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Christoph Pfeiffer

Mikrokredite: Eine ökonomische Analyse

ISBN: 978-3-95485-146-1

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Produktart: Buch
Verlag:
Igel Verlag
Imprint der Bedey & Thoms Media GmbH
Hermannstal 119 k, D-22119 Hamburg
E-Mail: info@diplomica.de
Erscheinungsdatum: 08.2014
AuflagenNr.: 1
Seiten: 88
Abb.: 17
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback

Inhalt

Die Frage ‚Warum fließt Kapital nicht von reichen zu armen Menschen? ‘ gab die Anregung zu dieser Arbeit, welche als eine Erklärungsansatz für die Unvollkommenheit des Kreditmarktes liefert. Während es bei der Kreditvergabe in den Industrieländern kaum noch Probleme gibt, weisen die Kreditnachfrager und -anbieter in den Entwicklungsländern dafür umso mehr auf. Vor allem sind die besitzlosen, unteren Einkommensschichten betroffen, da sie oftmals keinen Zugang zum formellen Kreditmarkt haben und deshalb nur auf informelle Kreditgeber angewiesen sind, die jedoch hohe Zinsen fordern und sich bei Kundenauswahl sehr selektiv verhalten. Nach gescheitertem Lösungsversuch mit subventionierten Kreditprogrammen (Mikrokreditprogramme erster Generation) kann man momentan überraschenderweise ein rasantes Wachstum von Mikrofinanzinstitutionen (MFI) beobachten. Am häufigsten kommen dabei Gruppenkredite vor, die als Synonym für Mikrokredite verstanden werden können und den Banken, sogar ohne Subventionen, hohe Rückzahlungsraten sicher stellen, ohne dabei die Verhältnismäßigkeit von Aufwand und Nutzen aus den Augen zu verlieren. In dieser Arbeit werden die Ergebnisse und Arbeitsweisen der Mikrokreditprogramme kritisch analysiert, Vor- und Nachteil von Gruppen- und Individualkrediten gegenübergestellt und die Frage beantwortet, welchen Einfluss soziale Bedingungen innerhalb der Gruppe auf die Rückzahlungsrate haben.

