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Recht / Wirtschaft / Steuern


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Produktart: Buch
Verlag:
disserta Verlag
Imprint der Bedey & Thoms Media GmbH
Hermannstal 119 k, D-22119 Hamburg
E-Mail: info@diplomica.de
Erscheinungsdatum: 09.2016
AuflagenNr.: 1
Seiten: 240
Abb.: 27
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback

Inhalt

In dieser Arbeit geht es um den Vergleich von zwei unterschiedlichen Rechtssystemen: dem traditionellen Kanun bei den Albanern und dem modernen staatlichen Recht. Diese werden von Seiten zwei verschiedener Rechtsgebiete (dem zivil- und strafrechtlichen Bereich) in Albanien und im Kosovo behandelt. Das Strafrecht dient dabei dem Schutz von Rechtsgütern und kann im Kanun ebenso nach einem Ausgleich für eine Rechtsverletzung zwischen Privaten suchen (entweder Blutrache und oder Wiedergutmachung des Schadens). Hierbei werden passende Beispiele aus der Literatur, aus staatlichen Gerichten und aus Interviews mit außergerichtlichen Konfliktschlichtern und Ältesten angeführt. Des Weiteren werden die Mechanismen der außergerichtlichen Konfliktschlichtung dargestellt, wie sie in der Lebenspraxis angewandt sind, wie weit sie erfolgreich waren und ob sie es noch heutzutage sind.

Leseprobe

Textprobe: Kapitel 3.1.1, Die geschichtliche Entwicklung des albanischen Rechtssystems: Obwohl auf dem Territorium der heutigen Staaten Albanien und Kosovo, schon immer Albaner gelebt haben, werde ich in der Absicht absichtlich beide Rechtssysteme darstellen. Der Grund für diese getrennte Darstellung liegt in der spezifischen geschichtlichen Entwicklung ihrer Rechtssysteme. Bereits im ersten Kapitel dieser Arbeit wurde beschrieben, dass die albanischen Territorien im Laufe der Geschichte ständig von fremden Herrschern besetzt wurden. Albanien hatte am 28. November 1912 seine Unabhängigkeit erklärt und wurde 1913 auch als eigenständiger Staat anerkannt. Diese Anerkennung der Unabhängigkeit bedingte auch die Abtretung des Kosovos an Serbien und Montenegro. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde der Kosovo innerhalb der sozialistischen Republik Jugoslawien aufgenommen. Seit 1999 stand es dann unter dem Protektorat der UNO und seit 17. Februar 2008 gilt der Kosovo als unabhängiger Staat. Aus diesem Grund ist eine unabhängige Darstellung beider Rechtssysteme notwendig. Die Geschichte des unabhängigen Rechtssystems in Albanien beginnt im Jahr 1912. Am 28. November 1912 trat in Vlora ein Nationalkongress aus Vertretern aller albanischer Gebiete (auch des Kosovo mit seinem Vertreter Isa Boletini) zusammen. Leiter dieses Kongresses war Ismajl Qemajl Bej Vlora. An diesem Tag wurde Albanien unabhängig und es wurde eine provisorische Regierung gestellt. Darüber hinaus wurde ein 18- köpfiger Ältestenrat (Pleqësia) zur Unterstützung und Kontrolle der Regierung gebildet. Dieser Rat hatte aber kein Recht, sie zu stürzen. Diese neuen Unabhängigkeitsvertreter des albanischen Volkes waren jedoch nicht für die verfassungsrechtliche Gründungsurkunde von 1913 und das Organisationsstatut von 1914, als Verfassungsrahmen der neuen Herrschaft, verantwortlich. Diese Grundlagen schafften die Diplomaten der damaligen Großmächte, unter Leitung des Fürsten Wilhelm zu Wied. Sie gestalteten die Gerichte von Verwaltung unabhängig (§107 Statut von Albanien). Die Justiz wurde vierstufig aufgebaut (§159 SA) und reichte von Ältestenräten, die in den Dörfern Geldbußen für Sachbeschädigungen in der Landwirtschaft verhängen dürften, über Friedensrichter für Bagatellfälle, erstinstanzliche Gerichte bis hin zu drei Berufungsgerichten (§§ 160 -166 SA). Nur der Fürst konnte noch andere Gerichte schaffen (§167 SA). Gemäß § 159 des albanischen Statuts wurden als Gerichtsbehörden der Ältestenrat, die