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- Die substitutionsgestützte Behandlung von Menschen mit Opiatabhängigkeit – Nachhaltige Hilfe oder Verlängerung der Abhängigkeit? Eine Studie zu Effizienz und Problematik der Opiatsubstitution
Psychologie
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Verlag:
Diplomica Verlag
Imprint der Bedey & Thoms Media GmbH
Hermannstal 119 k, D-22119 Hamburg
E-Mail: info@diplomica.de
Erscheinungsdatum: 01.2022
AuflagenNr.: 1
Seiten: 152
Abb.: 4
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback
In diesem Buch wird zunächst ein Überblick über Geschichte, Hintergründe und Rahmenbedingungen der Substitutionsbehandlung in Deutschland gegeben und darauf eingegangen, inwieweit soziale Probleme opiatabhängiger Personen durch Aufnahme einer Substitutionsbehandlung behoben werden können bzw. fortbestehen. Anhand von Leitfadeninterviews mit Personen, die sich zum Teil in einer Substitutionsbehandlung befinden und zum Teil ihre Substitutionsbehandlung erfolgreich beendet haben, wird geprüft, ob die Behandlung tatsächlich effektive Hilfe für die Betroffenen darstellt oder ob sie auch Risiken – beispielsweise eine Verhinderung des Ausstiegs aus der Opiatabhängigkeit – mit sich bringt. Auch setzt sich die Studie damit auseinander, welche persönlichen Faktoren im Leben der Interviewten für einen Ausstieg aus bzw. für einen Verbleib in der Substitution ausschlaggebend sind. Zudem wird untersucht, wie die Interviewten ihre Situation erleben und als wie effektiv sie die Angebote des Hilfesystems wahrnehmen.
Textprobe: Kapitel 3.1 Das Problemkonzept nach Silvia Staub-Bernasconi: In ihrem Aufsatz verdeutlicht Staub-Bernasconi, dass für Menschen neben einer menschen- und naturgerechten ökologischen Umwelt eine menschengerechte Gesellschaft nötig ist, um überleben zu können und sowohl Existenz als auch Wohlbefinden zu sichern. Die Soziale Arbeit ist laut Staub-Bernasconi mit vier Problemkategorien auf unterschiedliche Weise konfrontiert: Zum einen hat sie mit Problemen der individuellen Bedürfnis- und Wunscherfüllung, sogenannten Ausstattungsproblemen, zu tun, zum anderen ist Soziale Arbeit mit Problemen der Verständigung, Kooperation und des Austausches zwischen Menschen konfrontiert, die Staub-Bernasconi als Austauschprobleme bezeichnet. Eine weitere Problemkategorie sind die Machtprobleme, hierbei handelt es sich um Probleme der abgesicherten Besitznahme, der Herrschaft und der unfairen Arbeitsteilung in sozialen Systemen. Als vierte Kategorie nennt Staub-Bernasconi Kriterienprobleme, die sich daraus ergeben, dass aus den Machtproblemen Regeln der Ressourcenverteilung sowie unterschiedliche Faktoren, die die Verteilungsmuster stützen und legitimieren, entstehen. In allen diesen Bereichen können Probleme auftreten, da Menschen vielfache Wünsche und Bedürfnisse haben, zu deren Befriedigung sie auf Ressourcen angewiesen sind, die in ihren sozialen Systemen unterschiedlich knapp sein können (vgl. Staub-Bernasconi 1994, S. 14). Bei den sozialen Ausstattungsproblemen handelt es sich um Probleme, die im Zusammenhang mit der unterschiedlichen Teilhabe von Individuen an unterschiedlichen Ressourcen oder Errungenschaften einer Gesellschaft stehen. Es kann sich hier um psychische, gesundheitsbezogene, medizinische, soziale und kulturelle Ressourcen handeln. Staub-Bernasconi nennt sechs unterschiedliche Ausstattungsdimensionen, die für die Soziale Arbeit zentral sind (vgl. Staub-Bernasconi 1994, S. 15). Nicht nur Individuen können unter Ausstattungsproblemen leiden, sondern auch soziale Systeme wie z. B. Familien, Nationen oder Organisationen. Staub-Bernasconi nennt die Ausstattungsprobleme Probleme beeinträchtigter Bedürfniserfüllung, hierbei spielt es keine Rolle, wodurch die Beeinträchtigungen entstanden sind und welche Folgen sie haben. Insbesondere Grundbedürfnisse sind