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- Storytelling in der Bibliotherapie. Ein analytischer Leitfaden für heilsame Geschichten
Psychologie
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Verlag:
Diplomica Verlag
Imprint der Bedey & Thoms Media GmbH
Hermannstal 119 k, D-22119 Hamburg
E-Mail: info@diplomica.de
Erscheinungsdatum: 10.2019
AuflagenNr.: 1
Seiten: 124
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback
Während die Bibliotherapie den Anspruch auf heilende literarische Texte stellt, ist es ein Anliegen der Erzählkunst, durch einen gelungenen Spannungsaufbau Inhalte wissensfördernd zu vermitteln. Die vorliegende Studie wendet Storytelling – ein Begriff, unter dem die Kunst des Erzählers neuen gesellschaftlichen Aufschwung erfährt – im bibliotherapeutischen Kontext an, um den Therapiewert einer Geschichte zu erkennen und gegebenenfalls auch steigern zu können. Dazu werden Kenntnisse aus psychologischen sowie erzähltheoretischen Bereichen der Literaturwissenschaft gesammelt, die zu einem umfassenden analytischen Leitfaden zusammengetragen werden dieser beachtet sowohl leser- als auch textorientierte Aspekte, die in der bisherigen Forschung zumeist getrennt untersucht wurden. Anhand des entwickelten Konzeptes werden exemplarisch drei Geschichten aus Jorge Bucays Roman Komm, ich erzähl’ dir eine Geschichte untersucht, die in einem fiktiven therapeutischen Setting zur Anwendung kommen. Das vorliegende Buch soll einen Beitrag zur Literaturanwendung im gesundheitsfördernden Bereich leisten.
Textprobe: Kapitel 3.2.2. Lese- und Leserpsychologie: Wer? Liest was? Wieviel und wie? Wann und wo? Warum? Und mit welcher Wirkung? Wenn diese Fragen (…) einwandfrei beantwortet würden, wüssten wir eine Menge über das Leseverhalten der Bevölkerung. Robert Polt in Freude am Lesen, 1986 Die fiktionale Welt literarischer Texte ist gefüllt mit handelnden Figuren, die ihre Gefühle und Gedanken ausdrücken – wer sie psychologisch versteht, hat mehr von der Lektüre, dessen ist sich Peter von Matt 1972 in seiner Einführung in die Literaturwissenschaft und Psychoanalyse sicher. (Allkemper/Eke 2010, S.179f.) Unter Einfluss des Psychoanalytikers Siegmund Freud entsteht Anfang des 20. Jahrhunderts die psychoanalytische Literaturwissenschaft, die sich sowohl mit der psychischen Textproduktion eines Autoren auseinandersetzt als auch mit der psychologischen Analyse literarischer Figuren. (Klarer 2011, S. 27f.) Freud entwickelte schon früh ein wirkungsästhetisches Modell, das – beeinflusst von den damals repressiven gesellschaftlichen Umständen – sich auf die befreiende Wirkung literarischer Texte konzentrierte. Er ging davon aus, dass literarische Texte mittels ihrer Ästhetik in dem Leser eine Vorlust erschaffen und ihn dazu verlocken, sich mit ihrer Textarbeit zu beschäftigen anschließend löst der Text – vor allem durch Witz – vorherrschende Spannungen im Leser auf und ermöglicht ihm dadurch, seine Fantasie schamfrei auszuleben. (Allkemper/Eke 2010, S. 457) Neuere literaturpsychologische Forschungen griffen seine Gedankengänge zur literarischen Form und Struktur und deren Wirkungen auf und entwickelten weiterführenden Modelle mit selbstpsychologischen und ichpsychologischen Ansätzen, die im Gegensatz zu den triebpsychologischen Überlegungen Freuds stehen. (vgl. ebd., S.460f.) Die psychoanalytische Literaturwissenschaft entwickelte sich im Laufe des Jahrhunderts unter Einfluss des Analytikers Jacques Lacan weiter und ebnete in den sechziger Jahren den Weg für leserorientierte Strömungen wie der Rezeptionsästhetik, die sich mit der Aufnahme eines Textes durch den Leser und damit entfernt mit psychologischen Phänomenen beschäftigt. (vgl. Klarer 2011, S.28) Während das lesetheoretische Rezeptionskonzept vor den sechziger Jahren noch sehr passiv war, wurde fortan in psychologischen und psychoanalytischen Lesetheorien von einem aktiven Konstruktionsprozess ausgegangen. (Pfeiffer 2018, S. 456) In diesem neuen Ansatz entsteht durch die Interaktion zwischen Text und Leser ein neuer, einzigartiger Text somit existiert nicht nur ein objektiver Text, sondern ebenso viele Texte wie Leser. (vgl. Klarer 2011, S.29) Die Kommunikation zwischen Leser und Text ist ein individueller Prozess, zahlreiche Verläufe und Entwicklungen des Lesers