Friedensrichter, die Gerichte der ersten Instanz und das Berufungsgericht bezeichnet. Der Ältestenrat, der in jedem Dorf ansässig war und gemäß § 160 SA gesetzmäßig zusammengesetzt wurde, konnte Handlungen, die zu Schäden in der Landwirtschaft führten, mit Geldbußen zwischen 10 und 100 Franken ahnden. Die Friedensrichter wurden gem. § 161 SA durch fürstliches Dekret ernannt. Sie waren zuständig für Streitfälle in Zivilsachen, mit einem Streitwert von bis zu 100 Franken ohne Berufung, und mit Berufung bei einem Streitwert von 200 bis zu 500 Franken und in Strafsachen entschieden sie ohne Berufung über strafbare Handlungen, die mit bis zu drei Monaten Haft bestraft werden konnten. Während dieser Zeit wurden nicht nur Konflikte und Streitigkeiten aus dem Zivilbereich von außergerichtlichen Institution der Vermittlung und Versöhnung bzw. Ältesten laut dem alten Gewohnheitsrecht geschlichtet, sondern auch Strafrechtsfälle. Mit Beginn des Ersten Weltkrieges stand Albanien kurz unter der Herrschaft (6. Februar – 3. September 1914) des deutschen Adeligen Wilhelm zu Wied (1876-1945). Während dieser Zeit begann ein Krieg zwischen den Truppen von Esat Pasha und denen Wied‘s, was zum Ergebnis führte, dass Wied Albanien am 5. September 1914 verließ. Kurz darauf wurde am 4. Oktober 1914 Esat Pasha durch den Senat als Präsident und Regierungschef gewählt. Damit wurde die republikanische Staatsform wiederhergestellt. Österreich-Ungarn hatte diese albanische Staatsform sofort anerkannt. Am 15. Dezember 1914 musste die albanische Regierung wegen des serbischen Druckes die diplomatischen Beziehungen zu Österreich-Ungarn wieder abbrechen. Im Jahr 1916 wurde ein albanischer Landesteil von Italien besetzt. Trotz allem wurde Albanien bis zum November 1918 zum größten Teil (2/3) von Österreich-Ungarn besetzt, nur kleinere Landesteile hielten Italiener, Serben und Griechen. Die Albaner konnten sich für die Österreicher sehr begeistern, denn sie stellten den Albanern, für den Fall des Sieges der Mittelmächte im Krieg, sogar die Wiederherstellung der Unabhängigkeit des albanischen Staates unter österreichischem Schutz in Aussicht. Im Januar 1920 einigten sich Frankreich und England über die Aufteilung Albaniens, weswegen in Lushnja vom 21. – 31. Januar 1920 ein gesamtalbanischer Kongress stattfand mit dem Ziel, eine provisorische Verfassung zu erlassen und die Pläne der genannten Staaten abzulehnen. Darüber hinaus wurde auf diesem Kongress auch eine Delegation für die Pariser Friedenskonferenz bestimmt. Am 17. Dezember 1920 wurde die Souveränität Albaniens vom Völkerbund erneut anerkannt, mit den Grenzen von 1913, sodass die Italiener ihre Truppen abziehen mussten. Die Außengrenzen waren zwar anerkannt, aber im Land wurde die politische Situation sehr unkontrollierbar, denn im gleichen Jahr der Anerkennung und Bildung der neuen Regierung, wurde in Nordalbanien eine katholisch orientierte Republik von Mirdita, unter Führung von Gjon Marka Gjoni ausgerufen. Im Februar und März 1921 fanden die ersten albanischen Parlamentswahlen statt. Am 08.12.1922 wurde durch das Parlament die sog. das erweiterte Statut von Lushnja (alb. Statuti i zgjeruar i Lushnjes) verabschiedet. Es wurde von einer zwölfköpfigen Kommission erarbeitet. Technisch gesehen galt dieses Statut als Verfassungsänderung, die Kompetenzen der Staatsorgane neu regelte und Grundrechte definierte. Auf der Basis des Statuts von Lushnja (SL) wurde die Gewaltenteilung klar festgeschrieben. Die Exekutive lag beim Hohen Rat, der den Fürsten provisorisch vertrat und die Regierung ausübte. Die Legislative nach §§ 1 – 4 SL hatte das Parlament inne. Nach §§ 26, 28 SL hatte das Parlament das Recht mit absoluter Mehrheit über Gesetzentwürfe der Regierung zu entscheiden und konnte gem. § 63 SL selbst Gesetzesinitiative einbringen. Es