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Politik


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Produktart: Buch
Verlag:
Diplomica Verlag
Imprint der Bedey & Thoms Media GmbH
Hermannstal 119 k, D-22119 Hamburg
E-Mail: info@diplomica.de
Erscheinungsdatum: 11.2009
AuflagenNr.: 1
Seiten: 136
Abb.: 8
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback

Inhalt

Sozialpolitik in sozialistischen Staaten wurde in der Vergangenheit von Verfechtern einer sozialistischen Weltanschauung als dem Sozialismus wesensfremd beschrieben. Sie sei ein spezifisches Phänomen des kapitalistischen Systems zur Ablenkung revolutionärer Interessen der Arbeiterklasse mit dem Ziel der weiteren Unterdrückung ihrer gesellschaftlichen Stellung. Gegenüber der Notwendigkeit einer sogenannten Lazarettstation für die Opfer des Kapitalismus wäre im sozialistischen Ordnungssystem ein Leben in allgemeiner Gleichheit und Freiheit ohne Sozialpolitik möglich. Nach Max Horkheimer sind Freiheit und Gleichheit dialektische Bedingungen. Demnach bedeute für die Menschen mehr Freiheit weniger Gleichheit und mehr Gleichheit weniger Freiheit. Somit müsste ein sozialistisches System zur Etablierung einer allgemeinen Gleichheit den Freiheitsgedanken einschränkend behandeln. Der in der politischen Theorie plausibel klingende Gedanke sozialer Gleichheit wirft jedoch beim Versuch der praktischen Umsetzung verschiedene Fragen auf. Ist tatsächlich in der Realität ein System größtmöglicher sozialer Sicherheit zu erreichen und in welcher Form soll es für alle Menschen geschaffen werden? Inwieweit waren möglicherweise schon in der Theorie als auch in der praktischen Umsetzung im praktizierten Sozialismus nach heutigem Verständnis besondere, korrigierende Maßnahmen vorhanden? Die vorliegende Arbeit setzt sich mit der sozialistischen Theorie auseinander und geht vom heutigen Wissensstand aus der Frage nach, ob Überlegungen zu sozialpolitischen Maßnahmen sowohl schon in der sozialistischen Theorie vorhanden als auch in ihrer praktischen Umsetzung angewandt wurden und welche Auswirkungen sie gehabt haben.

