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- Lernprozesse in der Gründungsphase: Eine empirische Analyse von Kleinunternehmen
Recht / Wirtschaft / Steuern
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Verlag:
disserta Verlag
Imprint der Bedey & Thoms Media GmbH
Hermannstal 119 k, D-22119 Hamburg
E-Mail: info@diplomica.de
Erscheinungsdatum: 09.2012
AuflagenNr.: 1
Seiten: 184
Abb.: 42
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback
90 Prozent der österreichischen Entrepreneure gründen ein Ein-Personen-Unternehmen. Somit werden für GründerInnen die Bedeutung von individuellem Lernverhalten und Erfahrungen deutlich. Diese sind entscheidend für eine erfolgreiche und nachhaltige Unternehmensgründung. Vor diesem Hintergrund gilt es in der vorliegenden Untersuchung gründungsrelevante Kompetenzfelder in der Gründungsphase zu identifizieren und herauszufinden, welchen Beitrag die nicht-kommerzielle Gründungsberatung in diesem Prozess leisten kann. Die theoretische Aufarbeitung umfasst den Lernprozess, der von der Erfahrung bis zu den gründungsrelevanten Kompetenzfeldern reicht. Dabei werden interne, externe und situative Einflussfaktoren ermittelt und der Beitrag, den die nicht-kommerzielle Gründungsberatung bietet, als externer Einfluss betrachtet. Praktische Einblicke werden durch persönliche Experteninterviews mit erfolgreichen JungunternehmerInnen in Oberösterreich gewährt, die zum Zeitpunkt der Erhebung bereits fünf Jahre selbständig waren. Die Ergebnisse zeigen ein differenziertes Bild für die Gründungsberatung und identifizieren unterschiedliche Erfahrungskurven auch im speziellen Kontext von kritischen Ereignissen. Aus der Sicht der JungunternehmerInnen werden gründungsrelevante Kompetenzfelder herausgearbeitet und dem Fremdbild von Gründungsberatern gegenübergestellt. In der Retrospektive ergibt sich Kompetenzbedarf, der zielführend war oder gewesen wäre und auch welche Elemente sich am stärksten auf den Lernprozess ausgewirkt haben.
Textprobe: Kapitel 3.3.1.6, Gründungsrelevante Lerninhalte: Lerninhalte werden durch die Anwendung der verschiedenen Lernformen mithilfe von Wissen und Kompetenzfeldern dokumentiert. Diese Wissensstruktur muss jedoch durch einen kontinuierlichen Lernprozess erneuert und überarbeitet werden, damit auch zukünftiges Lernen initiiert werden kann. Lernen schafft folglich Wissen, das helfen soll, die Unsicherheit vor allem zu Beginn der Gründung zu reduzieren. Die dynamische Lernperspektive des Entrepreneurs beinhaltet nicht nur, was Gründer über den Gründungsvorgang und über das Management einer Gründung lernen müssen, sondern auch über die Inhalte der Lernprozesse, die helfen sollen unternehmerische Bereiche zu fördern. Das heißt, noch bevor die Gründung umgesetzt wird, ist es wichtig, vorausschauende Lernprozesse zu initiieren, weil im operativen Tagesgeschäft für Entwicklungs- und Qualifizierungsmaßnahmen kaum mehr Zeit vorhanden ist. Im Folgenden werden die fünf Schlüsselinhalte, die sich als Inhaltsdimensionen des Lernens identifizieren lassen, veranschaulicht sie beziehen sich auf sämtliche Bereiche des Unternehmens: 1. Lernen über sich selbst: Themen in diesem Bereich betreffen Stärken und Schwächen, die sich verändernde Rolle des Entrepreneures im Unternehmen, persönliche und familiäre Bedürfnisse, Bereiche für persönliche Entwicklung oder persönliche Interessen und Motivationen. 