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- Transnationale Familien Rumäniens: Wie Kinder und Jugendliche die Arbeitsmigration ihrer Eltern erleben
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Verlag:
Diplomica Verlag
Imprint der Bedey & Thoms Media GmbH
Hermannstal 119 k, D-22119 Hamburg
E-Mail: info@diplomica.de
Erscheinungsdatum: 12.2013
AuflagenNr.: 1
Seiten: 80
Abb.: 17
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback
In ihrer Studie befasst sich die Autorin mit einem in den sozialwissenschaftlichen Diskursen mittlerweile viel beachteten und ebenso viel diskutierten Thema. Es geht um transnationale Migrationsverläufe, hier vor allem um die Situation transnationaler Familien in einer von Migration besonders betroffenen Region Europas: Rumänien. Sowohl die Brisanz der Situation wie auch die sich rapide wandelnden Migrationsbewegungen haben sich jedoch noch nicht in der entsprechenden wissenschaftlichen Forschung niedergeschlagen. Mit der hier vorgelegten Studie soll ein Beitrag zur Schließung dieser Lücke geleistet werden. Wie leben Kinder und Jugendliche, deren Eltern zur Arbeit ins Ausland migrieren oder migriert sind? Was sind die Motive der Migrantinnen und Migranten? Wie tragen politische und gesellschaftliche Prozesse - beginnend mit dem Systemwandel 1989/90 - mit dazu bei, dass viele Rumänen und Rumäninnen Stellen im europäischen Ausland suchen? Anhand qualitativer wie quantitativer Daten gibt die Autorin auf diese und weitere sich stellende Fragen Antworten. Erhoben wurden die Daten im Rahmen einer ethnografischen Feldforschung in der nordostrumänischen Stadt Dorohoi.
Textprobe: Kapitel 3.2, Transnationale Familien: Familien, deren Strukturen sich über Ländergrenzen hinweg ausdehnen, können als transnationale Familien beschrieben werden. Ähnlich wie oben benannte transnationale Firmen verdankt sich die transnationale Familie der Globalisierung von Wirtschaft und Gesellschaft. Vorbereitend auf die Untersuchungen im 4. Kapitel wird im Folgenden allgemein dargestellt, was Familien mit migrierten Mitgliedern ausmacht oder ausmachen kann. 3.2.1, Eine neue Form von Familie? Diskussion und Definition: Transnationale Familien gehören zum Definiens von Transnationalität. Von einer transnationalen Identität kann dann gesprochen werden, wenn der Migrant/die Migrantin durch die Wanderung auf Zeit eine neue Form von Familie etabliert. Transnationalität entsteht dadurch, dass die vormals an einem Ort gelebten familiären Beziehungen nun über Ländergrenzen hinweg aufrechterhalten werden. Glick-Schiller et al. definieren transnationale Migration deshalb als ‘[...] the process by which immigrants forge and sustain simultaneous multi-stranded social relations that link together their societies of origin and settlement [...]’. Wie aber sind transnationale Familien zu beschreiben? Wie lassen sie sich verstehen? Was bedeutet es, in einer Familie mit transnationalem Charakter aufzuwachsen? Familien, deren Mitglieder migriert sind oder migrieren, sind Gemeinschaftsformen, die sich vom klassischen Familienbild in ähnlicher Weise unterscheiden, wie Familien mit Alleinerziehenden, Familien mit homosexuellen Elternpaaren und sogenannte Patchwork-Familien. Daher ist für die Betrachtung transnationaler Familien die Beobachtung von Hamburger und Hummrich wichtig, wonach ‘Familie [...] im pädagogischen und politischen Diskurs ein normativ aufgeladenes Symbol [...]’ sei. Die Norm für Familie entspricht nach wie vor dem bürgerlichen Familienbild mit einem Versorger, einer Hausfrau und Kindern. Daran wird familiäres Dasein gemessen. Es gilt, diese Norm aufzubrechen, um neuen Formen von Familie würdigen zu können. Transnationale Familien sind zuerst Familien. Sie sind Gemeinschaften, in denen sich Menschen, die miteinander verpartnert sind, um ihren Nachwuchs kümmern. Dabei öffnet sich ein weites Feld, wie genau die Familie gestaltet sein kann. Männer und Frauen, die miteinander verheiratet sind und/oder solche, die es nicht sind, sorgen für Kinder, die ihre eigenen oder zum Teil auch Kinder einer vorherigen Beziehung sein können. Sie sorgen möglicherweise aber auch für ihre eigenen Eltern, ihre Geschwister, deren Kinder oder weitere Verwandte. Transnationale Familien sind Familien, in denen ein hohes Maß an Organisation notwendig ist. Soziale und emotionale Bedürfnisse können aufgrund der räumlichen Trennung einiger Teile der Familie nicht spontan ausgelebt oder gestillt werden, sie müssen verabredet werden. Die Mitglieder transnationaler Familien sind auf technische Hilfsmittel angewiesen, um kommunizieren zu können. Dabei