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- Regionale Antworten auf elektorale Gewalt: Eine Analyse der Konfliktmanagementkapazitäten afrikanischer (sub-)regionaler Organisationen
Politik
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Verlag:
Diplomica Verlag
Imprint der Bedey & Thoms Media GmbH
Hermannstal 119 k, D-22119 Hamburg
E-Mail: info@diplomica.de
Erscheinungsdatum: 12.2012
AuflagenNr.: 1
Seiten: 120
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback
Die Demokratisierung, die sich in allen Staaten Afrikas seit Beginn der 1990er Jahre vollzogen hat, ist für die Bevölkerung bis zum heutigen Tag mit Ambivalenzen verbunden, die sich aus den Gegensätzen zwischen dem übernommenen liberalen Demokratiemodell und den eigenen historisch entwickelten Gesellschaftsmodellen ergeben. Als zentrale Merkmale liberaler demokratischer Systeme gelten die Gleichheit aller Bürger und die Rechenschaftspflicht der Regierenden den Regierten gegenüber. In regelmäßig stattfindenden Wahlen haben die Bürger daher die Möglichkeit, durch die Bestimmung der Regierenden direkten Einfluss auf die politische Entwicklung eines Staates zu nehmen. Voraussetzung für eine gleichberechtigte Teilnahme aller Bürger und eine faire Durchführung von Wahlen ist jedoch eine unabhängige und neutrale Staatsverwaltung, die eine diskriminierungsfreie Wählerregistrierung und eine ordnungsgemäße Durchführung der Wahl umsetzen und garantieren kann. In manchen Staaten Afrikas werden diese Strukturen jedoch missbraucht, um durch eine gezielte Mobilisierung bestimmter Gesellschaftsgruppen Partikularinteressen durchzusetzen und damit die Neutralität des Staates aufzuheben. Gerade bei Wahlen ist die Gefahr der Gewaltanwendung sehr hoch und wenn solche Konflikte eskalieren, dann leidet zumeist die gesamte Region darunter. Vor diesem Hintergrund haben die afrikanischen Staaten in den letzten 10 Jahren regionale Bemühungen zu den Themen Frieden und Sicherheit vorangetrieben. Regionale Organisationen, wie die Afrikanische Union, ECOWAS oder IGAD, sollen ihre Mitgliedsstaaten bei der Einhaltung der beschlossenen demokratischen Normen unterstützen und im Falle (elektoraler) Konflikte fehlende nationale Kapazitäten durch regionale Anstrengungen ausgleichen. In diesem Buch untersucht der Autor, inwieweit die Anstrengungen afrikanischer Organisationen ausreichen, um den Ausbruch von Gewalt bei Wahlen wirksam zu verhindern. Dabei zeigt sich, dass die vorhandenen Unterschiede in den Regionalorganisationen bezüglich deren Strukturen und Verträge zum Thema elektorale Gewalt und deren Prävention und Management sich erstaunlicherweise nicht direkt auf die praktischen Fähigkeiten zum nachhaltigen und pro-aktiven Konfliktmanagement bei elektoralen Konflikten übertragen lässt.
Textprobe: Kapitel 7, Die Präsidentschaftswahlen in Côte d‘Ivoire 2010: Der Staat Côte d’Ivoire liegt an der Westküste Afrikas und grenzt im Westen an Liberia und Guinea, im Norden an Mali und Burkina Faso, im Osten an Ghana und im Süden an den Golf von Guinea. Der Staat ist mit 322.500 qkm etwa 10% kleiner als die Bundesrepublik Deutschland, hat mit circa 19 Millionen Einwohnern aber auch nur 23% der Bevölkerung. Einer der zentralen Konflikte Côte d’Ivoires, nicht nur bei der Vorbereitung der Wahlen in 2010, ist die Anerkennung der Staatsangehörigkeit der unterschiedlichen Bevölkerungsgruppen und damit die Anzahl der wahlberechtigten Bürger. Dieser Konflikt hat historische Ursachen: Während der Kolonialzeit bis 1960 waren Côte d’Ivoire und die nördlich angrenzenden Gebiete Teil Französisch-Westafrikas. Um einen möglichst effektiven Einsatz der lokalen Bevölkerung und eine effektive Nutzung des Bodens zu gewährleisten, schuf Frankreich zahlreiche Plantagen für Kaffee, Kakao und Bananen und siedelte die Plantagenarbeiter aus dem gesamten Kolonialgebiet nach Bedarf um. So kamen viele Arbeiter aus dem heutigen Mali und Burkina Faso in das heutige Gebiet Côte d’Ivoires, weshalb die Bevölkerung letzterer zu mindestens 35% aus Dioula besteht, den Nachkommen der Arbeiter