2. Lernen über das Unternehmen: Der zweite Lernbereich beinhaltet Stärken und Schwächen, Gefahren und Möglichkeiten des Unternehmens, interne Geschäftsbedürfnisse, Wachstumsbedürfnisse, Entwicklungsbereiche, Verständnis auch gegenüber Mitarbeitern oder die Zukunftsausrichtung. 3. Lernen über das Umfeld und über das Gründungsnetzwerk: Der Entrepreneur lernt darüber, wie Beziehungen mit bestehenden und potentiellen Kunden, Lieferanten oder Mitbewerbern geführt werden. Weiters lernt er auch, wie Beziehungen zu Beratungsagenturen und Unterstützungsdienste wie zum Beispiel der Bank, des Steuerberaters oder der Gründungsberatung abgeschätzt und intensiviert werden können. 4. Lernen über das Management von kleinen Unternehmen: Entrepreneuere lernen in dieser Dimension darüber, wie das Unternehmen erfolgreich geführt und kontrolliert werden kann, wobei relevante Prozesse und Systeme wie die Personalbeschaffung, Entlohnungssysteme und dessen finanzielle Überwachung (Controlling) ins Visier genommen werden. 5. Lernen über die Beschaffenheit und das Management von Beziehungen: Dieser Bereich betrachtet sowohl die betriebsinternen als auch die betriebsexternen Beziehungen. Dieser integrative Schlüsselinhalt umfasst die anderen vier beschriebenen Inhaltsdimensionen und kennzeichnet vor allem stabile Faktoren. Diese Inhaltsdimensionen sollen mithilfe der optimalen Lernkultur, die sich aus den genannten Ausführungen ergibt, entlang des Lernprozesses durch Wissen und Kompetenzen erweitert werden. Dabei spielen Einflussfaktoren in verschiedenen Phasen des Lernprozesses eine wesentliche Rolle. 3.3.2, Einflussfaktoren im Lernprozeß: Einflussfaktoren können sich auf den Lernprozess fördernd oder hemmend auswirken. Welche relevanten Bereiche dabei zu beachten sind, um eine Lernkultur zu erhalten, die sich auf den Erfolg des Unternehmens positiv auswirkt, wird im Folgenden herausgearbeitet. Demnach gilt es zunächst die persönlichen Einflussfaktoren, die als interne Einflussfaktoren bezeichnet werden, zu erörtern. Im Anschluss daran werden die externen Einflussfaktoren ermittelt, wobei die Gründungsberatung speziell fokussiert wird. Lernen wird als sozialer Prozess identifiziert und bezieht die Umwelt mit ein. Situative Gegebenheiten üben ebenfalls Einfluss auf den Lernprozess aus. 3.3.2.1, Interne Einflussfaktoren: Als relevanteste persönliche Einflussfaktoren des Entrepreneurs werden dessen Wahrnehmungen, Erwartungen und Ziele, seine Lernkultur sowie seine Lernkompetenz identifiziert. 3.3.2.1.1, Wahrnehmung und Wahrnehmungsverzerrungen: Die Wahrnehmung von Erfahrungen charakterisiert den Lernprozess und die Lernkultur von Entrepreneuren wesentlich. Sie hängen in starkem Maße von den bisherigen Erfahrungen und Erlebnissen ab. Entrepreneure folgen dabei oft intuitiven im Gegensatz zu rationalen Denkmodellen. Gründer beziehen sich dabei auf Heuristiken, die zu Verzerrungen führen können, um komplexe oder unvollständige Informationen zu berücksichtigen und neues Wissen zu organisieren. Im Folgenden werden Vereinfachungsstrategien und Verzerrungen angeführt, denen sich vor allem Entrepreneure gegenübersehen und den Erfahrungslernprozess wesentlich prägen: Affect infusion (Emotionaler Einfluss) bringt sowohl positive als auch negative Emotionen in die Entscheidungsfindung ein. Diese werden durch Themen, Objekte oder Personen hervorgerufen und auf Entscheidungsprozesse und Problemlösungen übertragen, obwohl kein Zusammenhang besteht. Daraus folgt, dass informelle Quellen, zu denen starke Beziehungen bestehen, den Lernprozess stark beeinflussen können. Die Gefahr dabei ist, dass Informationen oder