Leseprobe

Textprobe: Kapitel 2.2, Anspruch der sozialen Sicherungsmaßnahmen: Ebenso wie in den unmittelbaren Nachkriegsjahren der SBZ können auch in der Phase von 1949 bis 1961 zwei differenzierte Ansprüche der herrschenden Elite an die Sozialpolitik im zweiten deutschen Staat konstatiert werden. Zunächst verschwand der Sozialpolitikbegriff in diesem Zeitrahmen fast vollständig aus dem wissenschaftlichen, politischen und offiziellen Sprachgebrauch und wurde als überflüssig, sinnwidrig und dem Sozialismus wesensfremd beschrieben. Weiterhin stellte die SED die Sozialpolitik als ein spezifisches Phänomen des kapitalistischen Systems dar, mit welchem versucht würde, die Arbeiterklasse von ihren revolutionären Interessen abzulenken. Mit diesem Politikbereich würde im Kapitalismus zudem nur die Symptome einer kranken Gesellschaft bekämpft, um nicht das gesamte Ordnungssystem umwandeln zu müssen. In der Spanne von 1949 bis 1961 waren nicht viele offizielle Verlautbarungen über den Anspruch sozialpolitischer Sicherungsmaßnahmen vorhanden. Denn nach dem ideologischen Selbstverständnis sollte durch die sozialistische Transformation eine Sozialpolitik als Politikbereich überflüssig sein. Sie galt daher als sachlich systematischer Widerspruch und terminologischer Pleonasmus. Die Existenz einer Sozialpolitik wurde somit in dieser Zeit bestritten. In der DDR-Literatur ab 1965 wurden jedoch rückblickend die Notwendigkeit und die Existenz der Sozialpolitik in der Zeit zwischen 1949 und 1961 eingeräumt und als wichtiger Bestandteil für den Aufbau des Sozialismus beschrieben. Eine sogenannte sozialistische Sozialpolitik in Abgrenzung zur bürgerlichen Sozialpolitik des Westens sollte die Grundlage für soziale Sicherheit und Gleichheit schaffen. Denn die staatliche Sozialpolitik im Kapitalismus habe nur den Zweck Klassenwidersprüche zu stabilisieren und die Ausbeutung der Arbeiter für eine gewinnbringende Kapitalverwertung der herrschenden Monopolbourgeoise zu forcieren. Die sozialistische Sozialpolitik hingegen habe in ihrer zentralistischen Organisation den Anspruch, die Menschen nicht gegen die Marktkräfte schützen zu müssen, sondern durch die allgemeine Verbesserung des Lebensstandards die Planerfüllung der Volkswirtschaft in ihren Maßnahmen zu unterstützen. Somit habe in einem sozialistischen Staat die Sozialpolitik die Gesamtheit ihrer Maßnahmen auf die Bevölkerungsentwicklung sowie auf deren kulturelles und materielles Lebensniveau zu lenken für das Voranschreiten der sozialen Entwicklung innerhalb der sozialistischen Gesellschaft. Dabei würden durch das sozialistische Recht soziale Grundrechte nach dem Prinzip Jeder nach seinen Fähigkeiten, jedem nach seiner Leistung allen Bürgern zugesichert werden. Die Förderung der sozialen Sicherung durch den Staat umfasse dabei die Ausbildung und Freizeit, den Umweltschutz und kulturelle Aktivitäten, die Einkommens- und Preispolitik aber auch die Wohnungspolitik oder die Versorgung im Renten- und Krankheitsfall. Im Sozialismus umfasse somit die Sozialpolitik alle Maßnahmen zur Entwicklung eines geistig-kulturellen sowie materiellen Lebensniveaus. Laut der Verfassung der DDR von 1949 wurden den Menschen im Land zahlreiche soziale Grundrechte zugesichert. So beispielsweise das Recht auf Arbeit oder die notwendigen Ersatzleistungen für den Unterhalt (Art. 15.2). Das Recht auf einen bezahlten Jahresurlaub sowie Versorgung bei Krankheit und Alter (Art. 16.1). Weiterhin war ein einheitliches Arbeitsrecht, Arbeitsgerichtsbarkeit und Arbeitsschutz (Art. 18.1) vorhanden. Oder das Recht auf die Bewahrung der Gesundheit und Arbeitsfähigkeit, Schutz der Mutterschaft, Vorsorge gegen die wirtschaftlichen Folgen von Alter, Invalidität, Arbeitslosigkeit und sonstige Wechselfällen des Lebens durch ein einheitliches und umfassendes Sozialversicherungswesen auf Grundlage der Selbstverwaltung der Versicherten (Art. 16.3). Die soziale Sicherheit der Menschen wurde im Nachhinein als ein bedeutender offizieller Anspruch für den Aufbau des Sozialismus in der Phase von 1949 bis 1961 deklariert. Für eine neue Klassen- und Sozialstruktur habe eine gezielte und differenzierte Sozialpolitik gegenüber den Klassen und Schichten stattgefunden. Die Schaffung von juristischen, ökonomischen und politischen Grundlagen sollte die soziale Sicherheit gewähren und die Unterschiede für eine gleichberechtigte Entwicklung aller Bürger mindern. Im Rahmen dieser rückwirkenden Ansprüche wird beispielsweise in der Literatur nach 1965 der III. Parteitag der SED 1950 als derjenige beschrieben, auf dem im Zusammenhang mit dem ersten Fünfjahresplan unter anderem der Ausbau des Bildungs- und Gesundheitswesens sowie der Infrastruktur verabschiedet wurde. Auf dem IV. Parteitag der SED 1954 sei neben der Verkündung der ersten Schritte zum Aufbau des Sozialismus die Bilanz gezogen worden, dass sich die allgemeine Lebenslage der Werktätigen verbessert habe. Mit der 3. Parteikonferenz der SED 1956 wurde die Überwindung von Hunger, Not, Obdach- und Arbeitslosigkeit und die Erhöhung des Lebensstandards vornehmlich durch betriebliche und sozialpolitische Maßnahmen kundgeben. Neben den allgemeinen Lebensstandards sollte sich in der Erfüllung des Fünfjahresplanes bis 1955 unter anderem das Bildungs- und Gesundheitswesen sowie die Kinderbetreuung verbessert haben und durch die Senkung der Verbraucherpreise, Anhebung der Löhne und Rentenzuschläge oder durch die Arbeitszeitverkürzung die Lebensverhältnisse im Land gesteigert werden. Auch sei der Anspruch in der betrieblichen Sozialpolitik mit der Verabschiedung des Gesetzbuches für Arbeit im Jahr 1961 weiter ausgebaut worden und das Arbeitsrecht habe sich auf gesetzlicher Grundlage neben der DDR-Verfassung konkretisiert. Das Gesetzbuch der Arbeit der DDR sollte den Menschen neben dem Recht auf Arbeit und gleichen Lohn für gleiche Arbeit auch das Recht auf Bildung, Erholung, Gesundheits- und Arbeitsschutz sowie die materielle Versorgung bei Invalidität, Krankheit und Alter zugestehen. Diese und andere sozialpolitische Maßnahmen im Aufbau des Sozialismus sollten in der Retrospektive die Ambitionen verfolgen, die Gesellschaft revolutionär umzugestalten und die Ausbeutung der Menschen für immer aufzuheben. Denn sozialpolitische Maßnahmen würden in der Übergangsperiode vom Kapitalismus zum Sozialismus die Bedingungen für soziale Sicherheit und Gleichheit schaffen. Zusammenfassend waren in der zweiten Phase der Entwicklung der DDR von 1949 bis 1961 starke Differenzen im ideologischen Umgang mit der Sozialpolitik vorhanden, woraufhin unterschiedliche Ansprüche an sie entstanden sind. Daneben entwickelten sich auch schon früh, nicht nur bezüglich der sozialen Grundrechte, Diskrepanzen im Verfassungsanspruch und den Proklamationen der SED im Vergleich zur realen Ausgestaltung.

Über den Autor

René Groothuis, geboren 1982 in Rostock. Lehramtsstudium für das Gymnasium mit den Fächern Politik und Wirtschaft, Deutsch, Geographie und Deutsch als Fremdsprache an der Justus-Liebig-Universität Giessen. Mitarbeit am Dossier Der Tibet-China Konflikt - Anregungen zu einer friedlichen Beilegung (2008) zur Friedensforschung der Giessener Monitoringgruppe. 1. Staatsexamen (2009) an der Justus-Liebig-Universität Giessen.

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