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- Risiko Psychotherapie? Positive und negative Effekte psychotherapeutischer Behandlungen
Psychologie
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Verlag:
Diplomica Verlag
Imprint der Bedey & Thoms Media GmbH
Hermannstal 119 k, D-22119 Hamburg
E-Mail: info@diplomica.de
Erscheinungsdatum: 10.2016
AuflagenNr.: 1
Seiten: 136
Abb.: 10
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback
Die Psychotherapieforschung ist ein relativ junges Forschungsgebiet. Empirische Nachweise über die Wirksamkeit der Psychotherapie gibt es erst seit wenigen Jahrzehnten. Die hohe Effektivität dieser Behandlungsform gilt zwar als wissenschaftlich bestätigt, aber warum Psychotherapie wirkt, ist nach wie vor umstritten. Das verwundert, sind psychotherapeutische Behandlungen doch seit langer Zeit ein fester Bestandteil der Patientenversorgung in Deutschland. Noch weniger ist über psychotherapeutische Negativwirkungen bekannt. Dass Medikamente Nebenwirkungen erzeugen und Beipackzettel vor möglichen negativen Folgen warnen, ist allgemein bekannt. Dass eine eher sanfte Intervention wie die Psychotherapie Negativwirkungen erzeugen kann, ist dagegen vielen Menschen nicht bewusst. Dieses Buch stellt den aktuellen Forschungsstand zu den positiven und negativen Effekten der Psychotherapie und deren Ursachen dar und bricht mit einigen altbekannten Vorstellungen.
Textprobe: Kapitel 3 Positive Psychotherapie-Effekte und deren Wirkfaktoren: 3.1 Extratherapeutische Faktoren: Mit extratherapeutischen Faktoren sind Ereignisse oder Prozesse gemeint, die außerhalb der Behandlungssituation stattfinden und an Veränderungen beim Klienten wesentlich beteiligt sind (Miller, Duncan & Hubble, 2000). Extratherapeutische Faktoren tragen nicht nur laut Lambert (2013) zu einem erheblichen Teil für Veränderungen in der Psychotherapie bei, sondern diese Annahme wird auch von anderen Autoren vertreten (z.B. Rabkin & Struening, 1976 Miller et al., 2000 Schiepe, 2008 Haupt, Linden & Strauß, 2013). Extratherapeutische Faktoren können sich nach Miller et al. (2000) als zufällige, unvorhergesehene Begebenheit zeigen, die Ereignisse in Gang setzen, die am Ende in der Lösung des Problems gipfeln oder auch in der Stärke und den Ressourcen eines Klienten, sich die Hilfe anderer zu sichern. Die Autoren plädieren dafür, diese Faktoren gezielt für die Therapie nutzbar zu machen. Ein änderungsorientiertes Vorgehen würde dies ermöglichen. Dabei sollten Veränderungen beim Klienten gezielt beobachtet und ausgewertet werden. Der Therapeut sollte darauf vertrauen, dass sich Änderungen einstellen und ein Umfeld schaffen, welches diese Änderungen wahrscheinlicher macht. Eigenkompetenzen des Klienten sollen anerkannt und seine Stärken nutzbar gemacht werden. Auch nach Grawe (2004) ist für das Therapieergebnis entscheidend, inwieweit es Therapeuten gelingt, eine Lösungs- bzw. Ressourcenperspektive bei Klienten zu aktivieren. Allerdings konnte der Forscher mit seinen Prozess- und Mikroprozessanalysen nachweisen, dass Therapiedialoge in viel höherem Ausmaß als erwartet durch eine Problem- als durch eine Lösungs- bzw. Ressourcenperspektive von Therapeuten bestimmt sind. Ein Widerspruch den auch Miller et al. (2000) erkennen, da sie ihren änderungsorientierten Therapiestil …im scharfen Kontrast zu einem Großteil der herrschenden psychotherapeutischen Theorien und Verfahrensweisen sehen (ebd. S. 57). Auch Freyberger und Spitzer (2013) weisen darauf hin, dass Ereignisse die außerhalb der Therapie stattfinden, in der therapeutischen Praxis wenig Berücksichtigung finden und fügen hinzu, dass auch die Psychotherapieforschung diesen Wirkfaktor bisher vernachlässigt hat. Das irritiert, wenn man bedenkt, dass extratherapeutische Faktoren nach Lambert (2013) den größten Einzelbeitrag zur Veränderungen in der Psychotherapie ausmachen. 