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- Religiöse Verfolgung als Fluchtgrund am Beispiel der kurdischen Yeziden
Religion
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Verlag:
Diplomica Verlag
Imprint der Bedey & Thoms Media GmbH
Hermannstal 119 k, D-22119 Hamburg
E-Mail: info@diplomica.de
Erscheinungsdatum: 04.2011
AuflagenNr.: 1
Seiten: 82
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback
Eine asylerhebliche Anerkennung religiöser Fluchtmotive wird in Deutschland nur eingeräumt, wenn das religiöse Existenzminimum im Herkunftsland gefährdet ist. Nach langwierigen Asylverfahren wurde in den 1980er Jahren den ersten yezidischen Flüchtlingen aus dem Herkunftsland Türkei ein Anspruch auf Asylschutz von deutschen Verwaltungsgerichten und mittels höchstrichterlicher Rechtsprechung zugesprochen. Das Yezidentum ist eine monotheistische Religion. Die Yezidi als Angehörige des Yezidentums sehen sich als doppelt Verfolgte, einmal hinsichtlich ihrer Religion, die sie als nicht aus dem Islam hervorgegangen beschreiben und hinsichtlich ihrer Ethnie als Kurden. Weltweit wird ihre Anzahl auf 800.000 geschätzt, ca. 40.000 leben in Deutschland. Die Zugehörigkeit zum Yezidentum erlangt ein Yezidi durch Geburt, eine Konvertierung ist daher ausgeschlossen. Aus der Überlieferung in mündlicher Form resultieren unterschiedliche Glaubensinhalte und -praxen. Vor allem yezidische Laien-Gläubige, die Muriden, wissen traditionell wenig über die Inhalte ihrer Religion. Dies erschwert auch Entscheidern mit westlich-christlich geprägtem Religionsverständnis in Asylverfahren den Zugang, sich ein einheitliches Bild yezidischer Religiosität zu machen und führt gleichsam dazu, dass Yeziden damit begonnen haben, in der Diasporasituation ihre Glaubensinhalte zu normieren. Am Beispiel der Yezidi wird aufgezeigt, wie die Angaben eines Flüchtlings, wegen seiner Religion im Heimatland verfolgt zu werden, in deutschen Asylverfahren seit Annahme des Asylkompromisses bewertet werden.
Textprobe: Kapitel 3, Yezidische Flüchtlinge: Bereits im osmanischen Reich wurde versucht, die nicht zu den ‘Buchreligionen’ gehörenden Religionsgemeinschaften zwangsweise dem Islam zuzuordnen. Die türkische Republik führte eine Zwangsassimilationspolitik durch, die Yeziden und andere Minderheiten nicht als religiöse Minderheit anerkannte. Yeziden wurde in ihren türkischen Pass (Nüfüs) als Religionszugehörigkeit Islam eingetragen. Wenn Yeziden sich weigerten, die islamische Religionszugehörigkeit anzuerkennen, wurde dies in ihren Ausweisen durch einen Strich oder Kreuz gekennzeichnet. Diese Markierung stufte die Yeziden als ‘gottloses Volk’ ein, kennzeichnete sie als ‘Ketzer’ und war Hindernis für soziales und politisches Handeln. Die ersten Yeziden kamen Anfang der 1960er Jahre aus der Türkei als willkommene ‘Gastarbeiter’ nach Deutschland in einer Zeit beträchtlicher Arbeitskräftenachfrage und massiver Anwerbungskampagnen. Möglicherweise sahen sie hierin eine legale Möglichkeit, aus einer für sie in existenziellen Lebensbereichen diskriminierenden Umwelt zu flüchten. Anfang der 1970er Jahre führt die Rezession in Deutschland zu einem Anwerbestopp für ausländische Arbeitskräfte. Auf der Flucht vor Verfolgung in ihrem türkischen Heimatland beantragten Yeziden nunmehr Asyl in Deutschland. Aufgrund der mangelnden Schulbildung – Yeziden der ersten Generation waren überwiegend Analphabeten – und der traditionellen Selbstversorgung durch Land- und Viehwirtschaft waren sie als Arbeitskräfte arbeitsmarktpolitisch möglicherweise nicht ausreichend kompatibel. Yeziden, die in den 1970/80er Jahren Asylverfahren in Deutschland durchliefen, wurden überwiegend abgeschoben in die Türkei. Dies wurde damit begründet, dass sie in der Türkei ohne Verfolgung leben könnten. Die Auskünfte, die das Auswärtige Amt zur angeblich sicheren Lage der Türkei in Asylverfahren gab, stellten sich jedoch im Nachhinein als Falschauskünfte heraus. Türkische Yeziden flüchteten weiterhin nach Deutschland und versuchten vergeblich, Asylschutz zu erhalten. Der Religions-Wissenschaftler Gernot Wießner reiste in Zusammenarbeit mit der Menschenrechtsorganisation Gesellschaft für bedrohte Völker in yezidische Dörfer in die Südosttürkei, um die Situation der Yeziden vor Ort zu untersuchen. Über die Ergebnisse seiner Forschung erstellte er Gutachten, die in Asylverfahren berücksichtigt wurden. Das Verwaltungsgericht in Stade (Niedersachsen) hatte daraufhin erstmals im September 1982 für Yeziden aus der Türkei eine Asylanerkennung ausgesprochen. Es wurde entschieden, dass Yeziden wegen ihrer Religionszugehörigkeit in der Türkei verfolgt werden. Mehrere deutsche Verwaltungsgerichte schlossen sich dieser für Yeziden positiven Asylentscheidung an. Die Anerkennungspraxis war jedoch in der Asylrechtsprechung mehrerer deutscher Verwaltungsgerichte umstritten, so dass wiederum Abschiebungen yezidischer Familien in die Türkei erfolgten. Erst aufgrund Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts in den Jahren 1991 und 1993 setzte sich bundesweit in der verwaltungsgerichtlichen Asylrechtsprechung durch, dass Yeziden im Südosten der Türkei ‘zumindest seit 1988/89 einer mittelbaren staatlichen Gruppenverfolgung’ durch die muslimische Bevölkerungsmehrheit ausgesetzt sind, sofern sie glaubensgeprägte Yeziden sind. Aus ihren angestammten Siedlungsgebieten in der Südosttürkei sind die meisten Yeziden seitdem zwangsweise oder freiwillig emigriert.
Eva Gnau, Jahrgang 1962, Studium des interdisziplinären Studiengangs Religionswissenschaft an der Universität Bremen. Aufgrund ihrer zuvor absolvierten Ausbildung zur Rechtsanwalts- und Notargehilfin hatte sie während des Studiums Kontakt zu einer Anwaltskanzlei, die unter anderem ausländerrechtliche Verfahren bearbeitete. Sie erhielt Einblick in Asylverfahrensabläufe und recherchierte, dass der angesehene Religionswissenschaftler Prof. Dr. G. Wießner sich bereits in den 80er Jahren für die Flüchtlingsanerkennung der kurdischen Yeziden erfolgreich eingesetzt hatte. Ihr sozialwissenschaftliches Interesse für religiöse Minderheiten und das politische Interesse am Asylverfahrensrecht führten sie schließlich zur Thematik der religiösen Verfolgung.
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