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- Droge, Individuum oder Umwelt? Die entscheidenden Faktoren bei der Entwicklung und Aufrechterhaltung von Suchterkrankungen
Psychologie
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Verlag:
Diplomica Verlag
Imprint der Bedey & Thoms Media GmbH
Hermannstal 119 k, D-22119 Hamburg
E-Mail: info@diplomica.de
Erscheinungsdatum: 02.2019
AuflagenNr.: 1
Seiten: 112
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback
Will man Suchterkrankungen erfolgreich behandeln und bewältigen, muss zunächst die Frage nach den Ursachen geklärt werden. In öffentlichen Diskussionen und von Seiten der Politik wird hierbei oft der Eindruck vermittelt, dass in erster Linie die Drogen selbst Abhängigkeitserkrankungen bedingen. Aber sind wirklich die Drogen der Hauptbedingungsfaktor in der Suchtentwicklung? Schließlich gibt es auch zahlreiche Menschen, die regelmäßig Drogen konsumieren, ohne eine Abhängigkeitserkrankung zu entwickeln. Welche Rolle spielen genetische und psychische Faktoren? Welche Bedeutung hat das soziale Umfeld? All diese Fragen werden im Rahmen des vorliegenden Buches auf Basis umfassender Recherchen zum aktuellen wissenschaftlichen Forschungsstand beantwortet. Bei der Beantwortung wird nicht nur darauf eingegangen, welche Faktoren überhaupt aus wissenschaftlicher Sicht in Frage kommen, sondern vielmehr wird dabei aufgezeigt, welche Faktoren bei der Suchtentwicklung im Vordergrund stehen, welche Faktoren nur eine untergeordnete Rolle spielen, und welche Schlussfolgerungen sich aus diesen neuen Erkenntnissen für die Arbeit mit drogenabhängigen Menschen und die Überwindung von Suchterkrankungen ziehen lassen.
Textprobe: Kapitel 4. Umfassende Analyse der Ursachen für die Entstehung und Aufrechterhaltung von Suchterkrankungen auf Basis des Drei-Faktoren-Modells: Die von mir in diesem Kapitel analysierten Faktoren werden jeweils einer der Wirkungsdimension des im Abschnitt 3.1.2 bereits erläuterten Drei-Faktoren-Modells der Suchtentwicklung zugeordnet. Allerdings handelt es sich genauer gesagt hier um ein etwas ausdifferenzierteres Drei-Faktoren-Modell, da ich bspw. bei der Dimension des Individuums noch zwischen genetischen und psychischen Faktoren, und bei der Dimension der sozialen Umwelt noch zwischen Makroebene und Mikroebene unterscheiden werde. 4.1 Die Dimension der Droge: Die erste Wirkungsdimension, die ich untersuche, ist die Dimension der Droge. Um die Ursachen von Drogen- und Suchtabhängigkeit nachvollziehen und analysieren zu können, ist es wichtig zu verstehen, welche Veränderungen die Substanzen beim Konsumenten bewirken. Für ein Verstehen des allen Erscheinungsformen zugrunde liegenden Prinzips der Sucht kommt es darauf an, die charakteristischen Muster der Veränderungen in Leib und Seele des Suchtkranken zu begreifen.” (Bell, 2015, S. 23) Schließlich werden Drogen immer mit dem Ziel konsumiert einen gewissen Erlebniszustand herzustellen oder einen bestehenden Erlebniszustand zu verändern (vgl. Tretter, 2017, S. 1). Wie bereits im Abschnitt 1.2 beschrieben, werden vor allem seitens der Politik die Drogen und deren Wirkungsweise als Hauptbedingungsfaktor für die Entstehung von Suchterkrankungen betrachtet. Aber auch in der Medizin werden oft die neuronalen Veränderungen, bedingt durch den Drogenkonsum, als wichtigster