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Verlag:
Diplomica Verlag
Imprint der Bedey & Thoms Media GmbH
Hermannstal 119 k, D-22119 Hamburg
E-Mail: info@diplomica.de
Erscheinungsdatum: 10.2009
AuflagenNr.: 1
Seiten: 128
Abb.: 9
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback
Rechtsrock im Wandel gliedert sich in eine Bestandsaufnahme und einen Analyseteil. Der Autor, der zunächst die der Arbeit zugrundeliegenden Theoriekonstrukte des Rechtsextremismus definiert, zeichnet folgend Grundzüge der Geschichte der rechtsextremen Musikszene in Großbritannien und Deutschland nach. Hierbei wird die entscheidende Rolle des Frontmanns der Band Screwdriver Ian Stuart Donaldson bei der Politisierung der Skinheadszene betrachtet und die Adaption des Musikstils im deutschsprachigen Raum unter Verweis auf die ersten Wurzeln bei den Böhsen Onkelz bis hin zu der Entwicklung der später als kriminell eingestuften Vereinigung Landser dargestellt. Die Bestandsaufnahme wird durch eine Darstellung der aktuellen Rechtslage und von Kontrollinstanzen, wie z.B. der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien (BPjM) in Deutschland abgeschlossen. In dem empirischen Analyseteil werden Musiktexte von zwei als rechtsextremistisch eingestuften Band ausgewertet. Exemplarisch werden Texte von Michael Regener, dem Texter der legalen Band Die Lunikoff Verschwörung und illegalen Vereinigung Landser beleuchtet. Es wird untersucht, wie es gelingt, durch Variation der Texte die gleichen Inhalte zu transportieren. Aus dem Textmaterial werden diese vorherrschenden Themen - die Ideale und die Feindbilder - herausgearbeitet. Hierbei wird erörtert, wie der schmale Grad zwischen Legalität und Illegalität durch die rechtsextrem- orientierte Musikszene genutzt wird. Dass sich aus der rechtskonformen Textanpassung kein Gesinnungswandel ableiten lässt, sondern dies vielmehr Reaktion auf die repressiven Sanktionen ist, wird schlüssig dargelegt. Da ebendiese rechtsstaatlichen Strategien nur begrenzt greifen, werden abschließend ausschnitthaft Ideen und sozialpädagogische Konzepte zur präventiven und akzeptierenden Jugendarbeit gegen die Verbreitung rechtsextremer Inhalte vorgestellt.
Textprobe: Kapitel 2.4, Entwicklung im wiedervereinigten Deutschland (D): Der Prozess der Wiedervereinigung in den Jahren 1989/90 modifizierte die Skinheadszenen im Osten und Westen Deutschlands ebenso grundlegend wie die gesamte gesellschaftliche Situation. Nach dem Fall der Berliner Mauer am 9. November 1989 weitete sich der durch die Massendemonstrationen in Leipzig und Berlin initiierte verloren gegangene Führungsanspruch der SED zu einem Machtvakuum aus. Diese administrative politische Inhaltslosigkeit gepaart mit der damit einher gehenden partiellen Orientierungslosigkeit erwies sich als ein optimales Konstrukt für die erfolgreiche Verbreitung rechtsextremistischen Gedankenguts. Dieser Umstand konnte erst in den folgenden Jahren durch einen sukzessiven Import westdeutscher Strukturen gemildert werden. Dennoch bleibt zu konstatieren, dass die Einführung der Demokratie nur unzureichend mit dem gewohnheitsmäßigen Alltag der ostdeutschen Bevölkerung verwoben wurde. Daraus ergaben sich zwei bis heute anhaltende Tendenzen: zum einen kamen insbesondere bei Menschen aus wirtschaftlich schwachen Gebieten Ostdeutschlands mit dem Verlust der sozialen Sicherheit und Berechenbarkeit auch zuvor ungekannte Existenzängste auf. Zum anderen verstärkten sich ausländerfeindliche und rassistische Stimmungen durch die Anfang der 90er Jahre geführte Debatte um das Grundrecht auf Asyl sowie durch Verfehlungen in der Asyl- und Ausländerpolitik: die unvorbereitete Zuweisung von Asylbewerbern in die neuen Bundesländer ab 1990 intensivierte die Gefühle der vermeintlichen Bedrohung und Blockade von Lebenschancen. Die gesellschaftlich- politischen Rahmenbedingungen für den Erfolg und die Existenz des Rechtsextremismus in Ostdeutschland zeigen sich dabei in vier Bereichen: ‘- der gewünschte und bewusst herbeigeführte, in seinen konkreten sozialen und psychischen Auswirkungen auf das Individuum aber nicht absehbare Systemwechsel vom Sozialismus zum Kapitalismus, vom Stalinismus zur Demokratie - die Entwicklung der inneren Einheit Deutschlands, deren Verlauf sich die meisten Ostdeutschen völlig anders vorgestellt haben und die in einen handfesten Ost-West-Gegensatz mündete - der soziale Wandel, die technologische Modernisierung der Produktionsprozes-se und die wirtschaftliche und politische Globalisierung, die alle westlichen Gesellschaften prägen und mit der Einheit