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- Gleichbehandlung von Leiharbeitnehmern: Die europarechtlichen Vorgaben und deren Umsetzung in Deutschland
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Verlag:
Igel Verlag
Imprint der Bedey & Thoms Media GmbH
Hermannstal 119 k, D-22119 Hamburg
E-Mail: info@diplomica.de
Erscheinungsdatum: 08.2014
AuflagenNr.: 1
Seiten: 184
Abb.: 10
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback
In Phasen des konjunkturellen Aufschwungs eilt die Zahl der Leiharbeitnehmer dem Beschäftigungsaufbau zeitlich voraus. Bei Unsicherheiten über anhaltendes Wachstum nutzen Unternehmen verstärkt Leiharbeit als flexibles Personalplanungsinstrument. Arbeitnehmerüberlassung übernimmt somit eine Frühindikator-Funktion für den Arbeitsmarkt. Leiharbeit gilt als prekäre Form atypischer Beschäftigung, da die betroffenen Arbeitnehmer oft schlechtere Arbeitsbedingungen vorfinden als Beschäftigte in einem Normalarbeitsverhältnis. Durch die Schaffung gleicher Arbeitsbedingungen (‘equal pay’) einschließlich des Arbeitsentgeltes (‘equal treatment’) soll die Benachteiligung von Leiharbeitnehmern im Vergleich zu Stammarbeitnehmern in Entleihbetrieben vermieden werden. Dieses Ziel soll die Richtlinie 2008/104/EG verwirklichen. Ein Blick auf die ca. 30-jährige Entstehungsgeschichte der Richtlinie zeigt, dass nationale Vorschriften zur Regelung der Arbeitnehmerüberlassung erheblich divergieren. Ziel dieser Studie ist es, das deutsche Recht vor dem Hintergrund der genannten Richtlinie auf einen möglichen Anpassungsbedarf zu analysieren.
Textprobe: Kapitel C, Richtlinie 2008/104/EG über Leiharbeit: I, Entstehung der Richtlinie über Leiharbeit: Bereits im Jahr 1982 unterbreitete die Europäische Kommission einen Richtlinienvorschlag zur umfassenden Regelung der Leiharbeit und zur Verbesserung des Schutzes der betroffenen Arbeitnehmer. Nachdem jahrelang keine Einigung im Europäischen Rat erzielt werden konnte, zog die Kommission den Vorschlag im Jahr 1990 zurück und schlug zeitgleich ein Richtlinienbündel vor, um zumindest ein Minimum an Arbeitnehmerschutz für atypische Beschäftigungs¬verhältnisse, wie befristete Arbeitsverhältnisse, Teilzeitarbeit und Leiharbeit zu erreichen. Hieraus resultierte der Erlass der Richtlinie 91/383/EWG zur Verbesserung der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes von Arbeitnehmern in befristeten Arbeitsverhältnissen und Leiharbeitsverhältnissen. In einem sozialen Dialog vereinbarten die Sozialpartner die Gleichstellung von Teilzeit- mit Vollzeitbeschäftigten und befristet mit unbefristet Beschäftigten. Diese Diskriminierungsverbote wurden in den Richtlinien 97/81/EG und 1999/70/EG festgelegt. Nachdem auf diesem Weg kein entsprechender Gleichbehandlungs-grundsatz für Leiharbeitnehmer erzielt werden konnte, legte die Kommission im Jahr 2002 einen erneuten Richtlinienvorschlag vor. In dem überarbeiteten Richtlinienentwurf vom 28.11.2002 wurden zahlreiche Änderungsvorschläge des Europäischen Parlamentes berücksichtigt. Dieser Vorschlag enthielt eine Summe aus verschiedenen einzelstaatlichen Regelungen über Leiharbeit aus verschiedenen Mitgliedstaaten. Nachdem der Entwurf sechs Jahre lang blockiert wurde, erzielte der Europäische Rat im Juni 2008 eine politische Einigung, auf deren Grundlage das Europäische Parlament die Richtlinie über Leiharbeit am 21.10.2008 verabschiedet hat. II, Ziele und Inhalte der Richtlinie über Leiharbeit: Die Richtlinie 2008/104/EG verfolgt das Ziel der besseren Vereinbarkeit von Flexibilität und Sicherheit auf dem europäischen Arbeitsmarkt. Die europäische Gesetzgebung hält die Schaffung eines einheitlichen europäischen Rahmens der Leiharbeit für erforderlich, da sich in den Mitgliedstaaten im Hinblick auf die Arbeitsbedingungen der betroffenen Arbeitnehmer unterschiedliche Regelungen finden. Art. 2 RL 2008/104/EG formuliert das Ziel, den Schutz der überlassenen Arbeitnehmer sicherzustellen und die Qualität ihrer Arbeit zu verbessern. Dazu soll auch