S.71). Die Abkehr von gesellschaftlichen Traditionen, wie z.B. die Weitergabe des Berufes vom Vater an den Sohn hat dazu geführt, dass Jugendliche heute mit Problemen in Bezug auf die eigene Identität mittlerweile oftmals auf sich allein gestellt sind. Fraglich bleibt, inwiefern diese, heute vorzufindende Optionsvielfalt überhaupt förderlich für eine Identitätskonstruktion ist. Durch das Überangebot an sozialen Rollen fehlt es den Heranwachsenden an Orientierung. Der Zerfall traditioneller Familienstrukturen führt dazu, dass es Jugendlichen in der Lebensführung an Vorbildern mangelt. ‘Nur noch in Restbeständen existieren Lebenswelten mit geschlossener weltanschaulich- religiöser Sinngebung, klaren Autoritätsverhältnissen und Pflichtkatalogen. Die Möglichkeitsräume haben sich in pluralistischen Gesellschaften explosiv erweitert’ (Keupp 2006, S.55). ‘Bereits im Jugendalter besteht damit die Herausforderung, sich auf gesellschaftliche Unsicherheiten einzulassen und persönliche Stabilität im Rahmen gesellschaftlicher Instabilität zu beweisen’ (Wegener 2008, S.44). Die Heranwachsenden müssen sich ihren eigenen Weg bahnen, sie schweben zwischen eigenen Unsicherheiten und unklaren gesellschaftlichen Anforderungen, gleichzeitig müssen sie sich mit ihrer Zukunft auseinandersetzen und lernen, auf eigenen Beinen zu stehen. Durch Erproben und Experimentieren mit verschiedenen Rollen soll der Heranwachsende mit Ausgang der Jugendphase schließlich ‘seinen Platz in der Gemeinschaft als rationaler, reflektierender und sich seines Handelns bewusster Erwachsener gefunden haben’ (ebd., S.41). Die Entstehung einer individuellen Persönlichkeit infolge der erfolgreich abgeschlossenen Jugendphase ist ein entsprechend durch Krisen und Schwierigkeiten gekennzeichneter Prozess. Der Heranwachsende sieht sich in dieser Zeit gleichzeitig einer Fülle von Aufgaben und Entwicklungsproblemen gegenübergestellt: ‘Rasches Körperwachstum, beginnende Geschlechtsreife und die jeweiligen Reaktionen der Umwelt führen dazu, daß der junge Mensch sich vermehrt mit sich und seiner Umwelt auseinanderzusetzen beginnt, die Inhalte der frühen Sozialisation in Frage stellt und sich selbst zu erkennen versucht. Er ist in erster Linie damit beschäftigt, seine sozialen Rollen zu festigen, d.h.: er ist daran interessiert, was andere von ihm denken und erwarten, wie andere ihn sehen und ihn einschätzen. Er macht sich große Gedanken über seine Person, über sein zukünftiges Leben und seine zukünftige Stellung in der Gesellschaft’ (Schäfers 2001, S.70). Insbesondere die Medien liefern hier Anhaltspunkte für die Ausbildung einer eigenen Identität. Stars sowie irreale Fernsehfiguren werden angehimmelt, sie dienen inzwischen vor allem dort als Vorbilder und Idole, wo es an realen Bezugspersonen in unserer Gesellschaft oft fehlt. Der Begriff ‘Identität’ ist inzwischen häufig gefallen. Im Folgenden soll er nun näher betrachtet werden um schließlich Unterschiede zwischen einer ‘klassischen’ und einer ‘postmodernen’ Identität herauszufiltern. 3.1, Zum Verständnis: Was bedeutet ‘Identität’?: Identität ist mittlerweile zu einem inflationär verwendeten und breit diskutierten Begriff geworden (vgl. Keupp 1998, S.7). Zu klären bleibt die Frage, was unter ‘Identität’ nun eigentlich zu fassen ist! Als ein wichtiger Identitätstheoretiker gilt Erikson, er definiert den Terminus folgendermaßen: ‘Identität ist das Bewusstsein, ein unverwechselbares Individuum mit einer ganz eigenen Lebensgeschichte zu sein, in seinem Handeln eine gewisse Konsequenz zu zeigen und in der Auseinandersetzung mit anderen eine Balance zwischen individuellen Ansprüchen und sozialen