aus dem Norden (Manby 2009: 82). Auch mit der Unabhängigkeit lockte der hohe Arbeitsbedarf auf den Plantagen und das hohe Wirtschaftswachstum weiterhin Arbeiter aus den umliegenden Staaten nach Côte d’Ivoire. In den 1980er Jahren, einhergehend mit einer Rezession der Weltwirtschaft und stark sinkenden Preisen für die Exportprodukte des Landes, nahm die Arbeitslosigkeit zu. Präsident Bédié führte, als Reaktion auf die wachsende Unzufriedenheit in der Bevölkerung, das Konzept der Ivoirité ein, nach welchem nur noch diejenigen aktiv und passiv an Wahlen teilnehmen können, die zwei ivorische Eltern haben. Damit wurde ein signifikanter Teil der Bevölkerung von den politischen Prozessen im Land ausgeschlossen. Ein Großteil der Bevölkerung, vor allem im Norden des Staates, war betroffen. 1999 kam es dann zum bisher einzigen Coup d’ètat der Staatsgeschichte durch Armeeangehörige aus dem Norden. Ein Jahr später wurde Laurent Gbagbo, Kandidat der südlichen Landeshälfte, in einer von der Opposition boykottierten Wahl zum Präsidenten gewählt. Alassane Ouattara, der Kandidat der nördlichen Hälfte, wurde von den Wahlen ausgeschlossen, weil eines seiner Elternteile aus Burkina Faso stammt. Daraufhin kam es erneut zu Protesten, die schließlich eskalierten. Im Jahr 2002 brach dadurch ein Bürgerkrieg zwischen den politisch ausgeschlossenen Bevölkerungsteilen des Nordens und der Regierung Gbagbos, vorrangig unterstützt von den Bevölkerungsteilen aus dem Süden des Staates, aus, der durch Bemühungen von ECOWAS und Frankreich im Jahr 2007 diplomatisch beendet werden konnte. Mehrere Friedensverträge wurden geschlossen, aber die eigentlich für 2005 angekündigten Neuwahlen verschoben sich mehrfach, wodurch die im Oktober 2010 abgehaltenen Wahlen die ersten nach fast einem Jahrzehnt waren. Allerdings war die Demobilisierung der Rebellenarmeen aus dem Norden zu diesem Zeitpunkt nicht sehr weit fortgeschritten, Misstrauen prägte noch immer die politischen und sozialen Interaktionen zwischen dem Norden und dem Süden. Seit 2004 überwachte die UN deswegen mit der Mission UNOCIdie Umsetzung der Friedensverträge in Côte d’Ivoire und unterstützte auch die Vorbereitungen zur Wahl. Ein Ausbruch von Gewalt im Zuge der Wahlen war in die Planung der internationalen und regionalen Akteure einbezogen: Anlässlich der Wahl wurde das UN Truppenkontingent auf 9150 Mann aufgestockt, die UN Mission in Liberia entsandte zusätzlich Soldaten und Helikopter (UN 2010). Zudem hatte Frankreich, nach eigener Aussage zum Schutz französischer Bürger und zur Unterstützung von UNOCI, seit 2002 eigene Soldaten in Côte d’Ivoire stationiert. 7.1, Ablauf der Präsidentschaftswahlen 2010: Aufgrund der nur unzureichenden Umsetzung der in den Friedensverträgen festgelegten Verpflichtungen, zum Beispiel die Demilitarisierung und Demobilisierung der Rebellen oder die Einführung eines Premierministeramtes betreffend, galt die durch den Bürgerkrieg entstandene faktische Teilung des Staates in eine Nord- und eine Südhälfte zum Zeitpunkt der Wahlvorbereitungen noch immer (Piccolino 2010). Wichtige strukturelle Veränderungen zur Integration der nördlichen Bevölkerung in die politischen Entscheidungsprozesse waren nicht umgesetzt worden (Mutisi 2010: 4). Die Aktualisierung der Wählerverzeichnisse, hauptsächlich die Aufnahme von zuvor als nicht dem Konzept der Ivoirité entsprechenden Bevölkerungsgruppen, war eine politisch wie zeitlich große Herausforderung in der pre-elektoralen Phase (Dubbelman 2009). Der erste Wahlgang, durchgeführt am 27. Oktober 2010, konnte ohne größere Zwischenfälle abgehalten werden (ECOWAS 2009), allerdings konnte kein Präsidentschaftskandidat die notwendige absolute Mehrheit erreichen, weshalb am 28. November 2010 eine Stichwahl abgehalten wurde. Die beiden Kandidaten waren der Kandidat aus dem Norden, Ouattara, der für die Rassemblement des Républicains antrat und auf die (militärische) Unterstützung der Rebellen zählen konnte sowie Gbagbo, der Kandidat aus dem Süden, der damalige Präsident, der für die Front Populaire Ivoirien antrat. Zur