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- Dyskalkulie im Jugend- und Erwachsenenalter: Eine Studie zum produktiven Umgang mit Rechenschwäche in der Berufsschule
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Verlag:
disserta Verlag
Imprint der Bedey & Thoms Media GmbH
Hermannstal 119 k, D-22119 Hamburg
E-Mail: info@diplomica.de
Erscheinungsdatum: 06.2015
AuflagenNr.: 1
Seiten: 144
Abb.: 29
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback
Dyskalkulie sollte im besten Fall während der Grundschulzeit bemerkt werden. Oftmals werden die Symptome einer Dyskalkulie jedoch nicht erkannt und somit quälen sich die Betroffenen durch ihr gesamtes Leben. Aufgrund dessen, dass sie sich ihrer Defizite bewusst sind, bauen sich Ängste auf, die oftmals derart überhandnehmen, dass sie Krankheitswerte erreichen. Es kommt auch immer wieder vor, dass Schüler aufgrund ihrer defizitären mathematischen Fähigkeiten in der Berufsausbildung scheitern. Dies verdeutlicht, wie wichtig es ist, die Symptome einer Dyskalkulie frühzeitig zu erkennen und im Anschluss geeignete Maßnahmen einzuleiten. Die vorliegende Studie hat zum Ziel, Lehrern an berufsbildenden Schulen bewusst zu machen, dass es erwachsene Schüler mit besonderen Schwierigkeiten im Rechnen gibt, die es durch sehr unterschiedliche Kompensationsstrategien geschafft haben, die allgemeinbildende Schule abzuschließen. Es werden Anregungen aufgezeigt, wie ein Lehrer im Unterricht mit rechenschwachen Schülern interagieren kann, um die Betroffenen bestmöglich zu unterstützen. Grundlage hierfür bilden Interviews mit Therapeuten, die im Zuge dieser Untersuchung durchgeführt wurden.
Textprobe: Kapitel 5, Förderung von Menschen mit Rechenschwäche: 5.1, Erste grundlegende Aspekte der Förderung im Unterricht: Rechenschwäche wird in vielen Fällen nicht sofort erkannt. Die Betroffenen entwickeln kreative Kompensationsstrategien, um die Probleme zu umgehen. Mit zunehmenden Anforderungen versagen diese Strategien jedoch meist. Je früher die Schwierigkeiten erkannt werden, desto effektiver ist die Therapie. Von grundlegender Bedeutung für jede Förderung ist eine individuelle Förderdiagnostik. Liegen die Defizite z.B. im basalen Zahlenverständnis, würde das Ansetzen der Therapie am Schulstoff keinen Erfolg bringen. Rechenstörungen werden meist erst dann entdeckt, wenn die Störung weit fortgeschritten ist. Viele Grundfertigkeiten sind nicht vorhanden und schon gar nicht automatisiert, es muss zusätzlich geübt werden. Jedoch ist es nicht sinnvoll den Betroffenen nur noch mehr Aufgaben gleichen Typs zu geben. Dies würde die negativen Verbindungen zum Fach Mathematik nur verstärken. Daraus entwickeln sich zunehmende Unlust, Überforderung und Ängste. Wenn jemand beim Lösen von Textaufgaben überfordert ist, ist es nicht sinnvoll ihn noch mehr davon lösen zu lassen. Besser wäre es, die fehlenden Grundfertigkeiten zu automatisieren. [...] Liegt bei einem Rechenschwachen zusätzlich eine Teilleistungsstörung der Sprache vor, ist es nicht ratsam die Hilfestellungen über die Sprache zu geben. Dadurch entsteht eine zusätzliche Überforderung. Folgende Punkte sollte ein Lehrer in diesem Fall möglichst beachten: • Arbeitsschritte sollten konkret vorgemacht werden, • die Sprache an die Handlung anpassen, • kurze, einfache, genaue Sätze verwenden, • langsames Sprechtempo einhalten, • viele Pausen beim Sprechen machen, • nicht verschiedene Formulierungen für gleiche Inhalte verwenden, • häufiges Wiederholen, • besonders Loben, • sprachliche Steuerung der Handlung immer wieder vom Schüler einfordern. Ist die Rechenschwäche unter anderem durch eine Teilleistungsstörung im Bereich der visuellen Verarbeitung begründet, sollten sehr einfache Darstellungen verwendet werden (vgl. Abb. 11 –13) sowie ausreichend Platz zwischen den Aufgaben gelassen werden. Für Menschen mit visuellen Wahrnehmungsstörungen laufen bei vollen, unstrukturierten Arbeitsblättern die Inhalte so ineinander, dass sie sich nicht mehr zurechtfinden. Ist