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- Selbstpsychologie und Intersubjektivität in der zeitgenössischen Psychoanalyse: Heinz Kohut und Robert Stolorow et al.
Psychologie
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Verlag:
Diplomica Verlag
Imprint der Bedey & Thoms Media GmbH
Hermannstal 119 k, D-22119 Hamburg
E-Mail: info@diplomica.de
Erscheinungsdatum: 01.2015
AuflagenNr.: 1
Seiten: 124
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback
Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich aus behandlungstechnischer Perspektive mit den theoretischen und praktischen Entwicklungen des Werkes von Heinz Kohut und der Gruppe um Robert Stolorow. Im Zentrum der Betrachtung stehen behandlungstechnische Konvergenzen und Divergenzen zwischen Kohuts Selbstpsychologie und der selbstpsychologisch inspirierten intersubjektiven Systemtheorie von Stolorow et al. Anhand grundlegender behandlungstechnischer Eckpfeiler wie Setting, Grundregel, analytische Haltung, Übertragung, Gegenübertragung etc. wird das selbstpsychologische Verständnis dem des intersubjektiven Verständnisses gegenübergestellt. Es zeigt sich, dass beide Richtungen keine Gegensätze darstellen, sondern gemeinsam genutzt, ein modernes Verständnis zeitgenössischer Betrachtungen der Analytiker-Patient-Beziehungsgestaltung möglich werden lassen.
Textprobe: Kapitel 2.1.3, Formen und Umformungen des Narzissmus (1966): Befasst sich der vorhergehende Artikel von 1959 noch primär mit den Begriffen Empathie und Introspektion, so geht der 1966 veröffentlichte Artikel »Forms and transformations of narcissim« [dt: 1966: »Formen und Umformungen des Narzissmus«] schon direkt auf die Narzissmusthematik ein. Eine der Schlüsselaussagen dieses Textes ist die Umformulierung der Narzissmusentwicklung. Deutliche Position gegen den FREUDschen Standpunkt nimmt KOHUT mit dem Satz ein: »Die Antithese zum Narzissmus ist nicht die Objektbeziehung, sondern die Objektliebe« (S. 563. Hervorh. im Orig.). Mit diesem Satz formuliert er eine neue Theorie, dass es neben der Entwicklung der Objektbeziehung, die von einem narzisstischen Ursprung ausgeht – hin zu einer Liebe zum Objekt, in der es – ganz nach FREUDs Vorstellung – um ein Streben nach Lustbefriedigung geht, eine zweite, eigenständige und von der Triebentwicklung getrennte Entwicklung existiert, nämlich die des Narzissmus als Struktur des Selbst, mit dem Ziel einer dauerhaften Stärkung und Stabilisierung des narzisstischen Selbst. Seine Entwicklung ist maßgeblich von den Erfahrungen mit den primären Bezugspersonen abhängig und darf nicht verstanden werden, als eine von Objekten unabhängige Entwicklung. Wenn hier vom Selbst gesprochen wird, so versteht KOHUT zunächst noch das Selbst als überwiegend narzisstisch (narzisstisches Selbst) (vgl. ebd., S. 563). Die narzisstische Entwicklung umfasst zwei voneinander unabhängige Momente. Ausgehend von der (noch in Anlehnung an FREUD formulierten) These eines primär narzisstischen Zustandes, welcher im Laufe der ersten Lebensmonate zunehmend durch unvermeidbare Brüche in der empathischen Wahrnehmung der primären Bezugspersonen frustriert wird, kommt es zum Versuch der Wiederherstellung dieses primär-narzisstischen Zustandes in Form zweier sich eigenständig entwickelnder Systeme: 1. Die Entwicklung eines »Größenselbst« (»grandioses Selbst«), als Träger exhibitionistischer Anteile des Selbst, die im Laufe der Entwicklung als Ambitionen umgewandelt werden 2. die »idealisierte Elternimago«, als Träger idealisierender Selbstanteile, die internalisiert werden und sich als Ideale niederschlagen (vgl. ebd., S. 569ff, MILCH 2001, S. 11f). Beide