Faktor für die Suchtentwicklung gesehen: Sucht ist [...] eine erworbene neurochemische Gehirnkrankheit.” (Tretter, 2016c, S. 18) Sucht oder Medikamentenabhängigkeit sind eine Krankheit des ZNS, deren Frühsymptome Miss- und Fehlgebrauch sein können. (Maier, 2008, S. 639) Bezüglich der Wirkungsdimension der Droge geht es in diesem Abschnitt folglich darum, wie Drogen sowohl kurzfristig als auch langfristig wirken. Dieses Wissen über die Wirkungsweise von Drogen kann meines Erachtens auch im Rahmen einer Psychoedukation für Betroffene sinnvoll sein. Grundsätzlich können dabei neben kurzfristigen und langfristigen Folgen auch subjektive Veränderungen und objektive Veränderungen unterschieden werden. Mit den subjektiven Effekten sind die emotionalen Zustandsveränderungen und die Bewusstseinsveränderungen beim Konsumenten gemeint, während mit den objektiven Effekten die Veränderungen auf somatischer – genauer gesagt neuronaler – Ebene gemeint sind. In der Regel können die durch den Substanzkonsum ausgelösten Prozesse im Gehirn des Konsumierenden als Erklärung für die subjektiven Zustandsveränderungen herangezogen werden. Betrachtet man zunächst die langfristigen Folgen von Drogenkonsum, dann ist eindeutig, dass ausnahmslos alle im Abschnitt 2.3 genannten psychoaktiven Substanzen erwiesenermaßen bei langfristigem, missbräuchlichem Konsum negative Auswirkungen auf die Gesundheit des Konsumenten haben und ernsthafte körperliche und psychische Erkrankungen hervorrufen können. Bei den legalen Drogen wie Alkohol und Nikotin liegt der Schwerpunkt eher auf körperlichen Erkrankungen, während bei den illegalen Drogen zusätzlich auch psychische Erkrankungen, insbesondere Psychosen, entstehen können. (vgl. Scheerer, 1995, S. 86ff. Tretter, 2017, S. 223-234) Eine kleine Ausnahme stellt die Medikamentenabhängigkeit dar. Dies liegt allerdings daran, dass in dieser Hinsicht kaum Studien finanziert werden und die Veröffentlichung von Ergebnissen zu negativen Folgen des Medikamentenmissbrauchs durch die Pharmaindustrie verboten werden. (vgl. Tretter, 2017, S. 28) Bei den in Forschungsergebnissen postulierten gesundheitsschädlichen Folgen des Drogenkonsums im Hinblick auf die Psyche und den Körper des Konsumenten, darf jedoch nicht vergessen werden, dass jeder Organismus sich einerseits unterschiedlich schnell an den Substanzkonsum gewöhnt und andererseits die Phase, ab der der Konsum gesundheitsschädigend wirkt, bei jedem Organismus unterschiedlich schnell einsetzt. Auch im Vergleich zwischen den verschiedenen Substanzklassen, muss die individuelle Reaktion des Organismus des Konsumenten auf die wiederholte Einnahme der jeweiligen Droge berücksichtigt werden. Untersuchungen, denen zufolge nach z.B. Alkoholkonsum gesundheitsschädigender sei als Zigarettenrauchen, können nicht auf den Einzelnen übertragen werden, da dessen Organismus auf das Zigarettenrauchen mit stärkeren gesundheitsschädigenden Folgen reagieren kann als auf den Alkoholkonsum. (vgl. Bode, 1984, S. 136) 4.1.1 Subjektive Effekte des Drogenkonsums: Zunächst werden die emotionalen Zustands- und Bewusstseinsveränderungen betrachtet, die der Drogenkonsum beim Konsumenten auslöst: Generell ist hinsichtlich der Wirkungsweise von Drogen immer zu berücksichtigen, dass der Effekt der eingenommenen Substanz neben deren chemischer Struktur vom Zustand