Bedürfnisse, die befriedigt werden müssen. Werden sie nicht erfüllt bzw. werden sie durch Lernprozesse über- oder verformt, kann dies geistige Desorientierung, psychische Einbrüche, abweichendes, selbstzerstörerisches Verhalten, Apathie und soziale Isolation fördern. Nicht zu verwechseln mit den Grundbedürfnissen sind Wünsche. Diese sind grenzenlos, berücksichtigen keine reale Ressourcenknappheit und beziehen sich weder direkt auf psychisches Wohlbefinden noch auf physisches Überleben oder auf Formen sozialer Anerkennung (vgl. Staub-Bernasconi 1994, S. 17 f.). Staub-Bernasconi verweist darauf, dass verschiedene Studien über und mit unterschiedlichen Bevölkerungsgruppen wie z.B. Armen, Drogenabhängigen und psychisch Kranken sehr ähnliche Muster von Ausstattungsproblemen zeigen und dass dies darauf hinweist, dass in einigen gesellschaftlichen Orten gleich mehrfache Defizite von Individuen vorliegen. Hier kann, sofern die Betroffenen ihre Ausstattung und gesellschaftliche Position nicht verbessern können, ein sich selbst stabilisierendes System von Ausstattungsdefiziten entstehen (vgl. Staub-Bernasconi 1994, S. 19). Als weiteren Problembereich nennt Staub-Bernasconi die Austauschprobleme. Zur Befriedigung ihrer Wünsche und Bedürfnisse sind Menschen auf Austauschbeziehungen mit anderen Menschen angewiesen, wobei ihre Ausstattungsmerkmale und die damit zusammenhängenden Ressourcen zu Tauschmedien werden. Neben materiellen Dingen können auch z. B. Gefühle, Handlungskompetenzen und verschiedene Wissensformen als Tauschmedien fungieren. Besteht eine Gleichwertigkeit des Ausgetauschten, können die Tauschmedien zu Kooperation und Solidarität verhelfen, bei einem Ungleichgewicht hingegen können sie Konflikte und Instrumentalisierungen zwischen Menschen hervorrufen mit der Folge, dass ein/e AustauschpartnerIn laufend verliert, während das Gegenüber permanent Gewinn und Nutzen aus der Austauschbeziehung zieht. Hat eine Person mehrfache Ausstattungsdefizite, kann sie als TauschpartnerIn unattraktiv werden, was sich nachteilig auf ihr soziales Beziehungsnetz auswirken kann. Durch eine hohe Anzahl an Tauschmedien bzw. Ressourcen hingegen kann eine Person Machtquellen erlangen, da sie nicht mehr auf die Leistungen und Angebote anderer Menschen angewiesen ist und einen klarer Ressourcenvorsprung hat. So kann sie Verhalten, Ausstattung und Beziehungen ihrer TauschpartnerInnen zu ihren Gunsten steuern und kontrollieren (vgl. Staub-Bernasconi 1994, S. 20 ff.). Staub-Bernasconi benennt als weitere Problemkategorie die Machtprobleme. In keiner Gesellschaftsform werden sozioökonomische Güter gleichmäßig an alle Mitglieder verteilt, zudem ist die Gesellschaft in politisch organisierte, territoriale Teilsysteme gegliedert. Außerdem wird nach sozialen Kategorien wie beispielsweise Beruf, Alter oder Geschlecht unterschieden. Ob eine Person Zugang zu Teilsystemen und zu Ressourcen erhält, hängt nicht nur von ihren Bedürfnissen und Fähigkeiten ab, sondern auch davon, ob sie über Machtquellen verfügt. Somit sind auch Machtquellen Ausstattungselemente oder Tauschmedien, da sie dazu verhelfen, Befehle und Ziele durchzusetzen. Machtquellen können z.B. physische Stärke, Erkenntnis- und Sprachkompetenz, Bedeutungssysteme, Handlungskompetenzen, sozioökonomische Ausstattung und soziale Beziehungen sein (vgl. Staub-Bernasconi 1994, S. 24). Ob Macht problematisch wird, hängt damit zusammen, mit welcher Art von Regeln Menschen, Güter, Ressourcen, Positionen, Werte, Ideen und Erzwingungsmittel miteinander verknüpft sind und kontrolliert werden. Durch die Regeln werden der Zugang und die Verteilung von Gütern und Positionen normiert. Darüber hinaus kann durch die Regeln auch eine Legitimation für Hierarchisierung und Schichtung erwirkt werden. Laut Staub-Bernasconi gibt es zwei unterschiedliche Machttypen: Bei der Behinderungsmacht handelt es sich um