kontrollierte gem. §§ 40-42 SL die Regierung und klagte sie gegebenenfalls vor dem Obersten Gericht an, wählte gem. § 45 SL den Hohen Rat und sprach der Regierung i.S.d. § 66 SL das Vertrauen oder Misstrauen aus. Fan Noli bildete im Jahr 1924 eine liberale Regierung in Albanien und verlor durch den politischen Putsch des Gegners Ahmet Zogu (1895–1961) die Macht. Dieser Putschist war während der Zeit zwischen den Weltkriegen der wichtigste Mann in Albanien. Am Anfang 1920 startet er seine politische Karriere als Innenminister. Am 6. Januar 1925 wurde er dann als Ministerpräsident im Amt eingesetzt und wenig später, noch im selben Monat, am 31. Januar 1925 zum Präsidenten der Republik ernannt. Am 7. März verabschiedete er eine neue Verfassung nach dem Vorbild der USA, die dem Präsidenten die volle Macht sicherte. Am 1. September 1928 wurde er König einer Erbmonarchie. Eine von ihm erlassene Verfassung gab ihm unbegrenzte Macht, sowohl in der Legislative, in der Judikative als auch in der Exekutive. Er hielt politische Parteien für zwecklos und verbot sie. Alle Mitglieder seines Parlaments bedürften vor Amtsantritt seiner Zustimmung. Zu dieser Zeit galt Albanien als parlamentarisches Königreich mit Ahmet Zogu als König von Albanien. Das Land nahm eine fortschrittliche Entwicklung, denn es wurden viele neue Gesetze mit westlicher Orientierung kodifiziert, aber auch alte Vermittlungs- und Versöhnungstechniken zur Regulierung gesellschaftlicher Beziehungen anerkannt. Bereits 1939 wurde Albanien wiederum von Italien annektiert. Deshalb floh der albanische König Zogu I. ins Ausland. Am 16. April 1939 wurde Viktor Emanuel III. von Italien als König von Albanien ausgerufen und als rechtmäßiger Träger der sog. Skanderbeg-Krone bestätigt. In der Zeit von 1943-1944 wurde Albanien von den nationalsozialistischen Truppen Deutschlands besetzt. Nach dem Abzug dieser, übernahm Enver Hoxha am 5. Januar 1945 die Macht und ließ die albanische Volksrepublik ausrufen. Während seines kommunistischen Regimes war er als einer der größten Despoten des letzten Jahrhunderts bekannt. Unter Hoxhas Regierung wurden die Konfliktregulierungsmechanismen nach dem alten Gewohnheitsrecht völlig zerstört. Am Anfang haben seine Kommunisten viele juristische Maßnahmen unternommen, damit Konflikt- und Streitschlichtungen nicht vor einer alten traditionellen Institution stattfinden konnten. Anfangs hatten sie die sog. Blutversöhnungskommission entwickelt, die sich in Zusammenarbeit mit den lokalen Selbstverwaltungsautoritäten in der Rolle der Vermittler und Versöhner engagierten. Diese Kommissionen haben jedoch schwerste Sanktionen gegen die Bluträcher, wie Todesstrafe und Deportation ganzer Familien des Täters in eine andere Region, verhängt. Hoxhas Regime lehnte sich anfangs stark an die UdSSR und an Stalins Prinzipien an. Hoxha hatte eine Volksfrontregierung gebildet. Nach Stalins Tod 1953 kühlten die Beziehungen zu Russland ab, bis Enver Hoxha 1960 eine Rede in Moskau hielt. Er verurteilte die Politik Hrustchows, der sich immer von der Politik Stalins distanzierte. Damit waren die guten Beziehungen zwischen der UdSSR und Albanien endgültig beendet. Ein Jahr darauf brach Albanien die diplomatischen Beziehungen zu Sowjetunion ab und ließ die Mitgliedschaft im Warschauer Pakt ruhen, der 1955 als Gegengewicht zum westlichen Verteidigungsbündnis (NATO) geschaffen wurde. Im Jahr 1968 trat Albanien endgültig aus diesem Pakt aus. Albanien hatte nunmehr einen Partner im fernen Asien gefunden. Die guten Beziehungen mit China dauerten an, solange Enver Hoxha Gelder aus dem fernen Land bekam. Als China die Rückzahlung der Kredite im Jahr 1975 aus Albanien forderte, kündigte Albanien die Beziehung auf. Im Jahr 1978 stellte China jede Unterstützung für Albanien ein. Zwischen den Jahren 1961 und 1972 wurde