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- Basis und Einflussfaktoren der Entscheidungsfindung: Problemlösestrategien und Aviation-Decision-Making
Psychologie
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Verlag:
Diplomica Verlag
Imprint der Bedey & Thoms Media GmbH
Hermannstal 119 k, D-22119 Hamburg
E-Mail: info@diplomica.de
Erscheinungsdatum: 09.2014
AuflagenNr.: 1
Seiten: 96
Abb.: 11
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback
Das Ziel des vorliegenden Buches ist es herauszufinden, wie Menschen Entscheidungen treffen. Dabei sollen emotionale Entscheidungsfaktoren genauso berücksichtigt werden wie die mit der Entscheidung einhergehende Ungewissheit über mögliche Konsequenzen. Wann spricht man von einer richtigen oder falschen Entscheidung? Auf welchen Informationen basieren Entscheidungen? Welche Phasen existieren im Rahmen der Problemlösung? Die gewonnenen theoretischen Erkenntnisse werden auf das Themenfeld des Aviation-Decision-Making übertragen und mit verschiedenen Strategien verglichen, die sich ein Pilot im Rahmen seiner Tätigkeit zunutze macht und auf denen entsprechende Entscheidungen basieren. Die Studie diskutiert abschließend Überlegungen zur Verbesserung der Problemlösung und gibt einen Überblick über verschiedene Problemlösestrategien aus der allgemeinen Psychologie.
Textprobe: Kapitel 4.2, Das Entscheidungsverhalten von Piloten: Bis in die 1970er-Jahre gingen Wissenschaftler bei der Betrachtung des Pilotenverhaltens von einem normativen Entscheidungsmodell aus. Dabei wurde der Pilot als rationaler Entscheider beschrieben, der alle verfügbaren Informationen zu den verschiedenen Optionen sucht und sie systematisch prüft. Er wägt die Eintrittswahrscheinlichkeiten und Konsequenzen der einzelnen Handlungsoptionen ab und trifft abschließend eine Entscheidung (Fischer, K./Jungermann, H. & Pfister, H.-R., 2010: S. 361). Nach Betsch et al. (2010) wird im Rahmen einer normativen Entscheidungstheorie bestimmt, wie ein Individuum im Idealfall zu einer Entscheidung kommen sollte. Die Theorie besagt, dass der Entscheidungsprozess in eine Abfolge verschiedener Schritte aufgeteilt wird, die in eine geordnete Reihenfolge transformiert werden müssen (Betsch, T./Funke, J. & Plessner, H., 2010: S. 73) . Das Modell unterstellt dabei, dass Menschen beim Treffen von Entscheidungen, analog zum Maximierungsmodell des Homo oeconomicus, ausschließlich rational handeln. Der US-amerikanische Entscheidungsforscher David O‘Hare (2003) implementierte erstmals vier verschiedene deskriptive Ansätze in den Kontext des Aviation-Decision-Making (Fischer, K./Jungermann, H. & Pfister, H.-R., 2010: S. 361). Der erste Ansatz identifiziert den Piloten als einen sog. faulty computer. Dabei wird unterstellt, dass der Entscheider durch den Einsatz mentaler Heuristiken ‘zu verzerrten Urteilen und dadurch bedingt zu fehlerhaften Entscheidungen’ kommt (Fischer, K./Jungermann, H. & Pfister, H.-R., 2010: S. 361). Verschiedene Studien von Kahneman und Tversky (1974) belegen, dass Entscheidungsträger unter bestimmten Bedingungen intuitiv verschiedene Heuristiken anwenden, um die Entscheidungsfindung zu vereinfachen. Diese können oftmals zu einer korrekten Entscheidung führen, allerdings besteht dafür keine Garantie. Im Jahr 1988 spezifizierten die beiden US-amerikanischen Psychologen Chris Wickens und John Flach die bisherigen Ergebnisse in einem Modell zur Informationsverarbeitung bei Entscheidungsprozessen von Piloten. Die beiden Wissenschaftler zeigten anhand eines praktischen Beispiels auf, in welchen Phasen der Entscheidungsfindung Heuristiken (in diesem Falle die Verfügbarkeitsheuristik) einen Einfluss auf das Urteilsvermögen nehmen: Einem Piloten wurden über die im Cockpit befindlichen Instrumente leere Treibstofftanks signalisiert. Nun musste sich dieser zwischen einer sofortigen Landung oder einer Fortsetzung des Fluges entscheiden. Bis zu diesem Zeitpunkt wurden Modelle, die im Rahmen des Aviation-Decision-Making entwickelt wurden, ausschließlich theoretisch begründet. Stockes et