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Verlag:
Igel Verlag
Imprint der Bedey & Thoms Media GmbH
Hermannstal 119 k, D-22119 Hamburg
E-Mail: info@diplomica.de
Erscheinungsdatum: 12.2014
AuflagenNr.: 1
Seiten: 86
Abb.: 29
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback
Die Finanzkrise mit ihrem Höhepunkt im Jahr 2008 stellte die Verwundbarkeit des weltweiten Finanzsystems bloß. Interbankenmarkt und Kreditmarkt verloren innerhalb kurzer Zeit ihre Funktionsfähigkeit und stellten so eine bedeutende Bedrohung für die Finanzstabilität dar. Durch politische Hilfsprogramme Liquiditätsbereitstellung wurde ein Zusammenbruch des Finanzsystems verhindert. Infolge der Ereignisse werden Vermeidungsstrategien für solche Krisen gesucht. Vor der Finanzkrise betrachteten Politik und Forschung die makroökonomische Politik als weitgehend unabhängig von der mikroprudenziellen Überwachung einzelner Institute. Die Finanzkrise hat nun gezeigt, dass dieser getrennte Ansatz zu kurz greift und mit der makroprudenziellen Dimension ein bedeutender Risikofaktor außer Acht gelassen wurde – mit fatalen Folgen. Die vorliegende Untersuchung diskutiert geldpolitische und makroprudenzielle Aspekte sowie deren Verbindungen im Rahmen der Finanzstabilität und gibt einen Einblick in die infolge der Finanzkrise geschaffenen makroprudenziellen Strukturen wichtiger Wirtschaftsräume.
Textprobe: Kapitel 3, Interdependenz von Geldpolitik und Finanzstabilität: 3.1, Transmissionskanäle der Geldpolitik: Das allgemeine Ziel der Geldpolitik ist die Preisstabilität. Dieses Ziel kann – wie im Euroraum – näher bestimmt oder vage formuliert sein. In einigen Regimen treten weitere Zieldimensionen hinzu. In den USA sind dies der Beschäftigungsstand und das langfristige Zinsniveau. Finanzstabilität hingegen ist bisher nur in wenigen Zentralbankstatuten als Ziel verankert. Die Zinssetzungshoheit ist das wichtigste geldpolitische Instrument einer Zentralbank. Sie kann damit zu einem gewissen Grad Einfluss auf Vermögenspreise, Kreditvolumina und Wechselkurse nehmen. Die Einflusskraft der Zinsen ist dabei umstritten. Tendenziell führen sinkende Zinssätze zu höheren Investitionen der Marktteilnehmer, da die alternative Anlage von Geldern weniger Zinsen erbringt und die Kreditaufnahme sich verbilligt. Durch die Erhöhung der Nachfrage auf den Märkten der Vermögenswerte werden die Preise steigen, was die Reinvermögen der Privathaushalte sowie die Gewinne der Unternehmen mehrt. Beide Gruppen können mehr konsumieren oder investieren, da höhere beleihbare Vermögenswerte eine umfangreichere Kreditaufnahme erlauben. Hingegen macht eine niedrigeres Zinsniveau die Anlage in Inlandswährung weniger interessant und führt zur Abwertung, was wiederum das Verhältnis von Import- zu Exportpreisen und demnach den Außenbeitrag beeinflusst. Die Wirksamkeit der Transmissionskanäle wird damit begründet, dass die Wirtschaftssubjekte während eines Übergangsprozesses der Preisillusion unterliegen. Auch wenn langfristig das Geldniveau für eine Wirtschaft neutral sein sollte, so bestehen die während einer Geldmengenausweitung verursachten Umverteilungseffekte teilweise weiter. Diese Umverteilungseffekte sind dadurch erklärbar, dass von einer Geldmengenausweitung manche Branchen früher oder stärker profitieren als andere und dieser Effekt sich ceteris paribus auch langfristig nicht vollends revidiert (Boysen-Hogrefe et al. 2014, S. 8). Die Einflussstärke von Geldpolitik zu bestimmen, ist trotz Kenntnis der Transmissionsmechanismen schwierig, da diese parallel wirken können und ihr Einfluss von den Eigenschaften des zu Grunde liegenden Finanzsystems abhängig ist (IWF 2013, S. 10). Ebenso können Wechselwirkungen mit Fiskalpolitik oder prudenzieller Politik die Effektivität der Kanäle beeinflussen. Neben den üblichen Instrumenten der Geldpolitik gehören auch sogenannte unkonventionelle Maßnahmen zum Repertoire einer Zentralbank. Sie werden dort eingesetzt, wo die konventionelle Geldpolitik an Ihre Grenzen stößt. Das ist