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Politik

Nina Nowar

Ramadans Erben: Die Islamische Gemeinschaft in Deutschland e.V. (IGD)

ISBN: 978-3-8428-8381-9

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Produktart: Buch
Verlag:
Diplomica Verlag
Imprint der Bedey & Thoms Media GmbH
Hermannstal 119 k, D-22119 Hamburg
E-Mail: info@diplomica.de
Erscheinungsdatum: 09.2012
AuflagenNr.: 1
Seiten: 160
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback

Inhalt

Die Islamische Gemeinschaft in Deutschland e.V. (IGD) zählt zu den ältesten Organisationen des islamischen Feldes der Bundesrepublik. In den Jahren ihrer Blütezeit hat sie einen wichtigen Beitrag zur Entwicklung dieses Feldes geleistet und bedeutende Fortschritte für die sunnitischen Muslime in der Bundesrepublik erzielt. Mit innovativen Projekten und viel Idealismus schuf sie eine Infrastruktur für die Glaubenspraxis und baute zu diesem Zweck ein deutschlandweites Netzwerk von angegliederten Islamischen Zentren auf. Ziel der Studie soll es nun sein, nachzuvollziehen, welche internen und externen Einflussfaktoren im islamischen Feld der 1990er Jahre den Bedeutungsverlust der IGD ausgelöst haben. Gemäß Bourdieus Kulturtheorie und dessen Feldkonzept, vermochte die IGD im Machtkampf um Rang und Einfluss ihre ehemals dominante Position nicht zu behaupten. Durch die immer zahlreicher werdenden islamischen Organisationen in Deutschland war der Konkurrenzdruck immens gewachsen. Die notwendige Anpassung an den Wandel des Umfeldes hat jedoch nicht stattgefunden oder konnte nicht stattfinden, weshalb die Organisation Legitimitätseinbußen verzeichnet hat. Die kritische Haltung von Politik und medialer Öffentlichkeit und die jährliche Erwähnung der islamistischen IGD in den Verfassungsschutzberichten verhindert zusätzlich die Erfüllung der eigenen Ziele und Projekte. Seit den 1990er Jahren hat die IGD ihre Machtposition im islamischen Feld verloren und führt nun ein Schattendasein. Ihre ehemalige Position wird heute von anderen Organisationen besetzt. Zur Auswertung wurde neben der Sekundärliteratur auch auf eigene Interviews zurückgegriffen, welche unter anderem mit einem hochrangigen Mitglied der Organisation, Wissenschaftlern und Experten geführt wurden. Zusätzlich wurden eigene Publikationen der IGD hinzugezogen, wie etwa die Zeitschrift ‚al-Islam’ und Veröffentlichung der Islamischen Zentrum Münchens e.V..