des Konsumenten und der Situation, in der sich dieser befindet, abhängig ist. So kann ein Alkoholkonsument, der bereits vor dem Konsum leicht aggressiv erregt war, im betrunkenen Zustand in bestimmten Situationen sehr schnell in einen schweren Erregungszustand mit aggressiven Handlungen geraten. Im Gegensatz dazu kann ein ängstlich-depressiv gestimmter Mensch durch den Alkoholkonsum diese negativen Affekte noch verstärken und sogar zu suizidalen Handlungen verleitet werden. (vgl. Tretter, 2017, S. 39f.) Um eine Übersicht über die verschiedenen Wirkungsweisen der wichtigsten Substanzklassen zu erhalten, hat es sich bewährt diese bestimmten Wirkungsdimensionen zuzuordnen. Bis vor einigen Jahren wurden dabei noch drei Wirkungsdimensionen des Drogenkonsums unterschieden. Substanzen, die überwiegend aktivierend wirken – wie bspw. Amphetamine – werden als Stimulantien bezeichnet. Dem gegenüber stehen die Sedativa bzw. Hypnotika – wie z.B. Benzodiazepine - die überwiegend einen sedierenden Effekt haben. Sogenannte Halluzinogene – wie bspw. LSD – wirken überwiegend psychodysleptisch und führen zu Halluzinationen und Wahrnehmungsveränderungen. (vgl. a.a.O., S. 40f.) Man unterscheidet [bezogen auf die Halluzinogene] bisweilen Halluzinationen von »Pseudohalluzinationen«, wobei bei Letzteren das Ich die ungewöhnlichen Wahrnehmungen distanziert und als wesensfremd erlebt, im anderen Fallen jedoch diese gestörten Wahrnehmungen in das Erleben integriert werden.” (Tretter, 2016c, S. 16f.) In den letzten Jahren wurde zu diesen drei Wirkungsformen noch die entaktogene Wirkung hinzugefügt. Diese Wirkungsweise beschreibt einen Zustand, bei dem sich der Konsument ganz bei sich selbst fühlt und auch in seinem Umgang mit anderen ein hohes Maß an Harmonie erfährt, was besonders beim Konsum von Ecstasy der Fall ist. (vgl. Tretter, 2017, S. 40f.) Zwei Punkte sind allerdings bei der Zuteilung von Substanzklassen zu Wirkungsdimensionen zu beachten. Zum einen handelt es sich dabei nur um eine grobe Einteilung ohne feste Grenzen, da die Drogen oft zu gewissen Anteilen mehrere Wirkungsdimensionen aufweisen. So können z.B. alle Stimulantien auch zu Halluzinationen führen. Zum anderen erlaubt die molekulare Struktur einer Substanz keine eindeutige Zuordnung zu diesen Wirkungsdimensionen, weil die Struktur einer Droge nur begrenzt Rückschlüsse auf dessen Wirkung zulässt. (vgl. a.a.O.) Substanzen, welche ihre Wirkung hinsichtlich verschiedener Wirkungsdimensionen entfalten können, werden teilweise auch als ‚bimodal‘ oder ‚multimodal‘ bezeichnet. Der Alkohol als eine der verbreitetsten Substanzen ist hierfür ein gutes Beispiel, da er bei niedrigen Dosen auf emotionaler Ebene eher anregend wirkt, während er bei höheren Dosen eher dämpfend wirkt. (vgl. a.a.O., S. 39) 4.1.2 Objektive Effekte des Drogenkonsums: Zu den Folgen des Drogenkonsums zählen auch somatische Veränderungen auf neuronaler Ebene. Diese somatische Dimension ist auch jene, auf die man sich bei der Erforschung der stoffgebundenen Abhängigkeit konzentriert (vgl. Bell, 2015, S. 24). Allerdings kann hierzu noch ergänzt werden, dass [d]ie physiologischen Prozesse, die zur stoffungebundenen Sucht führen, […] ähnlich [sind] wie bei stoffgebundenen Süchten. (Gross, 2016, S. 83) In Ermangelung der Möglichkeit von Menschenversuchen wird die Folge des […] Drogenkonsums