beispielsweise der Fall, wenn der Zinssatz bereits auf Null gesenkt wurde und somit trotz gegebener Notwendigkeit nicht weiter abgesenkt werden kann. Vor dem Unterschreiten dieser Null-Prozent-Untergrenze wird gewarnt, da kaum empirische Erfahrung vorhanden ist. Zum 5. Juni 2014 senkte die EZB den Einlagenzinssatz auf -0,15 Prozent. Die Auswirkungen bleiben abzuwarten. Beim Quantitative Easing verlängert die Zentralbank ihre Bilanz durch den Zukauf neuer Anlagen. Dies können Schuldtitel von Staaten und einzelnen Unternehmen oder andere Wertpapiere sein. Im Gegensatz dazu wird beim Qualitative Easing nicht die Menge, sondern die Zusammensetzung der Anlagen geändert, beispielsweise werden konservative Anlagen gegen solche mit höherem Risiko getauscht. Die Zentralbank geht hier meist ihren Mandaten als Market Maker of Last Resort und Lender of Last Resort (LoLR) nach. Das Ziel ist neben der Wahrung der Funktionsfähigkeit des Kreditmarktes oft auch die direkte Unterstützung der Realwirtschaft. Diese Instrumente besitzen daher einen quasi-fiskalischen Charakter. Daneben kann bei Erreichen der Null-Prozent-Untergrenze das Instrument Kommunikation eingesetzt werden. So hatte die EZB im September 2012 im Rahmen der Schuldenkrise angekündigt, im Notfall unbegrenzt Anleihen angeschlagener Staaten zu kaufen, um zur Entspannung der Risikoaufschläge der betroffenen Staaten beizutragen. Zinsänderungen oder unkonventionelle Maßnahmen sollen auch Auswirkungen auf Drittländer haben. Eine erste Sichtweise betont, dass der reale Wechselkurs durch die Regierung langfristig nicht kontrolliert werden kann und die Problematik der ‘beggar-thy-neighbour’-Politik mithin nicht relevant wäre. Eine weitere Sichtweise sieht die zugrundeliegenden Anpassungsprozesse über Lohn- und Preisinflation als langsam und ineffizient an, weswegen die geldpolitischen Spill-Overs internalisiert werden müssten (Eichengreen et al. 2011, S. 18). Mit einer solchen Internalisierung wird auch der Gefahr von kostspieligen Abwertungswettläufen vorgebeugt. Nach Papademos (2009, S. 2) können Preisstabilität und Finanzstabilität einander zuträglich sein, da zum einen eine stabile Preisentwicklung verhindert, dass die Inflationserwartungen zu weit von der Realität abweichen und so Umverteilungen verursachen. Zum andern wahrt ein stabiles Finanzsystem durch die Milderung von Krisen oder die Abwehr von Schocks den Transmissionsmechanismus und damit die Effektivität der Geldpolitik (a.a.O., S. 3). Jedoch sind auch Trade-Off-Situationen denkbar (vgl. Kapitel 5.2). 3.2, Der Risikokanal: Über den Risikokanal wirken geldpolitische Maßnahmen auf das Risikoverhalten der Marktteilnehmer ein. Exzessive Risikoinkaufnahme führt zum Aufbau von Systemrisiken. Dies ist besonders der Fall, wenn die Gruppe der vom Risikoanreiz beeinflussten Marktteilnehmer einen hohen relativen Anteil hat. Nehmen Marktteilnehmer Risiken in Kauf, so spricht man von ‘risk-taking’. Eine dauerhafte Niedrigzinspolitik wird besonders die zu einer bestimmten Rendite verpflichteten Marktteilnehmer zu risikoreicheren Geschäften verleiten (Bean et al., 2010, S. 271). Die Verpflichtung kann eine weiche Form, beispielsweise das geschäftspolitische Ziel einer Eigenkapitalrendite von 25 Prozent, annehmen oder in einer vertraglichen Vereinbarung bestehen. Dies ist unter anderem bei den deutschen Lebensversicherern der Fall. Sie sichern ihren Kunden bei Vertragsabschluss über die gesamte Laufzeit eine gewisse Mindestverzinsung zu. Um diese Rendite erwirtschaften zu können, werden dann auch risikoreichere Anlagen erworben. Die Suche nach entsprechenden Zinserträgen wird daher als ‘yield-seeking’ bezeichnet. Werden dabei Anlagen in andere Vermögensgegenstände mit abweichendem Risiko getauscht, so spricht man von ‘risk-shifting’. Eine weitere Wirkung der Niedrigzinspolitik bezieht sich auf die Kanäle ‘Vermögenspreise’ und ‘Eigenkapital’ der Abbildung 5. Nach Adrian et al. (2010, S. 182) zielen Geschäftsbanken auf einen bestimmten Verschuldungsgrad ab. Folglich