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- Subjekte und Objekte in posttraditionalen Wissensgesellschaften: Bruno Latour, Karin Knorr Cetina und andere Aktanten
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Verlag:
Diplomica Verlag
Imprint der Bedey & Thoms Media GmbH
Hermannstal 119 k, D-22119 Hamburg
E-Mail: info@diplomica.de
Erscheinungsdatum: 07.2013
AuflagenNr.: 1
Seiten: 104
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback
Wissenschaftliche Objekte werden in den Laboratorien nicht nur untersucht, sondern auch erzeugt und den Bedingungen einer experimentellen Anordnung unterworfen. Karin Knorr Cetina beschreibt, warum das Labor als durch und durch artifizieller Raum aufgefasst und die Produktion einer wissenschaftlichen Erkenntnis als Resultat eines sozialen und technischen Konstruktions- und Herstellungsprozesses begriffen werden muss. Diese Produktionsprozesse ermöglichen zugleich neue Beziehungsstrukturen in posttraditionalen Gesellschaften. Als einer der Begründer der Akteur-Netzwerk-Theorie entwickelt Bruno Latour einen neuen Handlungs- und Akteursbegriff. Mit Hilfe dieses Begriffes kann auch Objekten ein Handlungspotenzial zugeschrieben werden. Latour bezeichnet sie deshalb als Aktanten und versucht mit ihnen die Dichotomie zwischen Subjekt und Objekt, zwischen menschlichen und nicht-menschlichen Wesen zu unterlaufen. Das vorliegende Buch beschreibt zunächst beide Ansätze und bearbeitet anschließend die Frage, warum eine Sozialtheorie und vielleicht auch eine Erkenntnistheorie eine Vergesellschaftung von Objekten berücksichtigen sollte.
Textprobe: Kapitel 2.1.3, Von den epistemischen Kulturen zum epistemischen Objekt: Vergleicht man die Laboratorien unterschiedlichen Typs, wie zum Beispiel die der Molekularbiologie und die der Hochenergiephysik, dann stellt man fest, dass sie sich nicht nur hinsichtlich ihrer Vorgehensweise im Experiment unterscheiden, ihrer Auseinandersetzung mit den Objekten, sondern sie arbeiten auch in Kooperationen, die unterschiedlich eng und verschieden groß sind, zusammen. Die Laboratorien der Molekularbiologie, die Karin Knorr Cetina erforschte, sind, wie oben gezeigt, Arbeitsbanklaboratorien. Sie sind der Tendenz nach klein und ‘die Arbeit zerfällt in der Regel in so viele Projekte, wie Forscher im Labor vorhanden sind.’ (33) Kooperationen innerhalb des Labors und mit anderen Laboratorien bestehen nur selten. Das CERN, das Labor der Hochenergiephysik, hingegen ist deutlich größer. Im Verlaufe der Beobachtungszeit von Karin Knorr Cetina und ihren Mitarbeitern wuchs es auf mehr als 1500 Physiker aus weltweit 150 und mehr physikalischen Instituten (33) an. Die Kooperation unter den Physikern und anderen Mitarbeitern im Labor ist groß und auch eine starke Vernetzung mit anderen Instituten konnte beobachtet werden. Aufgrund ihrer Analyse, die Karin Knorr Cetina dazu veranlasst, die Laboratorien in drei Gruppen zu gliedern, und ihrer empirischen Untersuchungen über die Laboratorien der Molekularbiologie und des CERN, kann sie die Aussage bestätigen, dass es nicht nur eine wissenschaftliche Methode, eine Art des Wissens und nur eine Wissenschaft gibt . Ihre Untersuchungsergebnisse weisen darauf hin, dass deutliche Unterschiede in den Laboratorien festzustellen sind, die zu einer unterschiedlichen Vergemeinschaftung und Kollaboration führen. Aus diesen Beobachtungen zieht sie den Schluss, dass es unterschiedliche Wissenskulturen, die sogenannten epistemischen Kulturen gibt. Ist es ihr Anliegen in ihrem Buch: ‘Wissenskulturen’ die Differenz innerhalb der naturwissenschaftlichen Wissensformen aufzudecken und ihre These, dass es unterschiedliche epistemische Kulturen gibt, zu bestätigen, dann liegt das Erkenntnisinteresse in ihrem Essay: ‘Sozialität mit Objekten’, darin, zu zeigen, dass es dennoch Gemeinsamkeiten gibt. Richtet man den Fokus auf den Umgang des Experten, des naturwissenschaftlichen Forschers mit den Objekten, dann können Parallelen in den Laboratorien sichtbar gemacht werden. Um dies besser darstellen zu können, führt sie die Unterscheidung von Rheinberger zwischen ‘epistemischen’ und ‘technischen Dingen’ ein. 2.2., Die Objekte in den Laboratorien: Die ‘technischen Dinge’ werden benötigt, um eine stabile Umgebung herzustellen, um in einen Prozess ‘des operationalen Umdefinierens’, den Prozess des Bestimmens eines epistemischen Dinges, eintreten zu können. Zu den technischen Dingen gehören Instrumente, Aufzeichnungsapparturen und [...] standardisierte Modellorganismen mitsamt den in ihnen sozusagen verknöcherten Wissensbeständen. Die technischen Bedingungen definieren nicht nur den Horizont und die Grenzen des Experimentalsystems, sie sind auch Sedimentationsprodukte lokaler oder disziplinärer Arbeitstraditionen mit ihren Messapparaturen, dem Zugang zu, vielleicht auch nur der Vorliebe für spezifische Materialien und Labortiere, den kanonisierten Formen