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Produktart: Buch
Verlag:
Igel Verlag
Imprint der Bedey & Thoms Media GmbH
Hermannstal 119 k, D-22119 Hamburg
E-Mail: info@diplomica.de
Erscheinungsdatum: 05.2014
AuflagenNr.: 1
Seiten: 116
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback

Inhalt

Für die islamischen Finanzinstitute legen der Koran und die Sunna die religiösen und rechtlichen Rahmenbedingungen fest und bilden auch das soziale und ethische Fundament für das gesamte islamische Finanzwesen. Dessen wichtigstes Merkmal ist, dass Geldzinsen grundsätzlich nicht statthaft, ja sogar verboten sind. Ein Geschäftsmodell, bei dem Zinsen für vergebene Darlehen verlangt und auf die Einlagen des Kunden gezahlt werden, kommt für eine konforme Bank nicht in Frage. Noch problematischer ist die Situation für Versicherungsunternehmen, denn das konventionelle Versicherungsgeschäft ist absolut unzulässig. Neben dem Zinsverbot, welches auch die Versicherer mit ihren Kapitalanlagen betrifft, sind im Islam auch Glückspiel und bestimmte Formen von Unsicherheit in Verträgen verboten. Beispielsweise wird eine Lebensversicherung als Wette auf den Tod verstanden und ist damit weder aus ethischer noch aus rechtlicher Sicht ein im Islam zulässiges Produkt. Die religiösen Restriktionen führen dazu, dass islamische Finanzdienstleistungen für einen Außenstehenden nicht nur kompliziert klingen, sondern auf den ersten Blick auch wenig attraktiv erscheinen. Die Perspektive ändert sich allerdings, wenn man bedenkt, dass jeder vierte Mensch auf Erden ein Muslim ist.

