- Sie befinden sich:
- Fachbücher
- »
- Recht
- »
- Energierecht - Betriebsaufnahmegenehmigung nach § 4 EnWG: Anwendbarkeit der Regelung, Vereinbarkeit mit Europarecht, Vorschlag einer Neuregelung
Recht
» Blick ins Buch
» weitere Bücher zum Thema
» Buch empfehlen
» Buch bewerten Produktart: Buch
Verlag:
Diplomica Verlag
Imprint der Bedey & Thoms Media GmbH
Hermannstal 119 k, D-22119 Hamburg
E-Mail: info@diplomica.de
Erscheinungsdatum: 11.2011
AuflagenNr.: 1
Seiten: 90
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback
Eine der Innovationen des neuen deutschen Energiewirtschaftsrechts ist der § 4 des aktuellen auf der Richtlinie 2003/54/EG beruhenden EnWG. Danach sind die Neueinsteiger auf dem Markt für Energienetze einer Genehmigungspflicht unterworfen. Allerdings kennt die EG-Elektrizitätsbinnenmarktrichtlinie einen solchen Genehmigungsvorbehalt nicht. Insofern stellt sich die Frage, wie es sich verhält, wenn ein Unternehmer aus einem EU-Mitgliedsstaat deutsche Netze erwirbt und seine Tätigkeit als Netzbetreiber aufnehmen will. Muss dieser eine Betriebsaufnahmegenehmigung beantragen? Oder ist die Regelung ohnehin gemeinschaftsrechtswidrig? Somit steht zunächst die Anwendbarkeit der nationalen Regelung auf einen Netzbetreiber aus dem europäischen Ausland im Mittelpunkt der Untersuchung. Im Anschluss wird über die Europarechtskonformität der Regelung diskutiert. Darüber hinaus wird eine denkbare Lösung dieser Problematik in Form eines Entwurfes über die Ausgestaltung einer möglichen Neuregelung präsentiert.
Textprobe: Kapitel III c, Argument der vergleichbaren Regelung: Eine weitere Methode zur Auslegung des Gesetzestextes ist die Rechtsvergleichung. Man könnte in diesem Zusammenhang die Rechtsvorschriften heranziehen, die vergleichbare Märkte, vergleichbare Strukturen oder sogar vergleichbare Infrastrukturen regeln. In diesem Zusammenhang ist in erster Linie an das Allgemeine Eisenbahngesetz zu denken. Die Vergleichbarkeit der Regelungsgebiete könnte auf der sachlichen Ebene erfolgen. Das AEG erfasst gem. § 2 III a AEG auch den Betrieb der Schienenwege. Schienenwege lassen sich ebenfalls wie die Energieversorgungsnetze als raumübergreifende, komplex verzweigte Transport- und Leitungssysteme für Güter, Personen oder Informationen definieren - (hier eben für Güter und Personen). Sie stellen ebenso ein natürliches Monopol dar und sind einer gesetzlichen Regelung im Rahmen der Deregulierung untergeordnet. Daher ist die Vergleichbarkeit nicht von der Hand zu weisen. Gemäß § 6 I Nr. 3 AEG dürfen ohne Genehmigung keine Schienenwege betrieben werden. Die Erteilung der Genehmigung erfolgt unter ähnlichen Voraussetzungen wie beim Netzbetrieb. Der Betreiber der Schienennetze muss ebenfalls gem. § 6 II Nr. 1 bis 3 AEG persönliche Zuverlässigkeit, wirtschaftliche, personelle und technische Leistungsfähigkeit nachweisen. Jedoch enthielt die alte Fassung des Gesetzes im § 6 V AEG noch, die ausdrückliche Bedingung des Geschäftssitzes in Deutschland. Danach konnte der Antragsteller ‘jedes Unternehmen mit Sitz in der Bundesrepublik Deutschland sein’. Damals hatte der Gesetzgeber ausdrücklich eine Geschäftssitzbegründung in Deutschland gewollt. Dieser Regelung ist aber weit überholt. Der heutige § 6 V AEG enthält eine ausdrückliche Regelung darüber, dass es