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Recht / Wirtschaft / Steuern


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Produktart: Buch
Verlag:
disserta Verlag
Imprint der Bedey & Thoms Media GmbH
Hermannstal 119 k, D-22119 Hamburg
E-Mail: info@diplomica.de
Erscheinungsdatum: 09.2012
AuflagenNr.: 1
Seiten: 184
Abb.: 300
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback

Inhalt

‚Schwere Zeiten für Berufskläger’ lautete die Überschrift eines Artikels in der Financial Times Deutschland vom 13. Juni 2009, kurz vor Inkrafttreten des Gesetzes zur Umsetzung der Aktionärsrechterichtlinie (ARUG). Mit dieser Prognose hinsichtlich der Auswirkungen des ARUG mögen die Autoren richtig gelegen haben. Aus juristischer Sicht sind demgegenüber vor allem die Auswirkungen des ARUG sowie des UMAG auf das Beschlussmängelrecht von Interesse. In dieser Studie werden die bestehenden Neuregelungen nach dem UMAG und ARUG insbesondere im Hinblick auf das Freigabeverfahren und die Quorumsregelung nach § 246a Abs. 2 AktG untersucht. Nach einer Beleuchtung des ARUG nach Maßstäben des allgemeinen Verbandsrechts schließt der Autor, dass erhebliche Kritikpunkte der Neureglungen durchaus berechtigt sind und somit weiterer Reformbedarf besteht. Sodann wird diese Untersuchung mit einer Analyse nicht verwirklichter Reformvorschläge fortgesetzt, welche anschließend im Hinblick auf ihre rechtliche Stimmigkeit sowie ihre Praktikabilität geprüft werden. Die mögliche Geeignetheit eines Eilverfahrens für die Frage der Beschlusseintragung ist ebenso Gegenstand dieses Buches, wie die Quorumsregelung, deren rechtliche Zulässigkeit eingehend untersucht wird.