al. (1990) analysierten die Auswirkungen der Verfügbarkeitsheuristik anhand eines computerbasierten Entscheidungstrainingssystems, bei dem die Probanden Raketen auf bis zu fünf verschiedenfarbige Zielobjekte abfeuern mussten und durch Lärm einem weiteren Stressfaktor ausgesetzt wurden. Die Forscher stellten im Rahmen ihrer Studie fest, dass die Teilnehmer die farblich auffällig visualisierten Ziele öfter auswählten als andere. Je mehr Stress der Proband empfand, umso häufiger wurden einzig mental verfügbare Objekte gewählt (Stokes, A./Belger, A. & Zhang, K., 1990: S. 3 ff.). Die These, dass ein Pilot als faulty computer zu bezeichnen sei, bestätigten Mosier et al. (1998) in ihrer Studie zu automatisierten Anzeigen im Cockpit. In einer Simulation veränderten die Forscher die Anzeigen der Messinstrumente. Selbst erfahrene Piloten überprüften die Korrektheit der Instrumente nicht. Aufgrund der inneren Tendenz des Menschen, automatisierten Systemen Glauben zu schenken, wurden Situationen nicht mehr gründlich erfasst und verarbeitet (Mosier, K. L./Skitka, L. J./Heers, S. & Burdick, M., 1998: S. 47-63). Beim zweiten von O‘Hare entwickelten deskriptiven Ansatz wird der Pilot als rational calculator bezeichnet. Der Entscheider kommt hier durch sorgfältige Gewichtung und Abwägung von Informationen zu einem finalen Entschluss. Um dieses Entscheidungsverhalten zu verifizieren, griffen die Wissenschaftler auf Flathers et al. (1982) und ihre verschiedenen Methoden der multiplen Regressionsrechnung zurück. In einem Experiment wurden Piloten unterschiedliche Szenarien vorgestellt, in denen ein technischer Defekt nach der Hälfte der gesamten Flugstrecke auftrat. Die Piloten waren gezwungen, vom regulären Flugplan abzuweichen und eine Notlandung auf einem von 16 zur Verfügung stehenden Flughäfen durchzuführen. Diese wurden durch vier verschiedene Attribute charakterisiert: Einrichtung der Flugsicherung, Wetter vor Ort, Entfernung vom derzeitigen Standort und Möglichkeit des Instrumentenanfluges. Auf einer Skala von am besten bis am schlechtesten mussten die Piloten jedes Attribut bewerten und unter Anwendung statistischer Methoden sich für einen der möglichen Flughäfen entscheiden. Die Forscher konnten aus dem Entscheidungsverhalten der Piloten umfassende Rückschlüsse auf deren Strategie ziehen (Flathers, G. W./Giffin, W. C. & Rockwell, T., 1982: S. 958-963). Der dritte von O’Hare entwickelte Ansatz versteht den Piloten als adaptive decision maker, also als einen Entscheider, ‘der sich auf Grundlage seiner mentalen Repräsentation der Situation und je nach Situation unter den Gesichtspunkten von erforderlicher Genauigkeit und kognitivem Aufwand entscheidet’ (Fischer, K./Jungermann, H. & Pfister, H.-R., 2010: S. 362) . O‘Hare verweist dabei auf die Ansätze von Payne et al. (1993) sowie auf die von Kahneman und Tversky (1979) formulierte prospect theory, die schon behandelt wurde. Um die Modelle auf ihre Praxistauglichkeit im Kontext des Aviation-Decision-Making zu testen, teilten die Wissenschaftler die Probanden in zwei Gruppen auf und simulierten einen Flug, bei dem den Piloten alle relevanten Daten über einen Bordcomputer zur Verfügung gestellt wurden. Im Verlauf der Simulation wurden die Teilnehmer zu einem bestimmten Zeitpunkt über schlechte Wetterverhältnisse am Zielflughafen informiert. Dabei war es den Piloten freigestellt, den Flug fortzusetzen oder umgehend zu beenden. Allerdings wurden sie insofern beeinflusst, als bei der einen Gruppe der mögliche Zeitverlust bei Flugabbruch betont wurde, während die andere Gruppe auf die Möglichkeit hingewiesen wurde, bei Flugfortsetzung weitere Flugstunden sammeln zu können. Analog zu den Erkenntnissen der prospect theory entschieden sich die Piloten der zweiten Gruppe risikoaversiv. Nur 25 Prozent der Teilnehmer stimmten für eine Fortsetzung des Fluges. Im Gegensatz dazu entschieden sich 67 Prozent der ersten Gruppe dafür, den Flug unter allen Umständen fortzusetzen (O‘Hare, D. & Smitheram, T., 1995: S. 351–370).
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