Leseprobe

Textprobe: Kapitel 2, Theoretische Grundlagen: Im folgenden Kapitel sollen im ersten Abschnitt die für diese Studie grundlegenden Begriffe Islamismus und Transnationalismus näher erläutert werden, damit keine Missverständnisse aus unterschiedlichen Ausgangsvoraussetzungen entstehen können. Gerade im Falle des Islamismus muss genau definiert werden, was dieser Begriff bedeutet, da in der Öffentlichkeit kaum Kenntnisse über die Differenz zwischen Islam und Islamismus vorhanden sind und häufig unterschiedliche Begriffe für verschiedene Phänomene deckungsgleich verwendet werden. Der zweite Abschnitt befasst sich mit der theoretischen Grundlage dieser Arbeit, der Kulturtheorie Pierre Bourdieus. Diese beschäftigt sich mit dem Feld als sozialen Mikrokosmos, in welchem sich die Akteure bewegen und im Konkurrenzkampf untereinander versuchen, ihre eigene Position und damit die eigenen Einflussmöglichkeiten zu verbessern. Um dies zu erreichen, ist es für den einzelnen Akteur von wesentlicher Bedeutung, die an ihn gestellten Erwartungen zu erfüllen. Kann er dies nicht, verliert er an Legitimität und daraus resultierend an Macht und Einfluss. Dieser Ansatz soll in der Arbeit auf die IGD angewandt werden, die sich als sozialer Akteur im islamischen Feld in Deutschland zu behaupten versucht. 2.1, Begriffliche Grundlagen: 2.1.1, Der Islam als politische Ideologie: Der Islam als politische Ideologie ist für diese Untersuchung grundlegend, da die IGD als Organisation von der Öffentlichkeit als islamistisch wahrgenommen wird. Dies beeinflusst die Aktivität der IGD im islamischen Feld stark, da Medien, Politik und die Verfassungsschutzbehörden auf die Arbeit der Organisation zurückwirken und die Position im islamischen Feld verändern. Gravierend wird dies im Konkurrenzkampf mit anderen Organisationen, die sich diesem Problem nicht stellen müssen und dadurch einen Wettbewerbsvorteil genießen. 2.1.1.1: Begriffsbestimmung: Der Islam unterschiedet die Welt traditionell in dar al-islam und dar al-?arb, also das Haus des Islam und das Haus des Krieges, wobei Letzteres die nicht-islamische Welt bezeichnet. Daraus wird von der Öffentlichkeit häufig die Schlussfolgerung gezogen, dass der Islam mit Gewalt gleichzusetzen und undemokratisch ist und sich aus ihm unweigerlich Islamismus entwickeln müsse. Bedingt wird diese Sicht zusätzlich durch die über Jahrhunderte in Europa gewachsenen Stereotype. Schon Dante versetzt den Propheten Mohammed in den neunten Kreis der Hölle. Die islamische Welt, dar al-islam, bleibt der Öffentlichkeit also weitgehend unbekannt, es werden jedoch unterschiedlichste Vorstellungen und Vorurteile aufrechterhalten. Das Verhältnis von Religion und Ideologie im Islam ist ein, insbesondere nach dem 11. September 2001, in Deutschland sehr kontrovers diskutiertes Thema. Der Ideologieverdacht, unter dem die Muslime in Deutschland stehen, wird von diesen scharf zurückgewiesen. Für Irritationen sorgt vor allem der wahrgenommene Kontrast von westlichen Werten und Säkularisierung gegenüber der Rückkehr des Religiösen. Im Zuge dessen werden viele unterschiedliche Termini in den öffentlichen und wissenschaftlichen Diskursen verwendet, ohne eine klare Abgrenzung zu erfahren. So finden sich in der Literatur verschiedenste -ismen , die suggerieren es handle sich um eine einheitliche Ideologie. Fundamentalismus, islamischer Extremismus, Terrorismus, Islamismus und Jihadismus etwa werden häufig synonym verwendet und lassen das Bild eines rückständigen, irrationalen, fanatischen, antidemokratischen und gewaltbereiten Islam entstehen. Im schlimmsten Fall wird Islamismus mit dem Islam gleichgesetzt, dessen natürlicher Ausdruck er gewissermaßen sei, wohlwollender wird er als der ideologische Missbrauch des Islams gewertet. Dabei kann es durchaus einen Islam ohne Islamismus, jedoch nie Islamismus ohne Islam geben. Der für diese Studie ausschlaggebende Begriff des Islamismus soll im Weiteren näher erläutert werden. Auf die Definition der anderen genannten Termini wird aus inhaltlichen Gründen verzichtet. Im Übrigen findet auch im arabischen Sprachgebrauch eine deutliche Unterscheidung der Phänomene statt. So werden Fundamentalisten als u?uliyun, Islamisten dagegen als islamiyun bezeichnet. In der Fachliteratur lässt sich eine Vielzahl an Definitionen für Islamismus finden. Für Stefan Rosiny wird mit Islamismus die Lehre muslimischer Gelehrter, Aktivisten und Organisationen bezeichnet, nach der der Islam zu allen Zeiten und an allen Orten Lösungen für sämtliche Probleme der Muslime, ja der gesamten Menschheit bereithalte . Meist sind die Definitionen jedoch eher politisch orientiert. So begreift Muriel Asseburg Islamisten als politische Akteure, die ihre politischen Ansichten, Forderungen und teilweise auch Strategien in einen islamischen Referenzrahmen stellen . Häufig entstammen Islamisten konservativen, traditionell eingestellten Stadtfamilien, haben höhere Schulen und Universitäten besucht und danach Arbeitslosigkeit erlebt. Auch Udo Steinbach, der Islamismus und politischen Islam synonym verwendet, versteht unter Islamisten Muslime mit einer politischen Grundhaltung, die den Islam und seine auf ihm beruhenden Texte und Wertvorstellungen zur theoretischen und praktischen Grundlage von Staat und Gesellschaft machen wollen . Die gleiche Darlegung findet sich bei Peter Mandaville, der den Terminus Islamismus als politische Theorie und Praxis beschreibt. Deren Ziel sei die Verwirklichung einer islamisch politischen Ordnung, deren Prinzipien, Institutionen und Rechtssystem auf die Šarica zurückgreifen müssen. Damit wird aus der Religion ein totalitäres System, das alle Aspekte des täglichen Lebens durchdringt. Dieser politische Islam wird von der Öffentlichkeit meist als dominant wahrgenommen, andere Ausrichtungen, wie theologische oder mystische Tendenzen stehen zurück und bleiben der Allgemeinheit weitgehend unbekannt.

Über den Autor

Nina Nowar, M.A., geboren 1987, ist Politologin am Institut für Politik und Zeitgeschichte des Nahen Ostens an der Universität Erlangen-Nürnberg. Ihr Studium der Politik- und Islamwissenschaft (Arabisch und Persisch) schloss die Autorin 2012 mit dem akademischen Grad der Magistra Artium ab. Ihre Forschungen führten sie in viele arabische Länder, darunter Tunesien und Saudi-Arabien, wobei ihr wissenschaftlicher Schwerpunkt im Bereich des Islamismus und Salafismus liegt.

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