menschenverachtende Machtverhältnisse, die durch Behinderungsregeln gestützt werden die Begrenzungsmacht hingegen enthält bedürfnis- und menschengerechtere Machtstrukturen, zu denen Begrenzungsregeln gehören (Staub-Bernasconi 1994, S. 25 f.). Als vierten Problembereich führt Staub-Bernasconi die Kriterienprobleme auf: Menschen besitzen die Fähigkeit, sich bessere Welten vorzustellen und über das real Existierende hinauszudenken. Sowohl bezogen auf Bedürfnisse, Austauschasymmetrien, Ausstattungsunterschiede und Machtkonzentrationen können Fragen nach dem Ideal aufkommen. Die Diskrepanz zwischen Ideal und Realität kann von den Individuen unterschiedlich schmerzlich und problematisch erfahren werden. Die vergesellschafteten, überindividuellen und von wenigen oder vielen Personen geteilten, öffentlichen Antworten gehören zur symbolischen Ausstattung der Mitglieder sozialer Systeme. Kommt es hingegen zu einer Institutionalisierung von Normen und Werten, zu öffentlichen Deklarationen, Gesetzen, Richtlinien, Rechten, Pflichten usw., ist der Prozess der Konsensbildung vorläufig beendet. Doch trotz dieser Institutionalisierungen können Menschen, die über mehr Machtquellen verfügen, zur Befriedigung ihrer Wünsche asymmetrische und behindernde Beziehungen aufbauen. Bestehen unbefriedigte menschliche Bedürfnisse, große Machtgefälle und knappe Ressourcen, kann die Suche nach Formen der Vergesellschaftung von Werten gefördert werden. Zudem wird die Wahrscheinlichkeit für die Entstehung subkultureller Werte verstärkt, desto größer das Machtgefälle ist (vgl. Staub-Bernasconi 1994, S. 41). Im Bereich der Wert- bzw. Kriterienthemen bestehen unterschiedliche Probleme: Die Schwierigkeit, Werte gleichzeitig zu beachten und zu verwirklichen, die Missachtung oder Nichterfüllung von bestehenden Kriterien, das Fehlen von Kriterien, die aktive Dekonstruktion bestehender Werte und die willkürliche Anwendung von Kriterien (vgl. Staub-Bernasconi 1994, S. 42 f.). Der Zusammenhang zwischen den vier Problembereichen besteht somit darin, dass die Ausstattung einer Person ihre Attraktivität als AustauschpartnerIn und Beziehungsperson beeinflusst, so dass unterschiedliche Ausstattungen tendenziell zur Stabilisierung von Asymmetrien führen. Diese wiederum bewirken tendenziell, dass durch die Nutzung der Ausstattungsgefälle Machtstrukturen auf- und ausgebaut werden können. Ob dabei begrenzende oder behindernde Machtstrukturen entstehen, ist von unterschiedlichen Faktoren abhängig. Der Kontrollapparat ist dafür verantwortlich, dass soziale Aushandlungs- und Austauschprozesse erwartbar und gleichförmig ablaufen (vgl. Staub-Bernasconi 1994, S. 45). Hieran wird deutlich, dass alle vier Problemkategorien eng miteinander verknüpft sind, Ausgangspunkt aber die Ausstattungsprobleme sind. Bei Personen mit Opiatabhängigkeit liegt häufig eine Bündelung von Ausstattungsproblemen vor. Können diese behoben oder in ihrem Ausmaß abgemildert werden, kann somit auch eine Verbesserung der Situation in den anderen Bereichen erwirkt werden.
Damaris Bretzner, geb. 1977, nahm nach erfolgreichem Abschluss ihres Studiums zur Dipl.-Sozialarbeiterin/-pädagogin eine Tätigkeit in der Drogenhilfe auf und absolvierte berufsbegleitend eine verhaltenstherapeutisch orientierte Weiterbildung zur Sozialtherapeutin Sucht sowie ein Studium zur M.A. Soziale Arbeit. Der Schwerpunkt ihrer Tätigkeit lag in der Drogenberatung, zu der auch die Durchführung Psychosozialer Betreuung substituierter Personen gehörte. Da sie sowohl Personen erlebte, denen es nach langjähriger Opiatabhängigkeit gelang, eine Opiatabstinenz zu erreichen, als auch Personen, die überzeugt davon waren, dauerhaft ein Substitut zu benötigten, wurde ihr Interesse daran geweckt, sich im Rahmen der vorliegenden Studie mit der entsprechenden Thematik auseinanderzusetzen.
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