Leseprobe

Textprobe: Kapitel 3, Vereinbarkeit des ARUG mit dem allgemeinen Verbandsrecht: Auch in verbandsrechtlicher Hinsicht werden dem derzeit existierenden Freigabeverfahren konzeptionelle Unstimmigkeiten vorgeworfen. In ihren einzelnen Facetten zielt diese Kritik auf die Unvereinbarkeit des UM-AG/ARUG Entwurfs mit dem gebotenen Schutz mitgliedschaftlicher Rechte. Zweifel an der Konsistenz der aktuellen Gesetzeslage mit allgemeinen Rechten der Aktionäre als Verbandsmitglieder bestehen sowohl im Hinblick auf den Schutz individueller Rechte als auch angesichts der institutionellen Wirkung von Beschlussmängelklagen. a) Die Klagebefugnis des Kleinstaktionärs als Ausfluss des allgemeinen Verbandsrechts: Das allgemeine Verbandsrecht unterscheidet nicht zwischen anlageorientierten und unternehmerischen Mitgliedschaften. Deshalb wird kritisiert, dass ARUG und UMAG der Sache nach die Durchsetzung grundlegender Gesellschafterrechte unmöglich mache. Dies sei mit dem Rechtsgedanken des § 717 BGB, der auf sämtliche korporativen Mitgliedschaften, einschließlich der Aktionärsmitgliedschaft zu übertragen sei, unvereinbar. Dabei wird sogar der Vergleich mit Grundstückseigentümern ins Feld geführt: Diesem könne das Eigentum auch nicht von der Gemeinde mit dem Argument entzogen werden, er lasse es brach liegen. Aus formaljuristischer Sicht ist dieser Vergleich durchaus berechtigt. Aktien fallen ebenso wie Grundstückseigentum unter die Eigentumsgarantie des Art. 14 GG. Zwar werden durch das Freigabeverfahren nicht die mitgliedschaftlichen Rechte eingeschränkt, sondern lediglich ihre Durchsetzbarkeit. Dieser Einwand verfängt jedoch nicht: Ebenso wie allgemeine mitgliedschaftliche Rechte gleichermaßen bei allen Aktionären vorhanden sind, sind damit untrennbar Klagerechte zu ihrer Durchsetzung verbunden. Aus verbandsrechtlicher Sicht verbriefen damit die §§ 245ff. AktG keine kraft Gesetzes, sondern kraft Mitgliedschaft gewährten Rechte. Wohl aus diesem Grund hat sich der Gesetzgeber dazu entschieden, die in § 245 AktG geregelte Klagebefugnis unangetastet zu lassen, um eine wesentliche Beschneidung von Aktionärsrechten zu vermeiden. Tatsächlich bedeutet aber die jetzige Regelung keine weniger spürbare Einschränkung der Rechtsschutzmöglichkeit als eine Beschneidung der Klagebefugnis. Dies ergibt sich aus den Rechtsfolgen des Freigabeverfahrens nach § 242 Abs. 2 S. 5 AktG: danach können einmal aufgrund einer Freigabeentscheidung eingetragene Beschlüsse nicht mehr rückgängig gemacht werden (siehe oben 2.d)). Rechtsfolge einer erfolgreichen Anfechtungsklage ist daher regelmäßig nur ein Schadensersatzanspruch des Aktionärs aus § 246a Abs. 4 AktG. Aktionäre, deren Beteiligung unterhalb des Quorums des § 246a Abs. 2 Nr. 2 AktG von 1.000 Euro des Grundkapitals bleibt, können selbst schwerste Rechtsverletzungen nicht mehr geltend machen. Die Tatsache, dass jeder Aktionär dennoch Schadensersatz verlangen kann ist insofern schöner Schein. Nach der Interessenabwägungsklausel des § 246a Abs. 2 Nr. 3 AktG ist schließlich lediglich die Höhe der Beteiligung für eine effektive Beschlussanfechtung maßgeblich – ein Parameter, der dem Verbandsrecht grundsätzlich fremd ist. b) Schadensersatzanspruch gegen die Gesellschaft als zulässige Rechtsfolge der Anfechtungsklage: Die Gesetzesbegründung des UMAG vertröstet den Aktionär auf die Geltendmachung von Schadensersatz gemäß § 246a Abs. 4 AktG. Dieser kann jedenfalls nicht auf Naturalrestitution (ergo: Feststellung der Nichtigkeit der Eintragung) gerichtet sein, da andernfalls die Bestandskraftwirkung der Freigabeentscheidung unterlaufen würde, was wiederum im Widerspruch zu § 246a Abs. 1 S. 1 AktG stünde (siehe zur Bestandskraft im Einzelnen oben 2.d)). Auch der Wortlaut der Gesetzesbegründung spricht gegen eine Beseitigung der Beschlussfolgen: Die Rede ist davon, dass der Aktionär die Anfechtungsklage ‘nur noch mit dem Ziel auf Schadensersatz’ verfolgen könne. Damit setzt der Gesetzgeber voraus, dass die Rechtsfolge der Anfechtungsklage Aktionärsrechte erheblich weniger umfangreich schützt als eine wie auch immer geartete Rückgängigmachung des Beschlusses. Das gleiche gilt für den Sinn und Zweck der Regelung: Nach der Lehre des fehlerhaften Verbands sind jedenfalls strukturändernde, zunächst eingetragene, später aber als nichtig erklärte Beschlüsse erst ex nunc unwirksam. Damit bestünde kein Unterschied mehr zur Eintragung der Nichtigkeit, die aber gemäß § 242 Abs. 2 S. 5 AktG gerade ausscheiden soll. Es verbleibt also die Frage, inwieweit Beeinträchtigungen der mitgliedschaftlichen Rechtsposition durch Schadensersatz in Geld ausgeglichen werden können. aa) Unmöglichkeit der Kompensation von Verwässerungsschäden: Am besten lässt sich dieses Problem am Beispiel von Anteilsverwässerungen als Folge von Kapitalerhöhungen illustrieren. Zwar ist es grundsätzlich möglich, den durch den verminderten wirtschaftlichen Wert der Beteiligung entstandenen Schaden zu ersetzen. Allerdings ist zu beachten, dass ein Bezugsrecht keine kostenlose Gewährung von Aktien bedeutet. Vom Minderwert der gehaltenen Beteiligung nach der Kapitalerhöhung ist demnach noch der Preis des Erhalts der ursprünglichen Beteiligungsquote abzuziehen. Solange der Preis für die jungen Aktien, den die Bezugsrechtsberechtigten zahlen müssen, nicht mit einem erheblichen disagio erfolgt, ist der Schaden folglich äußerst gering. Dennoch ist die in der Aktie verbriefte Mitgliedschaft des Aktionärs tatsächlich