Leseprobe

Textprobe: Kapitel 3, Der Markt und die Zielgruppe: Gegenwärtig leben ca. 1,5 Mrd. Menschen islamischen Glaubens auf der Erde, das entspricht fast 23 % der Weltbevölkerung, demnach ist fast jeder vierte Mensch auf dem Planeten ein Muslim - was den Islam zur zweitgrößten Weltreligion macht. Geographisch liegen die Kerngebiete mit islamischer Mehrheit im arabischen Raum und dieser wird traditionell in den nordafrikanischen ‘Maghreb’ (Westen) und in den arabischen ‘Maschrek’ (Orient) unterteilt. Interessanterweise liegen mit Indonesien, Pakistan, Indien und Bangladesch die vier Staaten, welche für fast die Hälfte aller Muslime eine Heimat darstellen, außerhalb des Ursprungsgebietes. Die ökonomischen Fakten sprechen indes eine sehr wechselhafte Sprache, zum einen zählen mit der Türkei, Saudi-Arabien und Indonesien derzeit drei islamisch geprägte Nationen zu den G-20 Staaten und neben Katar, mit 83.841 Int-$ / Jahr auf Platz 1, befinden sich mit Singapur, Brunei, Kuwait und den Vereinigten Arabischen Emiraten weitere 4 islamische Länder in den Top 20 beim kaufkraftbereinigten Bruttoinlandsprodukt pro Kopf des IMF. Zum anderen befinden sich allerdings am Ende dieser Liste mit Afghanistan, Bangladesch und Mauretanien die Armenhäuser der islamischen Welt mit weniger als 2.100 Int-$ / Jahr. Der rasante wirtschaftliche Aufschwung der arabischen Halbinsel ist eng mit den noch sprudelnden fossilen Rohstoffvorkommen dieser Region verknüpft, sowie die Förderung als auch der Export bilden damit den Großteil des Bruttoinlandproduktes dieser Staaten. Die Kaufkraft, welche sich für das Islamic-Finance-Marktpotenzial verantwortlich zeigt, ist in den Ländern der arabischen Halbinsel bereits vorhanden, und doch führen bisher die wenigsten Muslime ihre Bankgeschäfte Schari’a-konform durch. Dazu kommt, dass die Versicherungsdichte und vor allem die Versicherungsdurchdringung (das prozentuale Verhältnis zwischen Prämieneinnahmen und BIP) der islamischen Staaten signifikant unter den Werten ähnlich entwickelter Nationen liegen. Wie dieses Marktpotenzial für den europäischen Islamic-Finance-Markt aussehen könnte, darüber soll die anschließende Markt- und Zielgruppenanalyse Aufschluss geben. 3.1, Die Marktanalyse: 2008 verwalteten weltweit über 300 private islamkonforme Finanzdienstleister ein Gesamtanlagevermögen von ca. 200 Mrd. US-$, dazu zählen Banken, Erst- und Rückversicherer (Takaful- und Retakaful-Operatoren) und die als Islamic Windows bezeichneten Tochtergesellschaften konventioneller Unternehmen. Der Markt wächst seit dem Jahr 2000 kontinuierlich im zweistelligen Prozentbereich und die folgenden vier Kennzahlen unterlegen dies eindrucksvoll: 1. Islamic Banking Assets stiegen um +17% CAGR von 2004 mit 260 Mrd. US-$ bis 2008 auf 487 Mrd. US-$. 2. Emissionsvolumen Sukuk stiegen um + 88% CAGR von 2001 mit 1 Mrd. US-$ bis 2008 (Prognose) auf 49,1 Mrd. US-$. 3.Anzahl islamischer Fonds stieg um + 28% CAGR von 2000 mit 102 Anleihen bis 2009 auf 925 Anleihen. 4. Takaful Prämien stiegen um + 20,4% CAGR von 2004 mit 1,4 Mrd. US-$ bis 2010 (Prognose) auf 4,3 Mrd. US-$. Die Markperspektiven für Europa: Das Potenzial des europäischen Marktes für islamische Finanzdienstleistungen wird vor allem durch die nachgenannten Wachstumstreiber vorangeschoben: 1. In der EU leben derzeit ca. 15 Mio. Muslime, dies ist vor allem auf die Zuwan-derung seit den 1960er Jahre und Konversion zurückzuführen. Sie stellen damit nur 3% der gesamten EU-Bevölkerung, aber eine wachsende Minderheit dar. 2. Nur ca. 5% der in Deutschland lebenden Muslime nutzen Islamic Finance. 3. Die Marktdurchdringung für islamkonforme Finanzprodukte liegt bei 15% 4. Der deutsche Markt hat ein Gesamtvolumen von ca. 1,2 Mrd. Euro (Baufinanzierung 400 Mio., Konsumentenkredite 220 Mio. Euro und Geldanlagen 590. Mio. Euro). 5. Die religiösen Muslime würden als Neukunden gewonnen und nicht von konkurrierenden konventionellen Banken oder Versicherungen abgeworben. 6. In Deutschland lebende Muslime übertreffen mit einer Sparquote von 18% vom Nettoeinkommen deutlich den Bundesdurchschnitt von 10%. Folgende bestehende Wachstumsbremsen blockieren das Marktpotenzial: 1. Die gesetzlichen Rahmenbedingungen bspw. in Deutschland sind für islam-konforme Finanzprodukte noch nicht ausreichend reguliert, somit laufen Muslime u.a. bei islamischen Baufinanzierungen Gefahr, doppelt besteuert zu werden(In UK wurde dieses Hemmnis bereits 2003 beseitigt). 