Erwartungen gefunden zu haben’ (Abels 2006, S.254). Identität bedeutet demnach, dass jedes Gesellschaftsmitglied als Individuum wahrgenommen wird und eine eigene Persönlichkeit entwickelt, indem es sich auf seine individuell gemachten Erfahrungen besinnt und Konsequenzen aus seinem Handeln zieht. Um als gesellschaftsfähig angesehen werden zu können, muss ein jeder im Sinne gesellschaftlich geltender Werte und Normen handeln. Identität bedeutet, sich an geltende Regeln zu halten und gleichzeitig zu seinem Selbst zu stehen. An dieser Stelle wird deutlich, dass Identität nicht in einem kurzen Satz zu erklären ist. Erikson beschreibt sie als ein Gefühl (Mey 1999, S.26), dass jeder gesellschaftsfähige Mensch innehat. Im Zuge des Erwachsenwerdens probieren die Jugendlichen sich aus, testen ihre Grenzen und erkennen gesellschaftlich geltende Gesetze sowie Werte und Normen, an die sie sich zu halten haben. ‘Identität ist die Antwort auf die Frage ‚Wer bin ich?’, […]’ (Keupp 1998, S.7). Unklar bleibt, wie präzise diese Frage in hoch komplexen Gesellschaften, die sich durch Unstetigkeit auszeichnen, überhaupt noch zu beantworten ist! Identität ist kein starres Konstrukt. Durch ständigen wechselseitigen Austausch mit anderen erhält das Individuum Rückmeldungen über sein Verhalten, folglich kann es seine individuelle Identität entwickeln und ausbauen: ‘Identität hat deshalb von allem Anfang an Arbeitscharakter, lebt von einem Subjekt, das sich aktiv um sein Selbst- und Weltverhältnis zu kümmern hat. Es entwirft und konstruiert sich seine Selbstverortung, und es bedarf der Zustimmung der anderen zu seinen Entwürfen und Konstruktionen’ (ebd. 2006, S.27). Insbesondere in einer modernisierten Gesellschaft wie der unseren wird von jedem Menschen eine gewisse Flexibilität erwartet. Weiterhin es ist wichtig, seine Weltanschauungen gegebenenfalls zu revidieren, insbesondere dann, wenn es um die eigene Lebensplanung geht. ‘Mit den Erfahrungen der aktuellen Handlung kann die eigene Identität überprüft und möglicherweise den Anforderungen, die sich durch gesellschaftlich- historische, kulturelle und soziale Entwicklungen ergeben, angepasst werden’ (Hoffmann 2004, S.160). Hier wird zudem deutlich, dass Identität immer im sozialen Austausch mit anderen entsteht, das Subjekt tritt in Interaktionen. George Herbert Mead spricht von zwei Komponenten der Identität, die eng miteinander in Verbindung stehen und schließlich gemeinsam das ‘Self’, die Identität des Menschen, bilden. Differenziert wird der Begriff der Identität demnach zum einen in persönliche Identität (Charakterzüge, Interessen und Hobbys), das ‘I’, und zum anderen in soziale Identität (Verwandte, Freunde und andere soziale Kontakte), das ‘Me’. Durch Interaktionen positioniert sich jeder Mensch in der Gesellschaft und hebt sich gleichzeitig von den anderen ab (vgl. Hoffmann 2004, S.159 und Palfrey/Gasser 2008, S.19). Während das ‘Me’ nach Mead ‘die von anderen übernommenen Einstellungen’ (Keupp 2006, S.95) impliziert, ist das ‘I’ ‘die individuelle Antwort auf die Erwartungen der anderen’ (ebd.). Diese, nach Mead definierten Identitäten sind nicht starr, sondern vielmehr wandeln sie sich mit jedem neu entdeckten Interesse, dem eine Person nachgeht (vgl. Palfrey/Gasser 2008, S.19). Nun stellt sich die Frage, ob es sich mit dem Identitätswechsel heutzutage noch immer so verhält. Sind die persönlichen Einstellungen und Verhaltensweisen so leicht abzulegen und veränderbar wie Mead es beschreibt? Zu Zeiten vor unserer heutigen postmodernen Gesellschaft verhielt sich der Identitätswandel wie folgt: Die soziale Identität konnte leicht verändert