das Rechtssystem in Albanien grundlegend geändert. Das Justizministerium wurde abgeschafft und durch das Innenministerium ersetzt. Die Rechtsanwaltschaft wurde durch die sog. Rechtshilfebüros ersetzt und die Militärgerichtsbarkeit aus der Verfassung gestrichen. Nach dem Bruch der Beziehungen zu Russland und später zu China isolierte sich Albanien immer mehr. Erst nach dem Tod Enver Hoxhas 1985, mit der Nachfolge von Ramiz Alia als Staatspräsident und Führer der kommunistischen Partei, kam es wieder zu einer langsamen und vorsichtigen Öffnung Albaniens nach außen. Im Jahr 1990 gab es in Albanien Massendemonstrationen gegen die kommunistische Herrschaft. Das Volk forderte eine Demokratisierung des Landes. Das kommunistische System brach zusammen. Seit 1990 entwickeln sich langsam demokratische Rechte. Es wurde eine Oppositionspartei, die sog. Demokratische Partei Albaniens am 12. Dezember 1990 unter Führung von Sali Berisha, gebildet und Religionsfreiheit wieder zugelassen, die zuvor seit 1967 verboten war. Die ersten freien Wahlen fanden am 31.03.1991 statt. Obwohl die Demokratische Partei Albaniens die Wähler in den Städten für sich gewinnen konnten, wählte die Landbevölkerung die kommunistische Partei. Sie brachten der kommunistischen Partei eine Zweidrittelmehrheit und damit 162 der 250 Sitze im Parlament. Am 29. April 1991 wurde die sog. Provisorische Organisationsverfassung von einer außerparlamentarischen Expertengruppe erarbeitet und beschlossen. Diese Verfassung setzte alle alten Gesetze außer Kraft, sofern sie mit der neuen Verfassung und den Prinzipien von Demokratie, Pluralismus und Marktwirtschaft kollidieren. In diesem ersten Verfassungsgesetz wurden wesentliche rechtsstaatliche Prinzipien, wie parlamentarische Demokratie, Gewaltenteilung und die wichtigsten Grundrechte verankert. Am 22. März 1992, ein Jahr später, fanden neue, vorzeitige Wahlen statt, wobei nunmehr die demokratische Partei und ihre Koalitionspartner eine Zweidrittelmehrheit erlangten und stärkste Parlamentsfraktion wurden. Wegen der Unruhen verließen Zehntausende Albanien. Ramiz Alia musste am 3. April 1992 von seinem Amt zurücktreten. Am 9. April 1992 wurde Sali Berisha zum Staatspräsident Albaniens gewählt. Am 22. November 1998 wurde in einem Referendum vom Volk die Verfassung Albaniens angenommen, und am 28. November 1998 trat diese Verfassung in Kraft. Damit wurde Albanien eine parlamentarische Republik, ein demokratischer Rechtsstaat auf der Grundlage von Pluralismus und Gewaltenteilung, der freien Meinungsäußerung und Religionsfreiheit und der Achtung von Minderheiten. Diese Verfassung wurde nach dem Vorbild der italienischen Verfassung und des deutschen Grundgesetzes entworfen. Sie ist eine Abkehr vom Präsidialsystem, das beide großen politischen Lager bis zur Krise von 1997 favorisiert hatten. Diese Verfassung sieht vor, dass der Staat Albanien als parlamentarische Republik mit einem Mehrparteiensystem besteht. Das Gerichtssystem sieht drei Instanzen vor: die Gerichte der ersten Instanz (Amtsgerichte), die auch als Herzstück der Justiz bezeichnet werden, mit 300 Richtern und 341 juristischen Sekräteren 6 Berufungsgerichte mit 47 Richtern und 97 administrativen Mitarbeitern und den Obersten Gerichtshof. Jede Ebene befasst sich mit Zivil-, Straf-, Handels- und Verwaltungsangelegenheiten. Militärgerichtsbarkeit wird in der Strafjustiz in zwei weitere gerichtliche Ebenen geteilt. 