Meinungen beispielsweise von der Familie oder von Freunden unreflektiert übernommen werden. Das kann bei Gründern dazu führen, dass gravierende Fehlentscheidungen in betrieblichen Belangen getroffen werden, weil objektive Informationen nicht in den Entscheidungsprozess integriert werden. Entrepreneure tendieren beim Attributional style (Zuordnungsstil) dazu, dass positive Ergebnisse auf interne Ursachen zurückzuführen sind, wie zum Beispiel eigene Begabung oder Bemühungen, während negative Ergebnisse mit externen Ursachen, wie dem Verhalten von anderen Personen oder defekten Anlagen in Verbindung gebracht werden dies wird als selbstdienliche Wahrnehmung (self-serving bias) bezeichnet. Indem Erfolge auf interne Ursachen zurückgeführt werden, können eigene Fähigkeiten überschätzt werden. Erfolgreiche Unternehmer sind für diese Verzerrung weniger anfällig als nicht erfolgreiche Unternehmer. Es kann jedoch argumentiert werden, dass frühere Erfolge bei Entrepreneuren zu stärkeren internen Attributionsverzerrungen führen können. Planning fallacy (systematische Fehlplanung) tritt bei Entrepreneuren häufiger auf als bei anderen Personen. Es wird die Tendenz beschrieben, den Zeitaufwand für Tätigkeiten oder Projekte falsch einzuschätzen. Dabei werden aktuelle Situationen als einzigartig behandelt und isoliert von vergangenen Erfahrungen betrachtet und bewertet. Risiken werden demnach unterschätzt und Erfolgswahrscheinlichkeiten überschätzt. Dies führt zu übermäßig optimistischen Prognosen über zukünftige Ergebnisse. Dadurch kann sich auch eine Fehleinschätzung im Hinblick auf die Informationssuche und -identifikation ergeben. Zeitliche Engpässe können dann zu Fehlentscheidungen führen. Bei Overconfidence (übermäßigem Selbstvertrauen) werden die ersten Informationen für die Bewertung einer Situation als entscheidungsträchtig gesehen und oft zu positiv berücksichtigt. Nachfolgende Informationen werden hingegen schwerer in den Entscheidungsprozess integriert. Entrepreneure handeln unter großer Unsicherheit und verfolgen Ideen weiter, obwohl wenige Informationen eingeholt wurden. Sie benötigen mehr Selbstvertrauen, um Ideen umzusetzen, bevor diese objektiv sinnvoll erscheinen. Dies wird auch dadurch gefördert, dass Stakeholder wie Investoren, Banken, Kunden oder Lieferanten von der Geschäftsidee zu überzeugen sind und eine Reputation aufgebaut werden muss. Vor allem im Lernprozess kann dadurch die Aufnahme von neuen Informationen und Wissen behindert werden. Eng damit verbunden ist die interne Kontrollüberzeugung. Daraus folgt, dass möglicherweise Gründungsberater einen eingeschränkten Zugang zu Entrepreneuren finden und Informationen dieser Beratergruppe unterschätzt werden. Aufgrund von eigener Überschätzung sehen sich Entrepreneure eher als Experte denn als Kenner. Representativeness (Repräsentativität) stellt eine Vereinfachungsstrategie dar, bei der Personen aufgrund von wenigen Eigenschaften und Beobachtungen verallgemeinern und anhand dieser über andere Personen oder Ereignisse urteilen. Dabei können bedeutende Aspekte außer Acht gelassen werden und falsche Rückschlüsse gezogen werden. Entscheidungen werden dann eher aufgrund von persönlichen Erfahrungen getroffen als aufgrund rationaler Überlegungen. Diese Problematik der mangelhaften Informationsgrundlagen bei weitreichenden Entscheidungen in der Vorgründungsphase und in der Gründungsphase stellt laut einer Studie einen hohen Belastungsfaktor bei Gründern dar. Bei der Availability Heuristik (Verfügbarkeitsheuristik) brechen