Leseprobe

Textprobe: Kapitel 8, Gruppenkredite: 8.1, Individuelle Kreditvergabe versus Gruppenkredite: Eine grundlegende Entscheidung, die jede MFI zu treffen hat, ist die Wahl der Kontraktform, zu der Kredite vergeben werden. Vergibt sie lediglich Kredite an Gruppen, deren Mitglieder füreinander haften, vergibt sie Kredite an Individuen, die für sich selbst verantwortlich sind oder betreibt sie eine Mischung aus beidem? In theoretischen Modellen konnten eine Vielzahl von Vorteilen, die die Einführung von Gruppenkrediten mit sich bringt, herausgearbeitet werden. Durch Gruppenkredite werden Informations- und Durchsetzungsprobleme abgemildert (vgl. Abschnitt 6). Ein Großteil der Forschung zu dem Thema hat sich lange Zeit darauf konzentriert, wie es durch Gruppenkredite möglich wird, hohe Rückzahlungsraten herbei zu führen. Dabei sollte nicht vergessen werden, dass eine Wohlfahrtssteigerung der Kreditnehmer doch das eigentliche Ziel aller Kreditprogramme ist. Teilweise erweckt die Vehemenz, mit der die Vorteile von Gruppenkrediten vertreten werden, jedoch den Eindruck es handele sich um eine Art Wunderkur gegen Armut. Dem steht jedoch ein eher gemischtes Abschneiden der MFI gegenüber, die Gruppenkredite mit gemeinsamer Haftung vergeben. Hinzu kommt, dass verschiedene MFI sich von Gruppenkrediten abgewendet haben und zu einer individuellen Kreditvergabe übergegangen sind. Besonders zu erwähnen ist, dass selbst die Grameen Bank die Kreditvergabe weniger streng an der gemeinsamen Haftung der Gruppenkredite orientiert und damit den wahrgenommenen Nachteilen der gemeinsamen Haftung von Gruppenkrediten Rechnung trägt. Trotz dieser Tendenz ist anzumerken, dass immer noch der überwiegende Teil aller Mikrokredite als Gruppenkredit vergeben wird. Häufig kritisiert werden die hohen Transaktionskosten, die Gruppenkredite sowohl für die MFI als auch für den Kreditnehmer mit sich bringen. Teilweise müssen die Kreditnehmer sehr lange Wege in Kauf nehmen, um an den obligatorischen Gruppentreffen teilzunehmen. Ein weiterer Kritikpunkt ist der soziale Druck, der durch gemeinsame Haftung entsteht und sogar in körperlicher Gewalt münden kann.149 Zudem wird soziales Kapital in Form von persönlichen Beziehungen möglicherweise zerstört, was in Krisenzeiten dann nicht mehr als Versicherung funktionieren kann. Besely und Coate führen an, dass Individuen, die bei individuellen Krediten ihren Kredit begleichen würden, c.p. dies bei Gruppenkrediten möglicherweise nicht tun. Bei ausreichenden sozialen Sanktionsmechanismen würde sich die Rückzahlungsrate jedoch insgesamt verbessern (vgl. Abschnitt 6.2.3). Auf der anderen Seite wäre es auch denkbar, dass Individuen sich für ein risikoreicheres Projekt entscheiden, weil sie davon ausgehen, dass die anderen Gruppenmitglieder den Kredit für sie begleichen. Gruppenkredite bringen Nachteile für besonders zuverlässige Kreditnachfrager mit sich, da diese besonders oft gezwungen sind, die Schulden ihrer Partner zu begleichen. Ein weiteres Argument, das gegen Gruppenkredite vorgebracht wird, besagt, dass die Screening-, Monitoring- und Durchsetzungskosten, die durch gemeinsame Haftung auf die Gruppe transferiert werden, zu hoch sind, um von den Individuen getragen zu werden. Außerdem seien Kreditvergaben, die wirtschaftliches Wachstum mit sich bringen, nur mit Individuen möglich, die in der Lage sind einen Pfand aufzubringen. Ein weiterer Nachteil von Gruppenkrediten, der sich besonders auf Individuen mit dynamischen Geschäftsplänen auswirkt, entsteht durch ein bei Gruppenkrediten üblicherweise relativ starres Reglement. Ergibt sich aus einem schnell wachsenden Geschäft eine genauso schnell steigende Kreditnachfrage, kann diese evtl. bei Gruppenkrediten nicht gedeckt werden. Individualkredite können in Bezug auf Kredithöhe und Rückzahlungsmodalitäten flexibler an die Bedürfnisse des Kreditnehmers angepasst werden. Dementsprechend müssten Individuen mit dynamischen Geschäftsaussichten individuelle Kredite