2. Das in Deutschland fehlende Produktangebot und die vereinzelt bestehende Sprachbarriere veranlassen potenzielle Kunden dazu, Finanzgeschäfte vorzugs-weise mit Instituten im Heimatland bzw. in deren raren deutschen Zweigstellen, wie im Falle der Kuveyt Türk Bank in Mannheim, abzuwickeln. 3. Aufgrund der hohen Attraktivität (Gewinnerwartung, langfristige Geschäfte) wird die Wettbewerbsintensität in Deutschland langfristig zunehmen. 4. Islam-Konformität ist kein Alleinstellungsmerkmal mehr, die Differenzierung wird daher für alle Anbieter von Finanzdienstleistungen immer wichtiger. Handlungsempfehlungen um das Marktpotenzial perspektivisch zu entwickeln: 1. Der rechtliche Rahmen muss vor allem in Deutschland, um einen fairen Wettbewerb wie in UK zu schaffen, vom Gesetzgeber reguliert werden. 2. Mangelndes Vertrauen und Sprachbarrieren können, wie die ‘Agenzia Tu’, ein Ableger der italienischen UniCredit, seit 2007 beweist, durch Bankmitarbeiter mit eigenem Migrationshintergrund ausgeräumt werden. 3. Durch Joint Ventures mit Partnern in Kernmärkten (VAE, Indonesien) könnten deutsche Finanzdienstleister ihr Produktentwicklungs- oder Vertriebs-Know-how einbringen und von den Marktmethoden der lokalen Partner vor Ort profitieren. 4. Konventionelle Kunden sollten über die spezifischen Unterschiede aufgeklärt werden, um die allgemeine Akzeptanz für islamkonforme Produkte zu erhöhen und diese als weitere Alternativen zum konventionellen Portfolio zu etablieren. 3.2, Die Zielgruppenanalyse: Die 15 Mio. Muslime in der EU (Vgl. Anl. 02), verteilen sich vor allem auf Frankreich, Deutschland, Großbritannien und die Niederlande. Warum sich der europäische Markt in unterschiedlichen Wachstumsphasen befindet, verdeutlicht die folgende Gegenüberstellung mit dem Fokus auf Deutschland und Großbritannien: Deutschland: Etwa 99,5 % von den in Deutschland lebenden ca. 4 Mio. Muslimen sind dauerhaft ansässige Ausländer oder besitzen einen Migrationshintergrund, dieser resultiert vor allem aus der staatlich initiierten Arbeitsmigration der BRD in den 1960er Jahren. Die Muslime in Deutschland stammen zwar aus 50 verschiedenen Herkunftsländern, die öffentliche Wahrnehmung bestimmt aber weitestgehend die 2,2 Mio. Mitglieder umfassende türkische Gemeinde, von denen nach eigener Aussage etwa 70% religiös und somit überwiegend sunnitischen oder alevitischen Glaubens sind. Durch die historische Verbundenheit mit Europa und die 1938 von Mustafa Kemal Atatürk in der Verfassung verankerte Abschaffung des Islams als Staatsreligion gilt die Türkei als laizistischer Staat und deren Bevölkerung als modern und weltlich offen. Das Vermögen der deutschen Muslime wird auf bis zu 25 Mrd. Euro, das Sparvolumen auf 1,6 Mrd. Euro und die Versicherungsprämien auf 1 Mrd. Euro geschätzt. Das Haushaltseinkommen liegt aber nur bei 71% des Bundesdurchschnitts. Aktuell tragen türkische Unternehmen in Deutschland etwa 2,3% zur Wirtschaftsleistung bei. Desweiteren wird ein signifikanter Rückgang der Geldtransfers in die Heimatländer verzeichnet, was bedeutet dass bis 2020 etwa 18 Mrd. zusätzlich in Deutschland investiert werden. Obwohl eine spürbare Nachfrage nach islamkonformen Produkten besteht, existiert derzeit kein zielgruppenaffines Produktportfolio auf dem deutschen Markt.

Über den Autor

Sven Gußmann, Dipl.-Kfm. (FH), wurde 1981 in Dresden geboren. Sein Studium der Betriebswirtschaftslehre an der Hochschule für Technik und Wirtschaft in Dresden schloss der Autor im Jahre 2010 erfolgreich mit dem akademischen Grad des Diplom Kaufmanns ab. Bereits während des Studiums sammelte der Autor erste praktische Erfahrungen in der Finanzbranche. Fasziniert von der arabischen Kultur und Sprache, verbrachte der Autor mehr als ein Jahr damit, sich mit den betriebswirtschaftlichen Besonderheiten des Islams zu beschäftigen und zu analysieren wie Finanzdienstleistungen mit religiösen Restriktionen funktionieren und welche Herausforderungen sich beim Vergleich zur konventionellen Finanzwirtschaft ergeben.

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