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Sozialwissenschaften


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Produktart: Buch
Verlag:
Bachelor + Master Publishing
Imprint der Bedey & Thoms Media GmbH
Hermannstal 119 k, D-22119 Hamburg
E-Mail: info@diplomica.de
Erscheinungsdatum: 08.2014
AuflagenNr.: 1
Seiten: 40
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback

Inhalt

Die 2006 als Vordiplomsarbeit angefertigte und 2014 als Buch veröffentlichte Studie fragt danach, ob Ganztagsschulen einen Beitrag zur Bewältigung der sozialen Ungleichheit im deutschen Bildungswesen leisten können. Die Arbeit weist zwei Schwerpunkte auf. Der erste Teil fokussiert das Ausmaß und die Ursachen sozialer Bildungsungleichheiten in Deutschland. Dazu werden die bildungssoziologischen Ansätze von Raymond Boudon und Pierre Bourdieu kontrastiert und in der Auseinandersetzung mit dem Forschungsstand familiale Sozialisation und institutionelle Strukturen als wichtige Ursachenkomplexe herausgearbeitet. Der zweite Teil der Studie wendet sich der Ganztagsschule zu. Nach einer kurzen Skizze ihrer Entwicklung und Expansion in Deutschland wird ihr Potential zum Abbau sozialer Bildungsungleichheiten betrachtet. Dafür werden zentrale Charakteristika der Ganztagsschule aus der bildungssoziologischen Perspektive danach befragt, ob von ihnen eine Verringerung sozialer Bildungsungleichheiten zu erwarten ist. Dabei zeigt die Studie, dass die Ganztagsschule durchaus die Bildungschancen sozial benachteiligter Kinder verbessern kann, sie jedoch nicht das Wundermittel ist, als das sie in mancher Diskussion dargestellt wird.