5 Militärgerichte, deren örtliche Zuständigkeit sich durch ein besonderes Dekret des Präsidenten der Republik etabliert hat, werden als Gerichte der ersten Instanz bezeichnet. Neben diesen 5 Militärgerichten besteht ein Berufungsgericht. Diese Gerichte befassen sich mit militärischen Straftaten im Krieg, dem Geiseln und anderen, durch Gesetz oder das Berufungsgericht besonders geregelten Spezifikationen. Die Richter des Obersten Gerichtshofs werden vom Staatspräsidenten, unter Zustimmung des Parlaments, für neun Jahre ernannt. […] Es ist eine gesonderte Gerichtsbarkeit, zuständig für die Kontrolle der Verfassungsmäßigkeit von Gesetzen und anderer normative Rechtsakte. In der Verfassung der Republik Albanien erhält der Verfassungsgerichtshof eine wichtige institutionelle Position. Artikel 124 bis 134 der Verfassung widmen sich dem Verfassungsgericht als eigenständige Verfassungsgerichtsbarkeit. Diese Bestimmungen legen u.a. die Zusammensetzung, Bestellung und den Status von Richtern seines Vorsitzenden fest sowie Art und Umfang der verfassungsrechtlichen Befugnisse und Kontrollen. In einem Bericht der Kommission der Europäischen Gemeinschaft aus dem Jahr 2004, über den Stabilisierungs- und Assoziierungsprozess, wurde die Verfassung Albaniens bewertet. Sie wurde als geeignet für eine demokratische Entwicklung bezeichnet. Leider kann man Gleiches nicht für die Einhaltung der Verfassung sagen. Oftmals werden Verfassungsbestimmungen und sogar Entscheidungen des Verfassungsgerichts von den demokratischen Institutionen selbst nicht beachtet oder Fristen werden nicht immer korrekt eingehalten (z. B. die Entscheidung des Verfassungsgerichts über die Amtsenthebung des früheren albanischen Generalstaatsanwalts, die vom Parlament ignoriert wurde oder im November 2001, die Frist für die Verabschiedung eines neuen Gesetzes über die Rückgabe von Eigentum). Im Juni 2009 hatte bei den Parlamentswahlen die demokratische Partei PDSh (46,9 %) eine knappe Mehrheit gegenüber der PSSh (45,3 %) erreicht. Sali Berisha blieb weiter Regierungschef von Albanien. Mit dem Sturz des kommunistischen Herrschaftsregimes 1991 begann auch die Rückübereignung von Ländereien an die eigentlichen Eigentümer. Bei diesem Prozess mussten die alten Regeln des Kanuns durch die Vermittler angewendet werden. Sie wurden wegen ihres Alters an den Prozessen beteiligt, denn sie erinnerten sich noch an die früheren Grenzen zwischen den Ländereien.. In den nordalbanischen Territorien fand die Verteilung anders statt, als in den restlichen Gebieten Albaniens. Der Prozess verlief nicht planmäßig, viele Menschen waren unzufrieden mit den Gerichtsurteilen, denn der Staat war wegen fehlender Kapazitäten nicht in der Lage die Konflikte friedlich, unter Anwendung der entsprechenden Gesetze, zu lösen. Es wurde wieder auf außergerichtlichen Konfliktschlichtungsmechanismen zurückgegriffen, um die Probleme zwischen den alten und neuen Eigentümer der Ländereien zu lösen. Das albanische Gewohnheitsrecht wurde wieder neu belebt und parallel dazu im Jahr 2003 ein Gesetz zur Vermittlung (Nr. 9090) erlassen.

Über den Autor

Dr. Islam Qerimi, LL.M., geboren 1967 in Dumnica e Poshtme (Kosovo), schloss sein Diplomstudium der Rechtswissenschaften an der Universität von Prishtina, sein Magisterstudium der Rechtswissenschaften an der Ruhr-Universität Bochum und sein Doktoratsstudium an der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität Wien erfolgreich ab. Außerdem hat er eine Ausbildung zum Mediator und systemischen Coach am Radius Institut für Kommunikation und Konfliktmanagement Lübeck erfolgreich absolviert. Bereits während der Tätigkeit des Dozenten im Kosovo sammelte der Autor umfassende theoretische und praktische Erfahrungen im Gewohnheitsrecht der Albaner. Fasziniert vom albanischen Gewohnheitsrecht und den Kanunen hielt sich der Autor mehrmals in Albanien auf, um die Besonderheiten des Kanun als Primärquelle des albanischen Gewohnheitsrechts kennenzulernen. Seine alltägliche Wahrnehmung in der Jugendzeit mit verschiedenen Aspekten des albanischen Gewohnheitsrechts motivierte ihn, sich der Thematik des vorliegenden Buches näher zu widmen.

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