Deutschlands zu einer zusätzlichen Belastung für die neuen Bundesländer geworden sind - die Fortwirkung psychischer Dispositionen und politisch-kultureller Faktoren (Sozialisationsverläufe, Lebenserfahrungen, Lernprozesse, Wertorientierungen, politische Einstellungen und Verhaltensweisen), die mit den neuen gesellschaftlichen und politischen Verhältnissen nicht kompatibel sind und Abwehrreaktionen stimulieren’. In diesem Kontext ist darauf zu verweisen, dass im Zuge des Wiedervereinigungsprozesses die Forderung nach der nationalen Einheit Deutschlands sowohl von der westdeutschen CDU/CSU- FDP- Koalition als auch von den Medien popularisiert wurde. Damit wurde eine bis heute anhaltende Entwicklung in Gang gesetzt: die ehemals auf extrem rechte Fraktionen beschränkten Themen ‘Deutsche Einheit’ und ‘Nationalstolz’ rückten peu à peu in den Diskurs der gesellschaftlichen Mitte und wurden so zur ‘Normalität’. In dieser Phase setzte auch die Verknüpfung des westdeutschen organisierten Rechtsextremismus mit den ostdeutschen subkulturellen Elementen ein. Beginnend mit einem massenhaften Verteilen von Propagandamaterial von REP, NPD und DVU auf den Leipziger Montagsdemonstrationen schwärmten die Werber der Parteien gen Osten aus, um neue Mitglieder zu rekrutieren – auf Grund der Starrheit im Organisationsaufbau sowie der völligen Fehleinschätzung der Stimmungslage mit nur mäßigem Erfolg, was sich auch in den Folgejahren in der Wahlergebnissen widerspiegelte. ‘Die wirklich aktiven Rechtsextremisten und vor allem die Jugendlichen sammelten sich stattdessen in kleineren Neonazi-Organisationen – etwa der Gesinnungsgemeinschaft der Neuen Front (GdNF) und ihren Untergruppen sowie der Freiheitlichen Arbeiterpartei (FAP), der Nationalen Alternative (NA) oder der Nationalistischen Front (NF) und später in lose strukturierte Kameradschaften’. Unmittelbar nach der Wiedererlangung der staatlichen Einheit setzten dann jene Ereignisse ein, welche die Skinheads in den Mittelpunkt des Medieninteresses rücken ließen. Kurz nach der Wiedervereinigung erschütterte eine Welle rechtsextremistischer Gewalt das Land, die ihre Höhepunkte in den Ausschreitungen von Eberswalde (25.11.1990), Rostock- Lichtenhagen (22.08.1992) und den Anschlägen in Hoyerswerda (30. 09.1991), Hünxe (03.10.1992), Mölln (23.11.1992) und Solingen (29.05.1993) fand. Im Zuge des gesamtgesellschaftlichen Rechtsrucks gaben die Medien mit reißerischen Schlagzeilen und Artikeln den Tätern ein Gesicht: dem rechtsextremistischen Skinhead mit Glatze, Stiefel und Bomberjacke. Wohl auch, da die gesamtdeutsche Skinheadszene Anfang der 90er Jahre einen, quantitativ wie qualitativ unvorhergesehenen, Aufschwung erlebte. Dass die Fokussierung des Themas ‘Rechtsextremismus’ allein auf die Szene der Skinheads zu kurz gegriffen war, zeigten allein schon die Tatumstände: einerseits gehörten die Täter von Hünxe und Mölln nicht zur Skinheadszene, andererseits wurden die Täter in Rostock- Lichtenhagen von zahlreichen zuschauenden Eltern und Nachbarn angefeuert. Die explosionsartige Radikalisierung und Politisierung der Skinheadszene war im Endeffekt das Resultat zweier Prozesse: zum einen wurde die, in der dominant maskulinen Szene, schon immer vorhandene Gewaltakzeptanz und Unnachgiebigkeit von einer Vielzahl der Skinheads mit einer zunehmenden Orientierung an rechtsextremistischen Feindbildern verbunden. Zum anderen fand sowohl im Westen als auch im Osten ein Generationswechsel in der Szene statt. Gemäßigte ältere Skinheads verließen unter dem Druck der Öffentlichkeit die Szene die nachrückenden Jugendlichen, zum Teil sogenannte ‘Mode- Skins’, orientierten sich primär an dem durch die Medien vermittelten Bild. Die nachfolgenden Abbildungen verdeutlichen auf der Grundlage der Verfassungsschutzberichte nochmals den oben skizzierten Boom der Skinheadszene sowie den Anstieg der Gewalttaten zu Beginn der 90er Jahre. Überdies lassen sie noch eine andere Tendenz, welche sich bis zum heutigen Tag hält, erkennen: Der in Parteien organisierte Rechtsextremismus ist deutlich rückläufig bei einem gleichzeitigen Anstieg der Angehörigen der subkulturellen Szene. Parallel dazu nimmt die Anzahl der rechtsextremistischen Straftaten konstant zu und hat sich in den letzten 20 Jahren nahezu verzehnfacht.
Thomas Naumann, Diplom- Sozialpädagoge, Studium der Sozialpädagogik an der HS Magdeburg 1999-2009, Abschluss 2009 als Diplom- Sozialpädagoge. Bis Ende 2008 pädagogischer Mitarbeiter im Betreuten Wohnen für suchtgefährdete Jugendliche in Magdeburg.
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