Leseprobe

Textprobe: Kapitel 4, ANNÄHERUNG DER BILDUNGSCHANCEN DURCH DIE GANZTAGSSCHULE?: 4.1, Entwicklung von Ganztagsschulen in Deutschland: Im 19. Jahrhundert war in Deutschland wie in vielen anderen Staaten eine ganztägige Organisation der Schule üblich, bei der an Vor- und Nachmittag unterrichtet wurde und die Schüler in der Mittagspause zum Mittagessen nach Hause gingen. Dass sich daraus in Deutschland die Halbtagsschule entwickelte, hatte mehrere Ursachen (vgl. Radisch/Klieme 2003: 19-21): Erstens ging es darum, dass die Kinder nachmittags in Landwirtschaft oder Haushalt mithelfen konnten, zweitens entstand Halbtagsunterricht zunächst vielerorts aus Personal- und Raumnot, drittens wurde gerade in der höheren Bildung angesichts umfassender Lerncurricula vor der ‘Überbürdung’ der Schüler gewarnt, und viertens war es Ziel konservativer Politik, Schule auf Unterricht zu beschränken und Erziehung den Familien vorzubehalten (vgl. Gottschall/Hagemann 2002: 15f.). Zwar gab es in Deutschland trotzdem immer auch ganztägige Schulangebote, die aber nur sehr wenige Schüler erfassten. Die Ganztagsschule war im 20. Jh. jedoch wiederholt als Gegenmodell in der bildungspolitischen Diskussion, zumeist war sie dabei mit reformpädagogischen Konzepten verbunden (vgl. auch Ludwig 2004). Zu einem ersten Aufschwung von Ganztagsschule trugen die Empfehlungen des Deutschen Bildungsrates von 1968/1969 bei, in denen Ganztagsschule vor allem mit dem Ziel, Chancengleichheit herzustellen, begründet wurde (vgl. Radisch/Klieme 2003: 19-26 Kiper 2005: 173f.). Ganztagsschulen waren häufig zugleich als integrierte Gesamtschulen konzipiert. Erst das Investitionsprogramm des Bundes 2002 führte dazu, dass sich die für die Bildungspolitik zuständigen Bundesländer auf breiter Ebene intensiver mit der Thematik auseinandersetzten (vgl. Fees 2005: 125-127) und eine deutliche Ausweitung von Ganztagsschulangeboten festzustellen ist. 2002 gab es in Deutschland an 4.951 Verwaltungseinheiten Ganztagsbetrieb, das entspricht einem Anteil von 16,3 % aller Verwaltungseinheiten. Dabei nahmen 9,8 % aller Schüler an allgemeinbildenden Schulen an Ganztagsangeboten teil. 2004 boten bereits 6.810 Verwaltungseinheiten einen Ganztagsbetrieb an (das sind 23,2 % aller Verwaltungseinheiten), und über eine Millionen Schüler – das sind 12,5 % aller Schüler allgemeinbildender Schulen – nahmen daran teil (vgl. KMK 2006: 6f 15). In den ersten beiden Jahren der Laufzeit des Investitionsprogramms wurde die Zahl der an Ganztagsangeboten teilnehmenden Schüler also bereits um 25 % erhöht. 4.2, Was ist Ganztagsschule?: Auch im bisherigen System der Halbtagsschule werden, gerade in höheren Klassen, aus schulorganisatorischen Gründen Unterrichtsstunden auf den Nachmittag verschoben. Auch zusätzliche Projektangebote (etwa Schulchor, Theatergruppe und anderes.) finden gewöhnlich nachmittags statt. Aus diesem Grund ist die Frage, wie Ganztags- und Halbtagsschule voneinander abgegrenzt werden können, keineswegs überflüssig. Zur Definition von Ganztagsschule gibt es verschiedene Ansätze. Die wichtigsten stammen von der Kultusministerkonferenz (KMK) sowie vom Ganztagsschulverband. Für die KMK ist eine Schule dann Ganztagsschule, wenn erstens an mindestens drei Tagen in der Woche ein Ganztagsangebot von insgesamt mindestens sieben Zeitstunden besteht, zweitens an den Tagen mit Ganztagsbetrieb ein Mittagessen bereitgestellt wird und drittens die nachmittäglichen Angebote in Absprache und unter Verantwortung der Schulleitung durchgeführt werden ‘und in einem konzeptionellen Zusammenhang mit den Vormittagsschulen stehen’ (zitiert nach Kiper 2005: 175). Die Definition der KMK eröffnet einen großen Spielraum für die konkrete Ausgestaltung und Organisation von Ganztagsschulen. Die KMK unterscheidet dabei die voll gebundene Form, bei der das Ganztagsangebot für alle Schüler verpflichtend ist, die teilweise gebundene Form, bei der sich nur ein Teil der Schüler zur Teilnahme verpflichtet, und die offene Form, bei der die Teilnahme freiwillig und jeweils nur für ein Halbjahr verbindlich ist (vgl. Radisch/Klieme 2003: 12). Weitergehend ist die Definition des Ganztagsschulverbandes. Dieser bezeichnet Schulen, die mindestens einmal pro Woche, eventuell gemeinsam mit außerschulischen Trägern, ein Angebot mit Mittagsversorgung leisten, als Halbtagsschulen mit Nachmittagsangebot. Ganztagsschulen dagegen müssen an mindestens vier Wochentagen ein Angebot von je mindestens sieben Zeitstunden aufweisen, die Mittagsversorgung sicherstellen, einen konzeptionellen Zusammenhang zwischen Vor- und Nachmittagsprogramm herstellen und weitergehende Lernangebote, Fördermaßnahmen, Hausaufgaben und Freizeitangebote in die Konzeption integrieren. Unterschieden werden weiter offene und gebundene Ganztagsschulen: Gebundene Ganztagsschulen haben ein verpflichtendes Ganztagsangebot, bei dem der Unterricht auf Vor- und Nachmittag verteilt und rhythmisiert wird. Dagegen haben offene Ganztagsschulen nur vormittags verpflichtenden Unterricht, während nachmittags Freizeit-, Förderungs- und Projektangebote fakultativ angeboten werden (vgl. Radisch/Klieme 2003: 10f.). 4.3, Teilnahme an Ganztagsschulen in Deutschland: In Deutschland gibt es eine große Vielfalt an unterschiedlichen Konzeptionen von Ganztagsschulen im Rahmen des weiten Begriffsverständnisses der Kultusministerkonferenz. Diese Vielfalt liegt besonders darin begründet, dass die Länder im Bereich der Schulpolitik die alleinige Gesetzgebungs- und Verwaltungskompetenz innehaben. Ihnen steht es auch zu, die konkreten Anforderungen an Schulen, die einen Ganztagsbetrieb einrichten möchten, zu formulieren. Von gemeinsam festgelegten, relativ offen formulierten Mindestanforderungen abgesehen, wie sie in der vorgestellten Definition der Kultusministerkonferenz zum Ausdruck kommen, gibt es keine zentralen Konzepte oder Regelungen, wie Ganztagsschulen auszugestalten sind. So treten zwischen den Ländern sehr große Unterschiede sowohl in der Konzeption von Ganztagsschulen als auch in dem Ausmaß, in dem Ganztagesplätze bereitgestellt werden, auf. Unterschiede gibt es allein schon darin, wie die einzelnen Länder die verschiedenen Organisationsformen von Ganztagsschulen bezeichnen, da sie dabei teils deutlich von der oben vorgestellten Definition abweichen. Gemeinsam ist allen Ländern, dass Ganztagsschulen auf den Bereich der Primarstufe und der Sekundarstufe I beschränkt sind und dass die Schüler ein Mittagessen erhalten. Die Ausstattung mit Ganztagsschulen ist in den Ländern höchst unterschiedlich. Der Anteil der Schüler, der an Ganztagsangeboten (ohne Sonderschulen) teilnimmt, lag 2004 im Schnitt bundesweit bei 15 %. Thüringen (29 %), Berlin (23 %) und Sachsen (21 %) wiesen weit überdurchschnittliche Besuchsquoten auf, während Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz (je 7 %), das Saarland (5 %) und Bayern (2 %) am unteren Ende rangieren (vgl. KMK 2006: 17). Herausragend ist der Anteil der Schüler, die an Ganztagsschulen teilnehmen, an integrierten Gesamtschulen (69 %) und an Sonderschulen (35 %). Weiterhin nahmen 14 % der Hauptschüler, aber nur jeweils 7 % der Grundschüler und der Gymnasiasten Ganztagsangebote wahr (vgl. KMK 2006: 9). Zwar sind insgesamt 61 % aller Ganztagsschüler in Schulen der (ganz oder teilweise) gebundenen Form, dies darf jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass bei Grundschulen, aber auch bei Orientierungsstufen, Realschulen und Gymnasien der überwiegende Teil der Ganztagsangebote in offener Form organisiert ist. Bei Hauptschulen ist der Anteil offener und gebundener Formen 2004 relativ ausgeglichen, lediglich bei integrierten Gesamtschulen und Sonderschulen ist ein Großteil der Schulen in gebundener Form organisiert. Gerade in der Grundschule nimmt nur ein kleiner Teil (18 %) aller Ganztagsschüler an gebundenen Formen teil (vgl. KMK 2006: 11 18 31*).

Über den Autor

Christine Tausch, Diplom-Pädagogin, studierte Erziehungswissenschaft an der Philipps-Universität Marburg.

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