handwerklichen Könnens, das von erfahrenen Laborkräften unter Umständen über Jahrzehnte weitergegeben wird (Rheinberger: 25/26). Epistemische Dinge dagegen sind nach Rheinberger eher Prozesse und Projektionen als definitive Gegenstände. Die Möglichkeit ihrer Definition setzt voraus, dass sie charakteristischerweise offen, Fragen-generierend und komplex sind (Knorr Cetina, 1998b: 99). Epistemische Dinge sind die Dinge, denen die Anstrengung des Wissens gilt – nicht unbedingt Objekte im engeren Sinn, es können auch Strukturen, Reaktionen, Funktionen sein. Als epistemische präsentieren sich diese Dinge in einer für sie charakteristischen, irreduziblen Verschwommenheit und Vagheit (Rheinberger: 24). Diese Unbestimmtheit kann nicht als defizitär angesehen werden, sondern ist bereits im Konzept von Rheinberger handlungsbestimmend. Aber auch für Karin Knorr Cetina ist diese Unbestimmtheit zentral, denn: ‘Wissensobjekte haben die Kapazität, unbeschränkt ´entfaltbar` zu sein.’ Sie befinden sich ständig ‘im Prozess materialer Definition’, erlangen dadurch ständig neue Eigenschaften und ‘wechseln diejenigen, die sie haben’. Als Konsequenz ergibt sich daraus, dass Wissensobjekte nie völlig erreichbar sind, ‘dass sie, wenn man will, nie sie selbst sind’ (Knorr Cetina, 1998b: 99). Zeichnen sich die epistemischen Dinge, die Wissensobjekte durch ihre Unbestimmtheit und Undefiniertheit aus, dann bilden die technischen Dinge den Rahmen für den Prozess ihrer Bestimmung. Damit determinieren sie die Wissensobjekte, vor allen Dingen aber auch den gesamten Forschungsprozess. Neues Wissen bzw. die Bestimmung der Wissensobjekte ist auf diese Rahmenbedingungen angewiesen und kann diese nicht überschreiten. Lediglich, wenn der Bereich der technischen Dinge erweitert wird, können neue Bestimmungsmethoden entstehen, neue Bedingungen der Möglichkeit von Wissensbestimmungen können geschaffen und neues Wissen über die epistemischen Dinge kann dann damit erreicht werden. Doch ‘die technischen Bedingungen bestimmen nicht nur die Reichweite, sondern auch die Form möglicher Repräsentationen eines epistemischen Dings ausreichend stabilisierte epistemische Dinge wiederum können als technische Bausteine in eine bestehende Experimentalordnung eingefügt werden.’ (Rheinberger: 26) Eine Transformation vom epistemischen zum technischen Ding und umgekehrt kann stattfinden. Ein typisches Beispiel hierfür sind, nach Karin Knorr Cetina Computer und Computerprogramme: Sie erscheinen am Markt in ständig neuen ‘updates’ (fortschreitend fehlerverbesserte Produkte) und ‘Versionen’ (für ihre Differenz zu früheren Produkten markierte Varianten) Sie sind sowohl präsent (‘zuhanden’) als auch abwesend (Objekt weiterer Forschung und Entwicklung), dieselben und nicht dieselben (Knorr Cetina, 1998b: 96). Mit dieser Differenzierung in zwei Typen von wissenschaftlichen Objekten kann Karin Knorr Cetina einerseits zeigen, dass, da die epistemischen Dinge eine offene Struktur beinhalten, die entfaltbar ist, da sie nie sie selbst sind, eine Gemeinsamkeit ausgemacht werden kann, die bei allen Typen der Laboratorien, letztendlich bei jeder Art der wissenschaftlichen Forschungsarbeit, vorgefunden werden kann. Auf diese Entfaltbarkeit wird sich ihr Fokus richten. Anderseits gelangt sie über Rheinberger zu Heideggers (1953: 72 ff) Bestimmung von Vorhandenheit und Zuhandenheit. Gegenstände, Instrumente, ‘Zeug’, so Heideggers Begriff, werden für etwas gebraucht, sind Mittel zu bestimmten Zwecken und genau dafür sind sie ‘zuhanden’. Defiziente Modi aber, wie das Fehlen oder das Nicht-Funktionieren des ‘Zeugs’, sorgen dafür, dass die ‘Vorhandenheit’ der Gegenstände in den Blick gelangen kann. Diese ‘Störung der Verweisung’ fordert auf, den rein instrumentellen Gebrauch des ‘Zeugs’ aufzugeben, und die Instrumente, Werkzeuge selbst wieder zum Untersuchungsobjekt, zum epistemischen Ding, zu machen. Diese ‘Sorge um’ den Gegenstand rückt den Gegenstand selbst wieder in den Mittelpunkt und nicht nur seine Mittel/Zweck – Beziehung. Somit können durch eine Transformation eines technischen Gegenstandes in einen epistemischen Gegenstand feste Strukturen aufgebrochen und Möglichkeiten für eine neue Beziehung zu den Objekten, eine nicht nur instrumentelle Beziehung, oder einen neuen Umgang mit den Objekten geschaffen werden.
Ulrike Neumaier, M.A. wurde 1962 in Neuenstadt am Kocher geboren. Ihr Magisterstudium in Philosophie, Soziologie und Politikwissenschaft schloss die Autorin 2007 mit dem akademischen Grad Magistra Artium erfolgreich ab. Bereits während des Studiums interessierte sich die Autorin für interdisziplinäre Forschungsansätze. Lag ihr Fokus zu dieser Zeit noch auf einer Vernetzung zwischen den Geistes- und Sozialwissenschaften untereinander, verschob sich dieser nach dem Studium auf eine Verknüpfung zwischen Geistes- und Naturwissenschaften bzw. Medizin.
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