ein Schüler mit bildlichen Darstellungen überfordert, ist eine ergotherapeutische Behandlung ratsam. Wurde bei einem Schüler zusätzlich ADHS diagnostiziert, sollte der Lehrer die Betroffenen anhalten langsam und willkürlich konzentriert zu arbeiten. Zudem sollte systematisches Üben und Automatisieren im Fokus des Mathematikunterrichts stehen. Wenn es die Rahmenbedingungen hergeben, sollten die Einheiten möglichst kurz gehalten und mit geeigneten Pausen versehen werden. Wie schon im Abschnitt 3.3 erläutert, kann die Ursache für eine Dyskalkulie in den Defiziten der Gedächtnisleistung liegen. Ist dies der Fall, sollten im Unterricht Methoden verwendet werden, die die multisensorische Anbindung betonen, was die Behaltensquote der Lerninhalte erheblich erhöht. Dies kann durch farbliche Unterstützung, durch taktiles und kinästhetisches Miterfassen sowie durch die Verbindung von Bild und Sprache geschehen. Außerdem sollten Wiederholungen im 20 Minuten Rhythmus stattfinden, da dies die Spanne für den Übergang von Kurzzeit zu Langzeitgedächtnis darstellt. Als wichtigster Ansatz bei der Therapie von Rechenschwäche ist die Prävention zu sehen. Zunächst wird festgestellt, welche Grundfertigkeiten bei einem Schüler vorhanden sind. Darauf aufbauend werden die nächst höheren Fähigkeiten vermittelt, überlernt, automatisiert sowie flexibilisiert. Wichtig ist, dass die Schüler nicht überfordert werden. Oft sind Rechenschwache durch immer wechselnde Aufgaben und Veranschaulichung überfordert, sodass keine freien Kapazitäten für das eigentliche Üben vorhanden sind. Diesen Kerngedanken der Therapie sollte ein Lehrer kennen und ihn für sich, mit seinen Mitteln im Unterricht umsetzen. 5.2, Rechtliche Grundlagen: Rechenstörungen sind als ein schulisches Problem aufzufassen. Jedoch ist die Klärung der rechtlichen Grundlage für die Förderung von Menschen mit Lernproblemen nicht eindeutig. Vor allem im Bereich der berufsbildenden Schulen sind keine klaren Aussagen zu finden. Generell hat jeder junge Mensch nach § 1 des Thüringer Schulgesetzes ein Recht auf schulische Bildung und Förderung Das gemeinsame Ziel aller Schulen in Thüringen ist es, den Entwicklungsprozess der Schüler zur Ausbildung ihrer Individualität, zu Selbstvertrauen und eigenverantwortlichem Handeln zu fördern. Die Schule soll einen Raum zur Entfaltung von Begabungen aber auch zum Ausgleich von Benachteiligungen bieten. Darüber hinaus sind die Schulen durch ihren Bildungs- und Erziehungsauftrag zur individuellen Förderung der Schüler verpflichtet. Diese Prinzipien obliegen nicht allein den allgemeinbildenden Schulen, da sich das Schulgesetz auf alle Schulformen Thüringens bezieht, jeder in Thüringen wohnhafte Bürger der Schulpflicht unterliegt und sich diese Schulpflicht in eine Vollzeitschulpflicht und eine Berufsschulpflicht gliedert. Aber nicht nur die Schule hat die Pflicht der individuellen Förderung, dieses ist im Gesetz sogar als Recht für den Schüler formuliert. Es heißt: Jeder Schüler hat das Recht, eine seiner Befähigung und Leistung entsprechende schulische Bildung und Förderung zu erhalten. Für allgemeinbildende Schulen werden diese Fördermaßnahmen in der Thüringer Schulordnung weiter spezifiziert. Dort steht geschrieben, dass Schüler mit besonderen Lernschwierigkeiten im Lesen und im Rechtschreiben, in Mathematik und in den Fremdsprachen besondere Fördermaßnahmen erhalten sollen. Weiterhin steht im § 59 Abs. 5 zur Leistungsbewertung folgendes: Bestehen bei einem Schüler Beeinträchtigungen, die den Nachweis vorhandener Kompetenzen und Lernergebnisse wesentlich erschweren, kann ihm […] Nachteilsausgleich […] gewährt werden. Beeinträchtigungen, die die Gewährung von Nachteilsausgleich rechtfertigen können, sind insbesondere eine Behinderung, massive Beeinträchtigungen der Sprache, der Motorik oder der Sinneswahrnehmung und eine schwere Lese-Rechtschreib-Schwäche. Nachteilsausgleich kann in Form veränderter Modalitäten der Leistungserhebung und des Ablaufs der Leistungserhebung, insbesondere