auf den Sitz in Deutschland nicht ankommt. Nach § 6 V 1 AEG kann jede natürliche Person sein, die Angehörige eines Mitgliedstaates der Europäischen Gemeinschaft ist. Nach § 6 V 2 AEG sind die juristischen Personen benannt, die nach den Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaates gegründet wurden und ihren Sitz oder ihre Hauptverwaltung oder ihre Hauptniederlassung innerhalb der Europäischen Union haben, ebenfalls antragberechtigt. Daher kommt es nach dem AEG bei der Aufnahme der Tätigkeit auch als Betreiber eines Schienennetzes auf die Geschäftsbegründung in der Bundesrepublik nicht an. Dem lässt sich entnehmen, dass es beim Fehlen solch einer ausdrücklichen Klarstellung im EnWG auf die Geschäftsbegründung im Inland ebenfalls nicht ankommt. d, europarechtskonforme Auslegung: Als weitere Methode zur Feststellung einer gesetzlichen Notwendigkeit der Geschäftssitzbegründung in der Bundesrepublik könnte die europarechtskonforme Auslegung der Regelung konstruktive Ergebnisse einbringen. Demnach ist zu untersuchen, ob die dahingehende Auslegung des Gesetzestextes des § 4 I EnWG, dass es bei der Aufnahme der Ausübung der Tätigkeit auf die Begründung des Geschäftssitzes in Deutschland ankommt, mit dem Europarecht in Einklang steht. Der Prüfungsmaßstab der Gemeinschaftsrechtskonformität ist hier in erster Linie die gemeinschafts-vertraglich garantierte Freiheit der Dienstleistungserbringung über die Grenzen des Niederlassungsstaates hinaus in einem anderen Mitgliedstaat. Diese Grundfreiheit, die sowohl im Art. 56, 57 AEUV (ex-Art. 49, 50 EGV) als Dienstleistungsfreiheit als auch in Art. 49 AEUV (ex-Art. 43 EGV) verankert ist, garantiert die Möglichkeit der diskriminierungsfreien und schrankenlosen Erbringung einer Leistung in einem anderen Mitgliedstaat als dem Niederlassungsstaat. Der Betrieb eines Netzes entspricht der Definition der Leistung des (ex-Art. 50 EGV). Dieser Begriff liegt ebenfalls der Niederlassungsfreiheit zu Grunde. Hiernach handelt es sich um eine grenzüberschreitende Erbringung einer selbstständigen Leistung gegen Entgelt, die kaufmännischer, handwerklicher oder gewerblicher Art ist . In der gesetzlichen Anordnung einer Geschäftssitzbegründung für die Erbringung einer Dienstleistung könnte eine Beschränkung dieser Grundfreiheiten gesehen werden, indem sie diese selbstständige Erwerbstätigkeit behindert oder weniger attraktiv macht. Der Betrieb eines Versorgungsnetzes ist eine selbstständige kaufmännische Tätigkeit, die gegen Entgelt, Netznutzungs- und Netzanschlussentgelte, erbracht wird. Sie ist grenzüberschreitend, weil der Netzbetreiber im europäischen Ausland ansässig ist, in den Niederlanden. Müsste ein Dienstleistungserbringer zur Ausübung seiner Tätigkeit in Deutschland eine Niederlassung begründen, führe dies zu einer unangemessenen Behinderung, weil der Netzbetreiber ein gewisses Kapital in die Geschäftsbegründung investieren müsste (Eröffnung einer Filiale, Erwerb/Anmietung von Büroräumen, Angestellte, etc., auch steuerrechtliche Aspekte und eventuelle Verzögerung der Aufnahme der Diensterbringung sind dadurch zu berücksichtigen) um zumindest eine Zweigniederlassung zu begründen. Dies könnte die Erbringung einer Dienstleistung als Netzbetreiber in Deutschland weniger attraktiv machen. Somit würden die einheimischen