werden sie in vermeintlichen Boom-Phasen ihre Bilanz verlängern und sich so auch riskantere Anlagen in ihr Portfolio holen. Abbildung 6 zeigt, wie nach einem Anstieg der Vermögenspreise in einer Boom-Phase im ersten Schritt das Eigenkapital überproportional anwächst. Der Anstieg der Aktiva resultiert ausschließlich aus einer Höherbewertung bereits im Besitz der Bank befindlicher Anlagen. Im zweiten Schritt werden weitere Aktiva erworben, um das ursprüngliche Verschuldungsniveau zu erreichen. Die erworbenen Anlagen sind, zumindest teilweise, als Neukreditvergabe zu interpretieren. Maddaloni und Peydró (2010, S. 26) betonen die Wichtigkeit der kurzfristigen Zinsen, da Banken ihre Liquidität häufig kurzfristig refinanzieren. Daneben hat für sie die dauerhafte Niedrigzinspolitik im Vorfeld der Krise durch den Aufbau von Risiken in den Bankbilanzen zur Entstehung von Systemrisiken beigetragen. Sie identifizieren das Aufweichen der Kreditstandards als wichtigen Effekt einer Phase anhaltend niedriger kurzfristiger Zinsen (a.a.O., S. 25). Bernanke (2010, S. 19) hingegen sieht nur eine geringe Korrelation zwischen der damaligen Geldpolitik und dem vermeintlichen Auslöser der Subprime-Krise, dem schnellen Anstieg der Immobilienpreise. Negative Auswirkungen längerer Niedrigzinsphasen sehen auch Altunbas et al. (2012). Sie führten eine Regression über 583 Banken in diversen Ländern durch, um den Zusammenhang von Krisenanfälligkeit und Zinssätzen zu prüfen. Banken in Regimen mit anhaltend niedrigen Zinsen im Vorfeld der Krise zeigten eine erhöhte Verwundbarkeit (Altunbas et al. 2012, S. 6). Jiménez et al. (2008, S. 34) stellen ebenfalls niedrigere Kreditstandards und eine höhere Kreditvergabe als Folge niedriger, kurzfristiger Zinsen fest. Daneben sehen sie eine Gefahr in der auf die Niedrigzinsperiode folgenden Zinserhöhung, da so schwache Unternehmen, die durch Niedrigzinspolitik gerade noch überlebensfähig waren, ihre Solvenz durch die höheren Zinskosten bedroht sehen. Dem Risikokanal der niedrigen Zinsen kann folgender Mechanismus entgegen wirken: Höhere Zinsen tragen zum intensiveren risk-taking bei, indem risikoaverse Marktteilnehmer dem Wertpapiermarkt zu Gunsten des Kapitalmarkts den Rücken kehren und Schuldner in riskantere Projekte investieren (Stiglitz & Weiss 1981, S. 408), um ihre gestiegenen Refinanzierungskosten zu kompensieren. Geldpolitik im Allgemeinen kann mit ‘yield-seeking’ eine Form des Moral Hazard bedingen. Eine ähnliche Wirkung kann das Mandat der Zentralbank als LoLR entfalten. Dies ist der Fall, wenn Institutionen solche risikobehafteten Projekte eingehen, die sie ohne das Wissen, gerettet zu werden, nicht eingegangen wären, da ein Scheitern ihr Fortbestehen gefährden würde. Solche Risiken wird eine Institution besonders dann eingehen, wenn eine Insolvenz aufgrund der Bedeutung für das Finanzsystem von der Regierung oder der Zentralbank vermutlich verhindert werden würde. Es kommt dann zum Aufbau von Systemrisiken. Ein wichtiger Beitrag der Geldpolitik liegt auch in der Stabilisierung der Inflationserwartungen. Dies soll die Ausbreitung von Schocks gering halten und inflationsbedingte Ungleichgewichte reduzieren. Geldpolitik hat also Einfluss auf beide Dimensionen von Systemrisiken und damit auf die Finanzstabilität. Die Finanzkrise hat jedoch gezeigt, dass Preisstabilität eine notwendige, aber nicht hinreichende Bedingung für Finanzstabilität ist (EZB 2013a, S. 107).
André Kießling wurde 1988 in Münchberg geboren. Nach dem Abitur lernte er den Beruf Bankkaufmann und war fortan 3,5 Jahre im Retail von Finanzprodukten tätig. Anschließend agierte er 1,5 Jahre als Bilanz- und Kreditanalyst. Aktuell ist er in der Finanzierung gewerblicher Immobilien im Großraum München engagiert. Neben der Berufstätigkeit studierte André Kießling auf Bachelor und Master Wirtschaftswissenschaften an der FernUniversität Hagen und forscht seither auf dem Gebiet der Geldpolitik und Finanzstabilität.
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