Entrepreneure ihren Suchprozess ab, sobald sie genug Wissen abgerufen haben, um eine Entscheidung treffen zu können. Jenes Wissen, das am leichtesten zugänglich ist, wird dazu herangezogen. Entrepreneure fragen demnach selten sämtlich verfügbares Wissen ab, bevor eine Entscheidung gefällt wird. Beispielsweise können wahrgenommene Scheiterquoten von Unternehmen in bestimmten Branchen dazu führen, dass der Entrepreneur dieser Branche pessimistisch gegenübersteht. Je öfter diese Information wahrgenommen wird, desto stärker ist diese Heuristik ausgeprägt. Solch eine Heuristik erhöht die Geschwindigkeit von Entscheidungen, kann jedoch auch Lernen behindern, indem objektive Hinweise reduziert oder ignoriert werden. Bei der Anchoring Heuristik (Heuristik der Verankerung und Anpassung) wird gedanklich ein Anker aufgrund früherer Erfahrungen oder Beobachtungen gesetzt, an dem sich Bewertungen von Situationen orientieren. Dies kann zu groben Fehleinschätzungen führen, denn die Bewertung erfolgt anhand dieses Ankers und unterliegt einer groben Schätzung, die von objektiven Tatsachen oft weit entfernt ist. Beispielsweise können frühere Berufserfahrungen oder -beobachtungen dazu führen, dass Erfahrungen mit speziellen Technologien als negativ wahrgenommen werden und fest verankert sind. Somit kann es aufgrund dieser Verzerrung passieren, dass der Gründer neuen Technologien zukünftig negativ gegenübersteht, ohne deren Hintergründe zu beleuchten. Holcomb et al. gehen davon aus, dass erfahrene Entrepreneure (Experten) sich weniger auf solche ‘verankerten’ Meinungen verlassen als unerfahrene Entrepreneure (Kenner). Empirische Untersuchungen zeigen auf, dass Entrepreneure mit positiven Erfahrungen eher Tendenzen zu Heuristiken aufweisen, als Entrepreneure mit negativen Erfahrungen. Heuristiken haben einerseits den Vorteil, dass schnellere Entscheidungen getroffen werden können und Kapazitäten für andere Aufgaben zur Verfügung stehen. Vor allem im Gründungsprozess kann dies hohe Einsparungspotentiale mit sich bringen. Andererseits können effektive Entscheidungen und Problemlösungen beeinflusst werden, wenn Entrepreneure neuen Herausforderungen gegenüberstehen, die mit bestehendem Wissen nicht bewältigt werden können. In solchen Fällen wird analytisches Denken benötigt und Heuristiken können sich durch unbewusste Anwendung nachteilig auswirken, indem suboptimale Ergebnisse erreicht werden. Das Ziel der Darstellung dieser Heuristiken als Einflussfaktoren ist jedoch nicht, dass Gründer gegen solche Einflüsse resistent werden und nur rational handeln sollen. Es kann davon ausgegangen werden, dass ohne den Einsatz dieser Strategien viele Gründungen nicht zustande kommen würden. Das Zeitfenster von Chancen im Gründungsprozess wäre möglicherweise geschlossen, wenn erst sämtliche Informationen vollständig eingeholt werden müssten. Vielmehr können sie dazu dienen, Handlungen bewusster zu setzen und Entrepreneure in der Praxis durch Bewusstseinsbildung zu unterstützen.
Birgit Wimmer-Wurm wurde 1977 in Bad Ischl geboren. Nach mehrjähriger beruflicher Erfahrung im Bankensektor ergänzte sie ihre Ausbildung im betriebswirtschaftlichen Bereich durch ein Studium der Wirtschaftswissenschaften an der Johannes Kepler Universität. Die Autorin schloss 2009 mit dem akademischen Grad der Magistra erfolgreich ab. Seit einem Jahr ist sie als Universitätsassistentin am Institut für Unternehmensgründung in Lehre und Forschung tätig.
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