Netzbetreiber, welche ohnehin einen Geschäftssitz gegebenenfalls begründen müssten oder solch einen schon im Inland haben, bevorzugt und die ausländischen Netzbetreiber dadurch unangemessen benachteiligt werden. Darüber hinaus ist es allgemein anerkannt und in der Rechtsprechung des EuGH zu den Grundfreiheiten verankert, dass das Ansässigkeits- bzw. Niederlassungserfordernis ein klassisches Merkmal für die Annahme einer versteckten Diskriminierung aus dem europäischen Raum stammender Staatsangehöriger darstellt. Daher sind solche Präsenzpflichten, -wie das Erfordernis eines Sitzes im Inland z.B. als eine Voraussetzung für eine Genehmigungserteilung, grundsätzlich unzulässige versteckte Diskriminierungen. Dieses Ansässigkeitserfordernis, das im früheren § 6 V AEG geregelt wurde, verstieß geradezu gegen die Dienstleistungsfreiheit. Daher stünde die Annahme des Erfordernisses zur Niederlassung in Deutschland nach dem EnWG nicht in Einvernehmen mit dem Europarecht. Folglich spricht auch die europarechtskonforme Auslegung des § 4 EnWG dafür, dass es auf die Begründung des Geschäftssitzes in Deutschland nicht ankommt. 2, Möglichkeit der Verwaltung aus einem anderen Mitgliedstaat: Aus dem fehlenden Erfordernis der Begründung des Geschäftssitzes als Betreiber eines Versorgungsnetzes in Deutschland ergibt sich, dass durchaus eine Möglichkeit besteht, den Netzbetrieb aus dem Ausland zu verwalten. Der niederländische Netzbetreiber könnte folglich auf die Begründung des Geschäftssitzes gänzlich verzichten. Welche Pflichten ihn als einen ausländischen Netzbetreiber in Deutschland treffen gilt es im Nachfolgenden zu analysieren.
Tatjana Schmidt, Jahrgang 1981, entschied sich nach dem erfolgreichen Erwerb einer Hochschulzulassung für das Studium der Rechtswissenschaften an der Leibniz Universität Hannover, welches die Autorin mit der Prüfungsgesamtnote vollbefriedigend im Jahre 2011 abschloss. Darunter verbrachte sie ein Jahr im europäischen Ausland, studierte an der Universidad Complutense de Madrid, wo sie ihre Begeisterung für das Europäische Recht entdeckte. Bereits während des Studiums entwickelte die Autorin ein außerordentliches Interesse am Thema Wirtschafts- und Europarecht mit einer Spezialisierung auf Energierecht. Sie hat im Studium eine bemerkenswerte Leistung im Schwerpunkt Handel, Wirtschaft und Unternehmen mit Vertiefung im Energierecht gezeigt und wurde mit einer Prämierung vom Freundeskreis der Leibniz Universität Hannover e.V. ausgezeichnet.
weitere Bücher zum Thema
Zur Eignung der IPSAS als Grundlage der Harmonisierung der öffentlichen Rechnungslegung in der Europäischen Union
ISBN: 978-3-96146-927-7
EUR 34,50
Destruktiver Wettbewerb in der Stationären Altenpflege und die Rolle der Freien Wohlfahrtspflege. Die kritische Betrachtung einer Krise ethischer Dimension
ISBN: 978-3-96146-906-2
EUR 34,50
Verwaltungsstrafen – ArbeitnehmerInnenschutz – Ethik – Wie geht das zusammen? Eine Studie im Bereich der Arbeitsinspektion in Österreich
ISBN: 978-3-96146-898-0
EUR 34,50
„Moin Timmy, alter Hinterbänkler“ – Die Systemtheorie Niklas Luhmanns als theoretischer und empirischer Bezugsrahmen für politische Partizipation in Social Media
Eine Untersuchung am Beispiel der Interaktionen zwischen Abgeordneten des Deutschen Bundestages und Bürgern auf Twitter