werden, indem die Person seinem Umfeld entfloh und in eine völlig neue Umgebung zog. ‘Wollte sich das Mädchen umfassend verändern, musste es also weit wegziehen- beispielsweise in eine andere Stadt, deren Einwohner mit den Bewohnern ihres bisherigen Wohnortes kaum in Kontakt standen. Wenn sie nur weit genug fortging, konnte sie ihre alte soziale Identität komplett ablegen’ (ebd., S.20). Durch einen simplen Ortswechsel konnten die Menschen moderner Gesellschaften sich also völlig neu erfinden und definieren, in Zeiten des technischen Fortschrittes, wie wir ihn heute vorfinden, ist dies allerdings nicht mehr so einfach. Inzwischen entsteht Identität nicht mehr nur in direktem Austausch mit anderen, sondern mithilfe der Medien existiert sie weiterhin auch in virtuellen Welten: ‘Ging man früher davon aus, dass sich Identität in direkter sozialer Interaktion entwickelt, muss man heute mediale Interaktionen hinzurechnen’ (Hoffmann 2004, S.157). Neue Entwicklungen wie das Internet erleichtern das Leben der Menschen in postmodernen Gesellschaften zwar ernorm, damit geht jedoch einher, dass die soziale Identität nicht mehr so leicht kontrollier- und wandelbar ist wie zuvor (vgl. ebd., S.162 und Palfrey/Gasser 2008, S.20). In der Realität bereits abgelegte Identitäten können in Internetplattformen wie StudiVZ oder Facebook weiterhin von anderen nachvollzogen werden. Behindert man durch diese Datenpreisgabe also die Weiterentwicklung- und Neuorientierung seiner Persönlichkeit? Wie kann der Begriff Identität heutzutage überhaupt noch gefasst werden? Mittlerweile wird von postmodernen Identitäten gesprochen (vgl. Roth-Ebener 2008, S.51). Charakteristische Merkmale dieser Identitäten einer postmodernen Gesellschaft hat Roth- Ebener in sieben Punkten kurz zusammengefasst herausgestellt: 1. Postmoderne Identitäten bestehen aus flexiblen Fragmenten. 2. Identität entsteht durch einen permanenten, aktiven Prozess des Konstruierens, durch ein nie vollendetes Arbeiten am eigenen Ich. 3. Postmoderne Identitäten setzen sich aus Teil-Identitäten zusammen, welche aus den unterschiedlichen Anforderungen des Lebens resultieren. 4. Die Teil- Identitäten stehen zueinander in einem (lockeren, flexiblen) Zusammenhang (Kohärenz und Kontinuität). 5. Die Konstruktion von Identität in der Postmoderne beinhaltet die Chance auf mehr Freiheit und Selbstgestaltung, aber auch das Risiko, sich in der Vielfalt von Möglichkeiten zu verlieren oder dem ökonomischen Druck nicht standzuhalten. 6. Die Konstruktionen von Identität hängen ab von den zur Verfügung stehenden Ressourcen und Kompetenzen. Gesellschaftliche Machtstrukturen schränken die Möglichkeiten der Ich- Bildung von Individuen ein. 7. Der Körper dient in der Postmoderne als Schauplatz für Experimente und als Material für die individuelle Bastelidentität’ (Roth-Ebener 2008, S.51). Es gibt inzwischen massenhaft theoretische Konzepte zum Thema Identitätskonstruktion in der Postmoderne. Im Folgenden möchte ich zwei moderne Theorien vorstellen, zum einen, um die heutigen Jugendlichen und ihre Standpunkte besser verstehen zu können und zum anderen, um den hier angeführten Punkten zur postmodernen Identität einen Rahmen zu geben.
Johanna-Luise Rühle, Jahrgang 1987, schloss ihr Studium der Erziehungswissenschaft, Schwerpunkt Außerschulische Jugendbildung an der Justus-Liebig-Universität Gießen im Jahre 2011 mit dem akademischen Grad ‘Master of Arts’ erfolgreich ab. Bereits während des Studiums sammelte die Autorin umfassende praktische Erfahrungen im praktischen wie wissenschaftlichen Bereich der Pädagogik des Jugendalters.
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