der in Art. 5 RL 2008/104/EG enthaltene Gleichbehandlungsgrundsatz beitragen. Dieser ist während des Entstehungsprozesses der Richtlinie mehrfach geändert worden und stellte den Hauptgrund für die zahlreichen gescheiterten Einigungsversuche dar. Leiharbeitnehmern sind hiernach ab dem ersten Tag der Überlassung die Arbeitsbedingungen zu gewähren, die für sie gelten würden, wenn sie unmittelbar bei dem Entleihbetrieb angestellt wären. Die Kommission hat die Bedeutung der Leiharbeit für die Entwicklung des europäischen Arbeitsmarktes und die Schaffung neuer Arbeitsplätze erkannt und nennt als Grund für das starke Wachstum der Branche die zunehmende Lockerung der Gesetzeslage in den einzelnen Mitgliedstaaten. Da sie außerdem die Schutzbedürftigkeit der Leiharbeitnehmer erkennt und für eine verbesserte Arbeitsqualität sorgen will, verfolgt sie konsequent das ‘flexicurity-Konzept’. Dessen Anspruch ist es, größere Flexibilität auf dem europäischen Arbeitsmarkt mit einem Höchstmaß an Sicherheit für die Arbeitnehmer zu verbinden. Im Rahmen der RL 2008 /104/EG sollen Einschränkungen und Verbote der Beschäftigung von Leiharbeitnehmer auf ihre Verhältnismäßigkeit und Angemessenheit überprüft werden (Art. 4 RL 2008 /104/EG). Gerechtfertigt sind diese Beschränkungen nur noch, wenn sie dem Arbeitnehmerschutz, dem Gesundheitsschutz oder der Sicherheit am Arbeitsplatz dienen oder das reibungslose Funktionieren des Arbeitsmarktes sicherstellen und Missbräuche verhüten. Die Richtlinie über Leiharbeit enthält keine Bestimmungen über verwaltungsrechtliche Vorschriften der Arbeitnehmerüberlassung. Daraus folgt, dass die gewerbe-rechtlichen Aspekte des deutschen AÜG unberührt weiter gelten. Hierunter fallen u.a. die Anforderungen zur Erteilung der Verleiherlaubnis i.S.d. §§ 2 ff. AÜG. III, Zwischenergebnis - Anpassungsbedarf des AÜG: Die Richtlinie 2008/104/EG bringt keine grundlegende Veränderung des deutschen AÜG mit sich. Das Dreiecksverhältnis zwischen Verleiher, Entleiher und Leiharbeit-nehmer existiert in allen Mitgliedstaaten, dieser Zusammenhang wird nicht verändert. Wie bereits im AÜG verankert, geht ausschließlich der Verleiher eine arbeitsvertragliche Beziehung mit dem Leiharbeitnehmer ein (Art. 1 Nr. 1 RL 2008/104/EG). Die nicht gewerbliche Arbeitnehmerüberlassung wird vom Anwendungsbereich des AÜG ausgenommen, in der Richtlinie über Leiharbeit wird sie hingegen berücksichtigt. So wird in Art. 1 Abs. 2 festgelegt, dass die Regelungen der Richtlinie für alle Unternehmen gelten, die ‘[…] eine wirtschaftliche Tätigkeit ausüben, unabhängig davon, ob sie Erwerbszwecke verfolgen oder nicht.’ Um dieser europäischen Vorgabe gerecht zu werden, ist die analoge Anwendung einiger Vorschriften des AÜG für die nicht gewerbsmäßige Arbeitnehmerüberlassung zu empfehlen. Da sich der deutsche Gesetzgeber bei dem ersten Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt am Vorbild der Richtlinie orientiert hat, wurden bereits einige Regelungsinhalte vorweggenommen. So auch die Klauselverbote, welche eine Übernahme des Leiharbeitnehmers durch den Entleiher nach Beendigung des Überlassungsverhältnisses erleichtern sollen (§§ 9 Nr. 3 u. 4 AÜG). Diese Reglung entspricht dem Inhalt des Art. 6 Abs. 2 Satz 1 RL 2008/104/RL. Die Zahlung einer Vermittlungsgebühr durch den Entleiher an den Verleiher ist in einem solchen Fall gem. § 9 Nr. 3, 2. Hs. AÜG und Art. 6 Abs. 2 Satz 2 der Richtlinie nicht verboten. Entscheidend ist jedoch, dass die Regelung der Richtlinie die Höhe dieser Gebühr beschränkt. Diese muss einen Ausgleich für die vom Verleiher erbrachten Dienstleistungen in Bezug auf Überlassung, Einstellung und Ausbildung des Leiharbeitnehmers darstellen (Art. 6 Abs. 2 Satz 2). Fraglich ist, ob sich nach der europarechtlichen Vorgabe pauschale Vermittlungsvergütungen in Zukunft rechtfertigen lassen. Es wird im Einzelfall zu überprüfen sein, welche Höhe ein Vermittlungshonorar betragen muss, um den vom Verleiher erbrachten Dienstleistungen zu entsprechen. Das Verbot, ein Honorar von dem jeweiligen Leiharbeitnehmer zu verlangen, ist in der Richtlinie im Gegensatz zur deutschen Regelung ausdrücklich festgelegt (Art. 6 Abs. 3 RL/2008/104/EG). Gem. Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie müssen Leiharbeitnehmer künftig über freie Stellen im Entleihbetrieb unterrichtet werden, um die gleiche Chance auf einen unbefristeten Arbeitsvertrag zu haben wie die Stammmitarbeiter des Entleihers. Der Wortlaut dieser Regelung lässt offen, wer diese Pflicht zu erfüllen hat. Der Inhalt des Art. 6 Abs. 1 Satz 2 RL 2008/104/EG deutet jedoch daraufhin, dass die Verpflichtung nur von dem Entleiher erfüllt werden kann. Eine Regelung zur Unterrichtung über offene Stellen durch die allgemeine Bekanntmachung an geeigneter Stelle befindet sich bereits in § 18 TzBfG. Hierdurch wird der Arbeitgeber verpflichtet, befristet Beschäftigte über unbefristete Arbeitsplätze zu informieren, die besetzt werden sollen. Da sowohl diese Regelung als auch die Richtlinie über Leiharbeit das Ziel verfolgen, den Übergang in ein unbefristetes Beschäftigungsverhältnis zu fördern, wird die analoge Anwendung des § 18 TzBfG auf Leiharbeitsverhältnisse zur Umsetzung der Richtlinie ausreichen. An vielen Stellen der Richtlinie wird auf nationale Vorschriften verwiesen, die unberührt bleiben sollen. Beispielhaft soll dies am 20. Erwägungsgrund erläutert werden. Nach dessen Wortlaut findet Art. 4 RL 2008 /104/EG, wonach Einschränkungen und Verbote der Beschäftigung von Leiharbeitnehmer auf ihre Verhältnismäßigkeit und Angemessenheit überprüft werden sollen, keine Anwendung auf nationale Regelungen, die verhindern sollen, dass Leiharbeitnehmer streikende Arbeitnehmer ersetzen. Somit gelten weiterhin die Bestimmungen des bereits dargestellten § 11 Abs. 5 AÜG, wodurch verhindert wird, dass Leiharbeit-nehmer gegen ihren Willen als Streikbrecher eingesetzt werden können. Nach Art. 4 RL 2008 /104/EG sind Einschränkungen und Verbote der Beschäftigung von Leiharbeitnehmer nur noch aus Gründen des Allgemeininteresses gerechtfertigt. Im deutschen Recht muss sich das Verbot der Arbeitnehmerüberlassung im Bauhauptgewerbe gem. § 1 b AÜG an dieser Bestimmung messen lassen. Zu hinterfragen ist, ob diese Beschränkung der Arbeitnehmerüberlassung dem Arbeitnehmerschutz, dem Gesundheitsschutz oder der Sicherheit am Arbeitsplatz dient oder das reibungslose Funktionieren des Arbeitsmarktes sicherstellt. Ziel des ursprünglichen Verbotes in § 1 b AÜG war es, die Arbeitnehmer im Baugewerbe vor einer Ausuferung der illegalen Beschäftigung durch den Missbrauch der Arbeitnehmerüberlassung zu schützen. Vor dem Hintergrund der sozialen Schwierigkeiten der Baubranche, konnte dieses Verbot durch das Hartz-I-Gesetz lediglich gelockert und nicht aufgehoben werden. Der deutsche Gesetzgeber wird vor dem Hintergrund der Leiharbeitsrichtlinie überprüfen müssen, ob diese Rechtfertigung noch Aktualität besitzt. Den Kern der Richtlinie und somit auch die Basis für mögliche Veränderungen des nationalen Rechtes der Mitgliedstaaten bildet das Ziel, den Schutz der Leiharbeit-nehmer und ihre Arbeitsqualität zu verbessern (Art. 2 RL 2008/104/EG). Um dieses Ziel zu erreichen, legt die Richtlinie einen ‘[…] diskriminierungsfreien, transparenten und verhältnismäßigen Rahmen […]’ fest. Art. 9 RL 2008/104/EG ermöglicht den Mitgliedstaaten durch günstigere Regelungen hiervon abzuweichen, der Richtlinieninhalt stellt folglich einen umzusetzenden Mindeststandard für den Arbeitnehmerschutz und die Arbeitsbedingungen dar. Die Bestimmungen des AÜG müssen nur geändert werden, wenn sie dieses Mindestniveau noch nicht gewährleisten. In den folgenden beiden Abschnitten soll vertiefend auf die Regelungen bezüglich der Arbeitsbedingungen von Leiharbeitnehmer eingegangen werden. In Abschnitt D) wird zunächst der Gleichbehandlungsgrundsatz dargestellt, unter Abschnitt E) erfolgt die Betrachtung der betriebsverfassungsrechtlichen Stellung der Leiharbeitnehmer.
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