Narzissmusbestrebungen haben ihre eigene Entwicklung und können demnach auch jeweils spezifische Störungsbilder entstehen lassen, wenn Beeinträchtigungen durch mangelhaftes empathisches Verhalten, die stärker sind, als jede notwendigen, ubiquitär vorhandenen »optimalen Frustrationen« (ein Begriff aus seiner späteren Theorie – s. Punkt 2.2.2.6) auf Seiten der primären Bezugspersonen auftreten. Wird in der Phantasie gemäß dem ersten Punkt das Selbst als Zentrum für Macht und Perfektion erlebt, so werden diese Qualitäten im zweiten Fall den Eltern zugeschrieben, durch deren Bewunderung man selbst Anteil hat und ihre Qualitäten dadurch auf das eigene Selbst scheinen. Der bekannte Ausspruch KOHUTs über den »Glanz im Auge der Mutter« (KOHUT 1966, S.569) als Ausdruck mütterlicher Bewunderung beim Betrachten ihres Kindes, der dem kindlichen Selbst Kraft, Selbstbewusstsein und Stärke verleiht, steht prototypisch für die Wechselwirkung zwischen Größenselbst und Idealisierung der Eltern, was sich psychisch als »idealisierte Elternimago« im Kinde niederschlägt. Als Entwicklungslinie werden die ursprünglich idealisierten Eltern intrapsychisch zu idealisierten Werten, die es anzustreben gilt. Das kindliche Größenselbst wandelt sich schließlich in Ambitionen um, die der Persönlichkeit einverleibt werden. Die Abhängigkeit des sich im Aufbau befindlichen narzisstischen Selbst von den Objekten der frühen Kindheit prägt alle weiteren Erfahrungen mit wichtigen Bezugspersonen im Laufe des Lebens. Jene Abhängigkeit verliert sich auch nicht in einer einmal abgeschlossenen Selbstentwicklung, sondern das Selbst benötigt dauerhaft sein Gegenüber. So ist ein Mensch, der nach Außen hin eine stattliche Anzahl von Freundschaften sein eigen nennt, vielleicht nur an diese Freundschaften gebunden, um durch sie ein stabiles Selbsterleben aufrecht erhalten zu können. Die Objekte werden demnach nicht als eigenständig wahrgenommen, sondern fungieren nur zur Stabilisierung des eigenen Selbst. Auf der anderen Seite kann ein Mensch ohne diese Vielzahl von »Freundschaften« jemand sein, der dennoch reich an Objektbeziehungen ist, da diese stabil und nicht durch prädominante Selbst-Selbstobjektabhängigkeiten kontaminiert sind. Aufgrund eines kohärenten Selbst gerät er nicht in übertriebene Abhängigkeiten von anderen Menschen, die nur zur Stabilisierung seines Selbstgefühls benötigt werden. Der Unterschied liegt in der Verwendung der Objekte. Ersterer braucht die Freundschaften, um sich ausschließlich selbst zu stabilisieren, letzterer nennt ein stabiles Selbst sein eigen und kann den Anderen als einen von sich getrennten aber in einer reifen Beziehung mit sich verbundenen Menschen erleben. Diese Beziehungen schließen notwendige Selbst-Selbstobjektanteile nicht aus, sie drängen sich jedoch nicht in den Vordergrund und hinterlassen demnach nicht den Eindruck von reinen Abhängigkeitsbeziehungen zum Zwecke der Selbststabilisierung.
Knuth Müller, Dr. phil., Dipl.-Psych., Dipl.-Päd., ist als Fachsozialarbeiter für Klinische Sozialarbeit (ZKS/rBSA), Psychotherapeut und Psychoanalytiker in eigener Privatpraxis tätig. Seine Arbeitsschwerpunkte liegen dabei in der Entwicklungspsychologie, Theorie und Praxis der Psychoanalyse sowie in der Geschichte der Psychoanalyse. Nebenberuflich arbeitet der Autor als Lehrbeauftragter für psychodynamische Psychotherapie und Psychoanalyse am FB Medical Psychology der Steinbeis Hochschule Berlin. Sein derzeitiger Forschungsschwerpunkt liegt in der Zusammenarbeit der psychoanalytischen Gemeinschaft mit US-amerikanischen Geheimdiensten seit 1940.
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