ist die Familie geteilt in zwei (oder mehr) Lager: diejenigen, die in der Heimat sind, und diejenigen, die im Ausland sind. In ihren jeweiligen Räumen können die Familienmitglieder überwiegend spontan interagieren, zwischen den Räumen ist dies nicht möglich. Via Telefon oder Skype müssen Verbindungen aufgebaut werden, zeitlich versetzt kann über Email kommuniziert werden. Diese Teilung der Familie in zwei (oder mehr) Lager ist aber eine zeitweilige. Kommt der migrierte Elternteil zu Besuch, werden alle technischen und organisatorischen Notwendigkeiten obsolet. Daran anknüpfend soll die Perspektive von Phoenix referiert werden. Sie versucht die transnationale Familie in ihrer Komplexität zu fassen, indem sie darauf aufmerksam macht, welche wechselseitigen Austauschbeziehungen bestehen. Familien mit migrierten Angehörigen seien ‘[...] emotional, kognitiv und finanziell kostspielig [...]’. Es sei ein permanentes Aushandeln des Verhältnisses von ‘[...] emotionalen, materiellen und finanziellen Gütern [...]’ notwendig. Obgleich der Begriff der ‘emotionalen Güter’ zu kritisieren ist, benennt Phoenix die wichtigsten Merkmale transnationalen Familienlebens. Dies sind gleichzeitig die größten Herausforderungen einer solchen Familie. Abschließend stellt sich die Frage, ob eine Familie nur dann als transnational zu bezeichnen ist, wenn sich aktuell ein oder mehrere Mitglieder im Ausland befinden, oder ob sie ab dem Moment der Migration einiger ihrer Angehörigen als transnationale Familie gilt - unabhängig davon, wo diese sich aktuell aufhalten. Angesichts der Fülle an Kurzzeitmigrationen plädiere ich für letzteren Begriff. Er verhindert eine verengte Sicht und nimmt die Tatsache ernst, dass die Folgen der Migration auch dann evident sein können, wenn die Wanderung gerade nicht oder nicht mehr stattfindet. 3.2.2 Stand der Forschung Hamburger und Hummrich merken 2007 an, dass ‘[...] Studien zum Zusammenhang von Familie und Migration einen eher singulären Status [...]’ hätten. Wie die Migrationsforschung allgemein relativ spät transnationale Realitäten berücksichtigt hat, so kann dies im Besonderen für Familien im Transmigrationsprozess gelten. Die sogenannte ‘Gastarbeiterforschung’ der 60er und 70er Jahre des 20. Jahrhunderts hatte die Familien der Gastarbeiter in ihren Herkunftsländern ebenso wenig in den Blick genommen wie die Frage, wie sich familiäre Beziehungen über Ländergrenzen hinweg gestalten. Familien, so die Lehrmeinung, wurden nachgeholt oder neu gegründet. Heute ist die Frage, wie sich transnationale Familien organisieren, was sie ausmacht und wie verbreitet sie sind, mehr in den Fokus von Forschern und Forscherinnen gerückt. Dabei spielen zunehmend auch genderkritische Perspektiven eine Rolle. In der ‘care chain’-Debatte wird nach der Transferierbarkeit von emotionaler Zuwendung über Länder- und Schichtgrenzen hinweg gefragt, wobei die Etablierung neuer Möglichkeitsräume für Elternschaft ein wichtiges Anliegen ist. Inwiefern geschieht aber in der sozialwissenschaftlichen Migrationsforschung mit der Fokussierung auf Kinder und auf trans- oder emigrierende Eltern nicht eine Engführung? Inwieweit kommen weitere Aspekte des Phänomens Familie und Migration zu kurz? Die in Dorohoi interviewte Soziologin Popa beispielsweise weist darauf hin, dass Forschung zu zurückgekehrten Eltern (der Wiederanpassung der Eltern an die Kinder und umgekehrt) nahezu gänzlich fehle. Auch bietet die Tatsache, dass sich das Nachholen der Kinder als neuerliche Form von Familienzusammenführung als neue Migrationsart zu etablieren scheint, Anlass zu weiteren Untersuchungen. Möglicherweise ist die ‘transnationale Familie’ eine Phase im Leben einer Familie, die entweder in einer neuen oder der alten Heimat wieder zusammenleben wird oder aber die zerbricht. Die Bedeutung von Scheidung für Migration und umgekehrt kann zu einem weiteren Untersuchungsgegenstand in der Transnationalitätsforschung werden.
Janka Vogel, B.A., wurde 1988 geboren. Vor dem Studium lebte und arbeitete sie zwei Jahre als Freiwillige in Rumänien. In der Stadt Dorohoi war sie unter anderem an einer Grundschule tätig, wo ihr das Phänomen transnationaler Familien erstmalig begegnete. Von 2009 bis 2013 studierte sie an der Philipps-Universität Marburg Erziehungs- und Bildungswissenschaft, wo sie weiterhin Fragen zu und über das Land Rumänien beschäftigten. Um sich intensiver dem Balkan und den mit ihm verbundenen spezifischen Fragestellungen widmen zu können, studiert sie derzeit einen M.A. der Südosteuropastudien. Sie lebt und arbeitet in Jena.
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