bevorzugen. Das starre Reglement der Gruppenkredite wirkt sich auch negativ auf Kreditnehmer aus, die ihre Schulden unverschuldet, also z.B. auf Grund von Krankheit, Diebstahl, oder schlechten Marktbedingungen, nicht begleichen konnten. Qualitative Forschung legt den Schluss nahe, dass inflexible Strafen möglicherweise übermäßig hart sein könnten. Der Hauptkritikpunkt, der gegen Individualkredite vorgebracht wird, besagt, dass die Erfordernis eines Pfandes das Erreichen ärmerer Schichten unmöglich macht. In einer der ersten empirischen Untersuchungen zum Thema Gruppenkredite untersucht Wenner Daten der Fundacion Integral Campesina (FINCA) in Costa Rica. Er kommt zu dem Ergebnis, dass niedergeschriebene Regeln offenbar einen größeren Einfluss auf die Rückzahlungsrate haben als Gruppenkredite. Außerdem scheint eine bessere Infrastruktur sich negativ auf die Rückzahlungsrate auszuwirken, was auf die bessere Verfügbarkeit alternativer Kreditbezugsmöglichkeiten zurückgeführt wird (vgl. Abschnitt 7.1). Zwar haben Gruppenkredite durch Ausnutzen von Monitoring- und Screeningeffekten innerhalb der Gruppe eine positive Wirkung auf die Rückzahlungsrate. Dieser Vorteil sei aber gegen die verschiedenen Nachteile von Gruppenkrediten abzuwägen. Cull et al. untersuchen in einer neueren Studie 124 MFI aus 49 verschiedenen Ländern. Die Daten sind allesamt dem MicroBanking Bulletin entnommen. Ziel ihrer Analyse ist es, die Frage zu beantworten, weshalb die hohen Rückzahlungsraten, die von MFI auf breiter Basis erzielt werden, bisher nicht in allgemeiner Profitabilität gemündet haben. Dazu unterteilen sie die untersuchten MFI in drei Gruppen: (1) MFI, die Gruppenkredite vergeben, (2) Dorfbanken und (3) MFI, die individuelle Kredite vergeben. Während die Unterscheidung zwischen (1) und (3) offensichtlich ist, ist die Abgrenzung der Dorfbanken erklärungsbedürftig. Dorfbanken vergeben Kredite ebenfalls auf Basis von Gruppenhaftung, allerdings sind die Gruppen generell größer als bei (1).159 Die Auswertung der Daten ergibt, dass MFI, die individuelle Kredite vergeben, bei einem höheren Zinssatz zwar ihre Profitabilität erhöhen, jedoch nur bis zu einem bestimmten Punkt. Dies spricht für die Existenz einer nach unten gebogenen Kreditangebotskurve der Bank (in einem Zins, Kredithöhediagramm) im Sinne von Stiglitz und Weiss (vgl. Abschnitt 3.1.3). Bemerkenswert ist, dass dieser Zusammenhang bei MFI, die Kredite auf der Basis gemeinsamer Haftung vergeben, nicht zu bestehen scheint, was darauf hindeutet, dass Gruppenkredite tatsächlich die in Abschnitt 3 geschilderten Probleme lösen.160 Institutionen, die Kredite mit individueller Haftung vergeben, können ihre Profitabilität steigern, indem sie ihre Personalausgaben ausweiten. Im Kontext von Informationsproblemen lässt dies den Schluss zu, dass bei individueller Kreditvergabe höher qualifiziertes Personal notwendig ist, um Monitoring- und Screeningtätigkeiten durchzuführen, die im Gegensatz zur gemeinsamen Haftung nicht mehr gruppenintern stattfinden. Dieses Ergebnis wird durch anekdotische Berichte der Microfinance Bank of Georgia (MGB) illustriert, die sich zur Lösung von Moral Hazard Problemen auf ihr qualifiziertes Personal verlässt und auf Gruppenhaftung verzichtet. Zwar liefert die Studie Hinweise, dass Informationsprobleme durch Gruppenkredite effektiv gelöst werden. Dies alleine ist aber noch keine ausreichende Begründung für eine generelle Überlegenheit von Gruppenkrediten, da sie nicht die einzige Möglichkeit sind, Informationsprobleme zu lösen (vgl. Abschnitt 7). Institutionen mit individueller Kreditvergabe scheinen insgesamt profitabler zu arbeiten. Außerdem gibt es Anzeichen für einen umgekehrten Mission Drift bei MFI, die individuelle Kredite vergeben. ‘Financially self-sustaining individual-based lenders tend to have smaller average loan size and lend more to women, suggesting that pursuit of profit and outreach to the poor can go hand in hand.’ Dieser Zusammenhang besteht bei Institutionen, die Kredite mit gemeinsamer Haftung vergeben, nicht. Dementsprechend erscheint individuelle Kreditvergabe das Versprechen von Mikrofinanz, Profitabilität und Armutsbekämpfung zu vereinen, eher zu erfüllen als die oft mit Mikrofinanz synonym verstandenen Gruppenkredite. Die Befürchtung, dass bei individueller Kreditvergabe ärmere Schichten nicht zu erreichen sein, wird damit anscheinend gegenstandslos. Dennoch müssen ebenfalls die Kontexte beachtet werden, unter denen die Kredite vergeben werden. Gruppenkredite können unter bestimmten Umständen den individuellen Krediten überlegen sein und umgekehrt. Es wurden theoretische Modelle entwickelt, aus denen sich ergibt, dass Gruppenkredite von ärmeren und individuelle Kredite von wohlhabenderen Individuen bevorzugt werden. Vigenina und Kritikos stellen fest, dass die Wahl des Kreditkontraktes nicht alleine von dem Vermögen des Individuums abhängt. Selbst Kreditnachfrager mit ausreichend hohem Vermögen für die Besicherung eines individuellen Kredites, fragen zu einem bestimmten Anteil (ca. 11%), Gruppenkredite nach. Diese Individuen erzielen offenbar einen positiven Nutzen aus Gruppenkrediten. ‘These borrowers may also derive positive utility out of group contracts: Peer support works like an insurance against repayment problems of a borrower. If he had to manage his problems independently, as in the individual approach, he might have failed.’ Es wäre interessant zu wissen, welche Art von Kreditnehmern, die finanziell ausreichend ausgestattet sind, um einen individuellen Kredit zu beantragen, sich dennoch für einen Gruppenkredit entscheiden. Eine mit dem adversen Selektionsmodell aus Abschnitt 6.1.1 konsistente Hypothese lautet, dass sich besonders Individuen mit risikoreichen Projekten für Gruppenkredite interessieren, wenn sie die Wahl zwischen individueller und gemeinsamer Haftung haben. Die Hypothese bleibt empirisch zu überprüfen. Giné und Karlan untersuchen die Green Bank of Caraga (GBC) in Philippinen und nutzen dabei ein von der GBC durchgeführtes Experiment, um den Einfluss individueller Kreditvergabe und Gruppenkrediten auf die Rückzahlungsrate zu bestimmen. Die Individuen gingen anfänglich davon aus, dass sie einen Gruppenkredit mit gemeinsamer Haftung erhalten würden. Erst nach der Gruppenbildung wurde ihnen mitgeteilt, dass sie Kredite mit individueller Haftung erhalten würden. Dadurch können Selektionseffekte ausgeschlossen werden, so dass alle Auswirkungen auf die Rückzahlungsrate damit aus Anreizeffekten resultieren. Das überraschende Ergebnis ist jedoch, dass sich die Rückzahlungsrate trotz der Einführung von Individualkrediten nicht verschlechtert. Insgesamt steigt die Kreditnachfrage bei individueller Haftung jedoch. Dies deutet an, dass Kundenreichweite und Profitabilität sich möglicherweise besser mit Individualkrediten erreichen lassen. Allerdings ist zu beachten, dass nur Anreizeffekte untersucht wurden. Andere Untersuchungen haben ergeben, dass Selektionseffekte einen positiven Einfluss auf die Rückzahlungsrate haben. Außerdem ist die Untersuchung regional auf die Philippinen beschränkt. Weitere Studien in anderen Kontexten unter Einbeziehung von Selektionseffekten, sind notwendig, um die Ergebnisse zu überprüfen. Es gibt viele Gründe, die für eine Überlegenheit von Individualkrediten sprechen. An dieser Stelle soll jedoch noch einmal darauf hingewiesen werden, dass der Gruppenkredit nicht nur ein Kollateralsubstitut ist, sondern für einige Individuen anscheinend einen positiven Nutzen generiert. Im Idealfall bietet die MFI beide Kontraktformen an. Denkbar ist beispielsweise eine anfängliche Vergabe von Gruppenkrediten bei unzureichendem Pfand und danach, wenn entsprechender Bedarf besteht, eine Umstellung auf Individualkredite. Damit könnten auch ärmere Individuen mit dynamischen Geschäftsperspektiven von Individualkrediten profitieren, wenn sie ihre Kreditwürdigkeit bewiesen haben.

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