vorwiegend an Tieren erforscht. Die Grundannahme dabei ist, die Ursachen der Suchtentwicklung auf neuronaler Ebene finden zu können.” (Bell, 2015, S. 24) Hierzu weise ich vorab darauf hin, dass ich im Rahmen dieses Buches die neuronalen Veränderungen bei Substanzkonsum im Hinblick auf die Suchtentwicklung nur kurz abhandeln werde, ohne dabei zu sehr ins Detail zu gehen. Dies würde zum einen den Umfang dieses Buches sprengen und wäre zum anderen thematisch mehr in den Bereich eines Fachbuchs aus dem Fachgebiet der Medizin einzuordnen. Dennoch sind grobe Kenntnisse in diesem Bereich wichtig, um den Einfluss der Substanzen auf die Suchtentwicklung nachvollziehen zu können. Die Untersuchungen und Tierversuche zu den somatischen Veränderungen bei kontinuierlichem Konsum bestimmter Substanzen konnten dabei zeigen, dass die Vielfalt der Suchterkrankungen sich hinsichtlich ihrer Effekte und Wirkungsmuster auf das neuronale System kaum voneinander unterscheiden und auf die gleichen Prinzipien zurückgeführt werden können. (vgl. a.a.O., S. 24f.) Allen Suchtkrankheiten gemeinsam ist eine Erregung des limbischen Systems.” (a.a.O., S. 25) Beginnt man darüber hinaus die Stoffwechselebene im Gehirn nicht nur bei einmaligem, sondern auch bei längerfristigem Drogenkonsum zu untersuchen, ist es sinnvoll, zwei zentrale Phänomene der Sucht voneinander abzugrenzen und getrennt voneinander zu betrachten, da für diese Phänomene auch unterschiedliche Regelkreise im Gehirn verantwortlich sind. Das eine ist die ‚toxisch bedingte Befindensänderung‘, die vereinfacht auch als Rausch” bezeichnet werden kann. Dieses Rauscherleben und die damit zusammenhängenden emotionalen Zustandsveränderungen lassen sich - wie bereits angesprochen - größtenteils auf Veränderungen im ‚limbischen System‘ – auch Belohnungssystem genannt – zurückführen. Das andere Phänomen ist das süchtige Verhalten, welches in Folge des wiederholten Rauscherlebens entstehen kann. Hinsichtlich des Aufbaus von ‚süchtigem Verhalten‘ spielen Lernprozesse unter Beteiligung des limbischen Systems die wichtigste Rolle. (vgl. Tretter, 2016c, S. 32ff.)
Julian Laut, geboren 1993 in Friedberg, arbeitete bereits nach seinem Abitur über den Zeitraum von 18 Monaten auf einer geschlossenen Entgiftungs- und Motivationsstation für suchtkranke Jugendliche. Schon während dieser Zeit beschäftigte er sich mit den Fragen nach den Ursachen der Sucht und der bestmöglichen Behandlung für die drogen- und suchtabhängigen Patienten. Innerhalb seines darauffolgenden Sozialpädagogikstudiums, welches er im Sommer 2018 mit dem akademischen Grad Bachelor of Arts erfolgreich abschloss, setzte er sich darüber hinaus auf wissenschaftlicher Ebene intensiv mit Abhängigkeitserkrankungen auseinander. Durch ein Praktikum in einer ambulanten Wohngruppe für suchtmittelabhängige Erwachsene während des Studiums sammelte er zusätzlich dazu weitere praktische Erfahrungen in diesem Bereich. Der Wunsch, die zu diesem Thema gewonnen Erkenntnisse an Betroffene, deren Angehörige und insbesondere an all diejenigen, die in ihrer täglichen Arbeit mit suchtkranken Menschen zu tun haben, weiterzugeben und ihnen eine Hilfestellung bei der Behandlung und Überwindung von Suchterkrankungen zu bieten, motivierte ihn das vorliegende Buch zu schreiben.
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