3.2 Die Bedeutung des Placebo-Effekts für die Psychotherapie: Die Psychotherapie musste sich lange dem Vorwurf aussetzen, nicht mehr zu sein als ein Placebo-Effekt, was dem engen Verständnis des medizinischen Modells entspricht, bei dem alle Effekte, die nicht in das mechanistische Weltbild passen, als Placebos abgetan werden können. Das führte dazu, dass die Psychotherapieforschung angehalten war, den relativen Nutzen von Psychotherapie im Vergleich zu Placebokontrollen nachzuweisen. Ein Vorhaben, das eindrucksvoll gelang, wie zahlreichen Studien zeigen (Lambert & Ogles, 2013). Inert oder nicht-spezifisch sind weder Placeboeffekt noch Psychotherapie, denn liegt eine Wirkung vor, ist sie nicht unbeteiligt und wird diese benannt, ist sie nicht unspezifisch. Zudem ist der Placeboeffekt interessant, da er zur Heilung beisteuern und somit auch in der Psychotherapie gezielt genutzt werden kann. So findet sich der Placeboeffekt, z. B. in Form des Wirkfaktors Besserungserwartungen in Konzeptionen allgemeiner Wirkfaktoren wieder (Pfammatter & Tschacher, 2012). Ein Blick in die Medizingeschichte zeigt, dass über lange Zeit Substanzen verabreicht und Prozeduren durchgeführt wurden, die wir heute als Placebos bezeichnen würden (Metzing-Blau, 2008). Einige Historiker behaupten sogar, dass ein großer Teil der Heilungserfolge in der Geschichte auf Placeboeffekte zurückzuführen sind (Pozgain, Pozgain & Degmecic, 2014). Schon Platon glaubte, dass Worte heilende Kräfte haben und plädierte dafür medizinische Lügen einzusetzen, wenn sie der Heilung dienen können (Brody & Brody, 2002). Das Placebo hatte als heilende Kraft des Vorstellungsvermögens , sei es bewusst oder unbewusst, über Jahrtausende einen festen Platz bei vielen Heilbehandlungen. In den 30ger Jahren des letzten Jahrhunderts, veränderte sich diese Bedeutung, da das Placebo-Phänomen zum ersten Mal gezielt als Kontrollinstrument in Arzneimittelstudien eingesetzt wurde (Jütte, 2011), meist ohne den beobachteten Placeboeffekt näher zu analysieren (ebd.). Seit dem gelten randomisierte und placebokontrollierte Studien als Goldstandard , wenn es um den Wirkungsnachweis klinischer Studien geht. Aus therapeutischer Sicht gilt dieses Vorgehen allerdings als nicht ganz unproblematisch, da nach Gabe eines Placebos klinisch bedeutsame Effekte zu beobachteten sind (Schneider, 2005). So richtet sich neuerdings Kritik gegen dieses Forschungsdesign, nicht aus methodischen, sondern aus ethischen Gründen (Pozgain et al., 2014). Aber was wird unter einem Placebo-Effekt nun genau verstanden? Eine übliche Definiton lautet: A physician gives a patient a pill that, unbeknownst to the patient, is merely a sugar pill. This is the placebo. Presently, the patient’s health improves, apparently because of the belief that the pill was a pharmacological agent, effective for the condition. This is the placebo effect. (Stewart-Williams & Podd, 2004, S.325). Es gibt zudem eine Reihe weiterer Definitionen die das Phänomen weiter Ausdifferenzieren, wie Tabelle 1 zeigt. Die hier definierten Placebo-Effekte beziehen sich auf medikamentösen Formen, bei denen zwischen oralen und intravenösen Applikationen unterschieden werden kann. Bei der Gabe von Placebo-Tabletten spielen u. a. die Farbe und die Größe eine Rolle. Es gibt aber auch andere Formen von Placebos z. B. Scheinakupunkturen oder auch Scheinoperationen. Neben der zentralen Rolle, die das Placebo in der klinischen Forschung spielt, wird es auch in der therapeutischen Praxis eingesetzt. So kommt eine neuere Schweizer Studie zu dem Ergebnis, dass 72 % der befragten Schweizer Hausärzte Placebos einsetzen. Diejenigen, die Placebos in ihrer Praxis anwenden, greifen größtenteils auf Pseudo-Placebos (57 %) zurück, eine Minderheit (17 %) verabreicht reine Placebos (Stellungnahme des Wissenschaftlichen Beirats der Bundesärztekammer, 2010).
Janko Claus wurde 1976 in Magdeburg geboren. Sein Master-Studium der Rehabilitationspsychologie an der Hochschule Magdeburg-Stendal schloss der Autor im Jahr 2015 erfolgreich ab. Während seines Studiums weckte ein Zeitschriftenartikel über negative Therapiewirkungen sein Interesse. Dieses Thema ließ ihn in der Folgezeit nicht los. Er beschloss, dieser Thematik zu passender Zeit auf den Grund zu gehen. Die durchaus provokanten Ergebnisse dieser Literaturstudie sind nun in diesem Buch nachzulesen.
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