durch 1. Verlängerung des zeitlichen Rahmens, 2. Verwendung technischer Hilfsmittel, 3. mündliche statt schriftliche Leistungsnachweise, 4. veränderte Formen der Aufgabengestaltung oder 5. Leistungsfeststellung in der Einzelsituation gewährt werden. […]Z Sogar das Aussetzen der Benotung ist bei den beschriebenen Beeinträchtigungen möglich. Auch wenn der Nachteilsausgleich für Rechenschwäche nicht existiert, bleiben die Betroffenen nicht ohne Hilfe oder Unterstützung. Diese sind jedoch über die fachliche Empfehlung zu Fördermaßnahmen für Kinder und Jugendliche mit besonderen Lernschwierigkeiten in den allgemeinbildenden Schulen in Thüringen zu beantragen. Auffällig ist hier, dass nicht von Rechenschwäche oder Dyskalkulie gesprochen wird sondern von besonderen Schwierigkeiten beim Rechnen und in mathematischen Lernprozessen. In den von der Kultusministerkonferenz beschlossenen Grundsätzen zur Förderung von Schülerinnen und Schülern mit besonderen Schwierigkeiten im Lesen und Rechtschreiben oder im Rechnen, heißt es wie folgt: Das Erscheinungsbild von besonderen Schwierigkeiten von Schülerinnen und Schülern im Rechnen (Rechenstörungen) kann mit einer Lese-Rechtschreibschwäche nicht gleichgesetzt werden. Folglich können auch bei der Leistungsbewertung Rechenstörungen nicht in gleicher Weise berücksichtigt werden wie besondere Schwierigkeiten im Lesen und Rechtschreiben. Vielmehr sind die pädagogischen Möglichkeiten in der Schule durch eine differenzierte Förderung auszuschöpfen. Wie dies auszusehen hat wird in diesem Dokument lediglich für die Lese-Rechtschreibschwäche beschrieben. Zunächst sollte die Störung frühzeitig erkannt werden, um einen individuellen Förderplan entwickeln zu können, welcher für den individuell fördernden Unterricht zu nutzen ist. Diese Pläne bilden die Grundlage für die Maßnahmen der inneren und äußeren Differenzierung und sind im Rahmen des schulischen Gesamtkonzeptes mit allen beteiligten Lehrkräften, den Eltern sowie den Schülerinnen und Schülern abzusprechen. Die Maßnahmen der Differenzierung und individuellen Förderung sollen idealerweise bis zur Klassenstufe 10 abgeschlossen sein, können aber in berufsbildenden Schulen im Rahmen der Berufsvorbereitung fortgesetzt werden. Hier wird eine Problematik deutlich. Denn die Spezifikationen zur Förderung sowie der Nachteilsausgleich sind allein für allgemeinbildende Schulen formuliert. Für Berufsschulen fehlen diese Formulierungen bzw. existieren lediglich in umschriebener Form. Laut der allgemeinen Thüringer Schulordnung für die berufsbildenden Schulen haben Schulleiter das Recht, Schüler in begründeten Fällen aufgrund körperlicher Beeinträchtigungen von einzelnen Fächern, Lernfeldern oder Lerngebieten, unter Vorlage eines ärztlichen Attests, zu befreien. Weder sind die körperlichen Beeinträchtigungen näher beschrieben noch sind andere Formulierungen zu finden. Ein weiteres Problem der Förderung ergibt sich aus dem § 35 a des Sozialgesetzbuches, achtes Buch, Kinder- und Jugendhilfe. Förderung im Sinne dieses Paragraphen ist nur möglich, wenn das Kind seelisch behindert oder von einer solchen Behinderung bedroht ist. Das würde bedeuten, dass die Rechenschwäche für die Vergabe von öffentlichen Mitteln nicht ausreicht. Nur eine Krankheit bzw. eine seelische Behinderung ermöglicht dies. So sind viele förderbedürftige Kinder ausgeschlossen. Die Förderung in der Mathematik muss jedoch häufig eine Einzelförderung sein und das kann der Lernort Schule i.d.R. nicht leisten. Um dennoch Fördermittel zu bekommen wird oft eine nicht gerechtfertigte seelische Behinderung attestiert. Besser wäre es, wenn es rechtliche Regelung gäbe, die die Vergabe der öffentlichen Mittel vom Schweregrad der Rechenschwierigkeiten abhängig machen. Da die Klärung der rechtlichen Grundlagen der Förderung von Rechenschwäche bzgl. Älterer Schüler sehr vage ist, wird dies ein Teil der Interviews im empirischen Teil dieses Buches sein (siehe Abschnitt 6).
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