sind dabei zu berücksichtigen: Worterkennung Herstellung semantischer und syntaktischer Relation Integration von Vorwissen Überzeugungen und Erwartungen (vgl. Pfeiffer 2018, S. 456) Christmann und Groeben gehen davon aus, dass diese aufgeführten Teilprozesse parallel und nicht nacheinander stattfinden, da höhere Verarbeitungsprozesse bereits einsetzen bevor Prozesse auf niedriger Ebene abgeschlossen sind. (ebd.) In der Lese(r)psychologie beschäftigt sich die kognitionspsychologische Forschung vor allem mit den kognitiven Strukturen und ihrer Funktionsweise, während die psychoanalytische Richtung eine Beteiligung des (Leser-)Unbewussten bei der Interaktion zwischen Text und Leser annimmt. Ebenso soll die ‚Phantasiestruktur‘ des (literarischen) Textes Übertragungs- und Gegenübertragungsvorgänge zwischen Text und Lesenden auslös[en]. (ebd.) Bei der Untersuchung kognitiver Elemente werden sowohl literarische als auch nicht-literarische Texte untersucht. Norman N. Holland entwickelte die erste empirisch fundierte Rezeptionstheorie anhand einer umfangreichen Untersuchungsreihe, in der er nachwies, wie unterschiedlich individuelle Rezeptionsweisen von Lesern aufgrund ihres identity theme (Identitätsthema) ausfallen. Das Textwerk wird dabei mithilfe der (unbewussten) Strukturen und eigenen Anpassungs- und Abwehrmechanismen so modelliert, bis es mit dem Identitätsthema des Lesers übereinstimmt. (vgl. ebd., S. 462) Die damit verbundene emotionale Komponente oder der Grad der Identifikation ist so nur bei der Lektüre von Alltagstexten möglich, weswegen sich psychoanalytische Rezeptionstheorien bei ihren Untersuchungen vor allem auf literarische Texte konzentrieren. (vgl. ebd.) Hollands Modell wird von Wolfgang Iser im Rahmen seiner einseitigen Betrachtungsweise kritisiert. Dieser führt die unterschiedlichen Rezeptionsweisen nicht nur auf verschiedene Lesepersönlichkeiten zurück, sondern auch auf die Unbestimmtheitsgrade literarischer Texte. (vgl. ebd., S. 84, 267) Ebenso erwähnt seien die lerntheoretisch ausgerichteten Theorien aus der behavioristischen Psychologie, die bis in die 1960er Jahre dominierten. Diese konzentrierten sich bei ihrer Lese(r)forschung auf einwirkende Umweltbedingungen und -reize sowie veränderbare Lesesituationen, während sie die internen Prozesse (kognitive und motivationale) ausließen. Wie schon zuvor angedeutet, war das Problem dieses Kommunikationsmodells vor allem ihre Auffassung der passiven Textbedeutungs-Dekodierung, die weitere komplexe Teilprozesse beim Lesen völlig außer Acht ließ und von der Kognitionspsychologie abgelöst wurde. (vgl. Parr/Honold 2018, S. 145) Aber nicht nur das Lesen, auch der Leser selbst wird in der Leseforschung untersucht. Hans E. Gierhl entwarf bereits 1968 vier Hauptarten des Lesens und ordnete diesen Lesearten jeweils den entsprechenden Lesetypen zu, jedoch mit der Anmerkung, dass hier Mischformen existieren und das Konzept noch unzureichend erforscht sei, worauf auch Groeben und Vorderer hinweisen. (vgl. ebd., S. 466) Bei der Rezeption von Texten spielt die Textsorte keine Rolle, anders verhält es sich jedoch bei der Textwirkung. Wie schon in Kapitel 2.2 erwähnt, wird hier in kognitiv-reflexiv, moralisch-soziale sowie emotionale Wirkung unterteilt, wobei für Groeben und Vorderer die Lektürewirkung literarischer Texte vor allem auf Genuss und Erkenntnis, Identifikation und Erfahrungssimulation beruht. (vgl. ebd.) Der Lesegenuss und damit Wirkungseffekt lässt sich stärken, wenn bei der Identifikation ebenso eine Distanznahme und eine Ablösung von den Figuren möglich ist dies steigert den Erkenntnisprozess und damit das Textverstehen des Rezipienten. (vgl. ebd.)
Caroline Helene Duda, Jahrgang 1988, studierte erfolgreich Theater-, Film- und Medienwissenschaft (B.A., Wien) sowie Biografisches und Kreatives Schreiben (M.A., Berlin). Schon während ihrer Ausbildung als Schreibpädagogin sammelte die Autorin Erfahrung als wissenschaftliche Schreibberaterin an der Universität Wien und verfasste Kurzgeschichten als therapeutisches Begleitmaterial für eine psychotherapeutische Praxis in Nordrhein-Westfalen. Ihre bisherige theoretische wie auch praktische Arbeit mit literarischen Texten motivierte sie zur vorliegenden Studie.
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