und nicht nur wirtschaftlich geschmälert. Auch wenn die dadurch in Zukunft entfallenden Dividenden, wie von §§ 304, 305 AktG vorausgesetzt, prognostiziert werden können, lässt sich der Verlust von Stimm- und anderen Teilhaberechten kaum in Geld aufwiegen. Diese stellen zudem gerade keinen ersatzfähigen Vermögensschaden im Sinne des § 251 BGB dar. Teilhaberechte wie beispielsweise das Stimmrecht sind jedoch Kernbestandteil der verbandsrechtlichen Mitgliedschaft. Damit zeigt sich, dass das allgemeine Schadensersatzrecht des BGB Beeinträchtigungen der verbandsrechtlichen Komponente aktienrechtlicher Beteiligungen nicht zu kompensieren vermag. Folglich kommt es in Betracht, einen Verwässerungsschaden durch die Gewährung zusätzlicher Aktien zu kompensieren – was aber wiederum zu einer Verwässerung bei den übrigen Aktionären führen würde. Dies ist insbesondere denjenigen Aktionären, die ihre Beteiligung nach Fassung des erfolgreich angefochtenen Beschlusses erworben haben, je nach Ausmaß der Verwässerung nur bedingt zumutbar. Darüber hinaus kann selbst bei der radikalen Lösung, die angefochtene Kapitalmaßnahme wieder rückgängig zu machen, eine Kompensation dann nicht erzielt werden, wenn die jungen Aktien mit den alten vermischt oder gemäß § 226 AktG zusammengelegt wurden. Einzig und allein kommt daher eine Kompensation durch die Ausgabe eigener Aktien in Betracht, allerdings nur soweit die Gesellschaft eigene Aktien hält. Auch dabei entsteht jedoch das Problem, dass durch die Ausgabe eigener Aktien deren mitgliedschaftliche Rechte wieder aufleben, wodurch wiederum die Beteiligung der benachteiligten Altaktionäre verringert wird. bb) Kompensation für die Beeinträchtigung anderer mitgliedschaftlicher Rechte: Daneben sind Beeinträchtigungen anderer Mitgliedsrechte, wie beispielsweise des Stimm- oder Auskunftsrechts denkbar. Derartige Verstöße können jedoch nicht im Wege des Schadensersatzes ausgeglichen werden. Finanzielle Kompensationen kommen nur dann in Betracht, wenn der Wert der Beteiligung, nicht aber mitgliedschaftliche Rechte durch Handlungen der Gesellschaft berührt wird. Selbst wenn die Schmälerung des Beteiligungswerts nur mittelbar durch die Maßnahme erfolgt, scheiden Schadensersatzansprüche des Aktionärs gegen die Gesellschaft aus. cc) Die Gesellschaft als Anspruchsgegner: Gemäß § 246a Abs. 4 AktG ist Anspruchsgegner des anfechtenden Aktionärs die Gesellschaft. Entsprechende Leistungen an Aktionäre kommen daher nicht in Betracht, wenn dadurch das satzungsmäßige Grundkapital angegriffen würde, vgl. § 57 AktG. Aber auch soweit (wie im Normalfall) das Grundkapital nicht angegriffen werden muss, ist die Stellung der Gesellschaft als Anspruchsgegnerin nicht unproblematisch. Die Aktionäre als Eigentümer der Gesellschaft zahlen ihren Schadensersatzanspruch letztendlich selbst. Damit tragen auch die übrigen Aktionäre die Ersatzleistung mit, obwohl sie nicht zwangsläufig diejenigen sind, die die Pflichtverletzung begangen haben. Konsequenterweise müsste sich die Gesellschaft wiederum bei der Verwaltung schadlos halten, die die Rechtsverletzung begangen hat. Bei konsequenter Auslegung führt der Schadensersatzanspruch aus § 246a Abs. 4 AktG daher mittelbar zu einer persönlichen Haftung der verantwortlichen Vorstands- und Aufsichtsratsmitglieder nach §§ 93, 116 AktG, vorausgesetzt, dass diese sich nicht exkulpieren können. Praktisch muss der Aufsichtsrat die Regressansprüche der Gesellschaft gegen den Vorstand geltend machen, § 112 AktG. Bei Schadensersatzansprüchen infolge fehlerhafter Hauptversammlungsbeschlüsse wird dies aber kaum geschehen, da der Aufsichtsrat an der Beschlussfassung mitwirkt und folglich selbst in der Haftung steht. Den Aktionären verbliebe daher nur noch die Geltendmachung von Ersatzansprüchen gemäß § 148 AktG. dd) Benachteiligung nicht klagender Aktionäre: Hinzu kommt, dass der Verweis des einzelnen Aktionärs auf Schadensersatz mangels interomnes Wirkung keine Schäden der nicht klagenden Minderheit kompensiert. Dadurch wird zwar weiter das Druckpotential von Klagen verringert, gleichzeitig aber dem redlichen Aktionär (der immer noch das gesetzliche Leitbild darstellt) jeder Anreiz genommen, im Sinne der Aktionärsgesamtheit die Durchsetzung des Rechts zu betreiben – denn dies ist mit einer einzigen Klage schlicht nicht mehr möglich. Damit offenbart der Gesetzgeber, dass er auf die ursprüngliche institutionelle Wirkung des Beschlussmängelrechts keinerlei Wert mehr legt. c) Fazit: Mit der Einführung des Quorums sowie der Interessenabwägungsklausel beschränkt der Gesetzgeber in erheblicher Weise die Durchsetzung von Kernrechten des Kleinaktionärs, die ihm aus seiner Gesellschafterstellung erwachsen. Der Gewinn an Rechtssicherheit für Unternehmen durch frühe Eintragungen mit endgültiger Bestandskraft ist zu dem Preis erkauft worden, dass Korrekturen von Beteiligungsverhältnissen nicht mehr zwischen den Gesellschaftern vorgenommen werden, sondern vielmehr auf Kosten der Gesellschaft gehen.

Über den Autor

Dr. iur. Sebastian Schilling, M.A. (Oxon), LL.B. (Bucerius) wurde 1984 in Genf geboren und wuchs in Bonn auf. Nach seinem Philosophy, Politics & Economics Studium am The Queen’s College, University of Oxford absolvierte er 2009 sein erstes juristisches Staatsexamen in Hamburg und promovierte anschließend bei Prof. Dr. Ingo Saenger an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster im Aktienrecht.

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