Verhinderung von post-elektoraler Gewalt verhängte Gbagbo eine Ausgangssperre für die Nacht direkt nach der Wahl (Stearns 2010). Auch das zivilgesellschaftliche Netzwerk WANEP warnte vor dem hohen Risiko gewaltsamer Ausschreitungen (WANEP 2011: 31). Innerhalb der gesetzlich vorgesehenen Frist wollte die Wahlkommission vor versammelten Medien die ersten vorläufigen Ergebnisse bekanntgeben, wurde jedoch daran gehindert, indem ein Anhänger Gbagbos die Notizzettel mit den Ergebnissen zerriss, woraufhin die Journalisten der Kommissionszentrale verwiesen wurden (Dieterich 2010). Daraufhin verdächtigten Anhänger Outtaras Gbagbo eines Putschversuches, Soldaten patroullierten in Abidjan (Dieterich 2010). Am 1. Dezember 2010, kurz nach Ablauf der gesetzlichen Frist, erklärte der Vorsitzende der Wahlkommission Ouattara mit 54% der Stimmen zum Sieger. Dies tat er im Hotel du Golf, das von UNOCI-Soldaten bewacht wurde und im Einflussgebiet Ouattaraslag. Gbagbo zweifelte das Ergebnis an und am 4. Dezember erklärte der Verfassungsrat, der die Wahlergebnisse laut Verfassung bestätigen musste, das zuvor verkündete Ergebnis für nichtig, weil die gesetzliche Frist nicht eingehalten wurde (Nibishaka 2011: 1). Zudem wurden die Ergebnisse aus einigen Distrikten im Norden des Staates aufgrund Wahlbetruges für ungültig und damit Gbagbo mit 51% der Gesamtstimmen zum Sieger erklärt (Dixon 2010). Beide Kandidaten konnten sich somit auf eine offizielle Bestätigung ihres Sieges berufen und erklärten sich zum Sieger, ließen sich vereidigen und beauftragten Gefolgsleute mit der Bildung einer Regierung. Côte d’Ivoire hatte damit zwei Präsidenten. Der Special Representative of the UN Secretary-General erklärte, ebenso wie ECOWAS und die AU, dass Ouattara der Gewinner der Wahl wäre (Zounmenou 2011a: 51). Die UN, als überwachende Organisation des Ouagadougou Friedensvertrages von 2007, musste laut der Friedensverträge, ebenso wie der Verfassungsrat, das offizielle Endergebnis bestätigen und erklärte nur einen Tag nachdem Verfassungsratesund konträr zu diesem Ouattara zum Sieger der Wahl. Durch die sofortige Parteinahme für Ouattara wurde Gbagbo daher international isoliert. Als Reaktion auf die unterschiedlichen Wahlergebnisse orderten die Rebellen ihre im Süden stationierten Soldaten wieder zurück in den Norden, während die Regierungsarmee ihre im Norden stationierten Truppen in den Süden holte (Johnson 2010): die Frontlinie des Bürgerkrieges war wieder hergestellt. Da auf diplomatischem Wege keine Einigung ersichtlich schien, brachen teils heftige Kämpfe sowohl zwischen den zivilen Anhängern wie auch zwischen den Armeen der jeweiligen Kandidaten aus (Reuters 2010). Der ivorische UN-Botschafter in New York sprach sogar von einem bevorstehenden Völkermord (DTS 2010). Unterstützt von den Soldaten der UNOCI und mit aktiver Hilfe durch die französischen Soldaten konnte die Rebellenarmee Gbagbo schließlich am 11. April 2011 festnehmen. Am 21. Mai 2011, nach einem halben Jahr Bürgerkrieg und knapp 3.000 Toten, ließ sich Ouattara offiziell als Staatspräsident vereidigen (Tagesschau 2011).
Hannes Krüger bekam 2012 seinen Master of Arts in Internationalen Studien/Friedens- und Konfliktforschung mit den Schwerpunkten Regionalisierungsprozesse in Afrika und Gewaltdynamiken in Bürgerkriegen von der Goethe Universität Frankfurt am Main verliehen. Den zuvor abgeschlossenen Bachelor of Arts machte er im internationalen Studiengang Politikmanagement an der Hochschule Bremen und der Saint Mary’s University in Halifax, Kanada. Sein Fokus lag dabei auf der Analyse internationaler Governanceprozesse und den Möglichkeiten internationaler Friedensmissionen. Durch zahlreiche Arbeitsaufenthalte in staatlichen Institutionen sowie nicht-staatlichen Organisationen wie der Europäischen Union, Botschaften oder internationalen NGOs konnte der Autor seine Expertise im internationalen politischen Umfeld weiter ausbauen. Zurzeit ist er für eine Organisation der internationalen Zusammenarbeit aktiv.
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