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- Psychosoziale Auswirkungen der Binnenvertreibung in Kolumbien: Erzählungen von betroffenen Kindern in Bucaramanga, Kolumbien
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Verlag:
Diplomica Verlag
Imprint der Bedey & Thoms Media GmbH
Hermannstal 119 k, D-22119 Hamburg
E-Mail: info@diplomica.de
Erscheinungsdatum: 06.2013
AuflagenNr.: 1
Seiten: 176
Abb.: 27
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback
Wenn es keine Gewalt gäbe, würden alle auf die Straße gehen. Es gäbe keine Diebstähle, alle wären unbesorgter, es gäbe keine Messer und gar nichts in der Art. Wir könnten unbesorgt spielen. Die Dinge unbekümmert machen. , erklärt der 9-jährige Binnenflüchtling Jaime in Bezug auf die in Kolumbien herrschende Gewalt. Aktuell ist Kolumbien weltweit das Land mit der höchsten Zahl an Binnenflüchtlingen (ca. 5.3 Millionen), von denen etwa die Hälfte Kinder sind. Diese Binnenflüchtlinge stellen mittlerweile ungefähr 10% der kolumbianischen Bevölkerung dar. Dies bedeutet, dass ca. 5% der kolumbianischen Kinder von ihren Heimatorten vertrieben sind, meist infolge des bewaffneten Konfliktes, des sogenannten conflicto armado. Diese Vertreibung ist mit einer Vielzahl negativer Auswirkungen auf das psychische Wohlbefinden sowie allgemein auf die Lebenssituation der betroffenen Individuen verbunden. Die vorliegende Studie hat sich mit den langfristigen psychosozialen Auswirkungen des desplazamiento por violencia, also der Binnenvertreibung in Kolumbien als Folge der dort herrschenden Gewalt, aus der Perspektive von minderjährigen Binnenflüchtlingen in Kolumbien befasst. Hierfür wurden in dem Zeitraum von Mai bis Juli 2011 ausgewählte Kinder an einer staatlichen Grundschule in der Stadt Bucaramanga im Nordosten von Kolumbien zu ihren Gedanken, Gefühlen und ihrem Verhalten in Bezug auf die Auswirkungen dieser Vertreibung befragt: Was für Erinnerungen hast Du von dem Ort, an dem Du vorher gewohnt hast? Wieso meinst Du seid Ihr hierhin gezogen? Wie hast Du dich gefühlt, als Ihr hierhergekommen seid? Wie fühlst Du dich, wenn Dir jemand sagt, dass Du desplazado bist? Was ist das Beste, das Dir je passiert ist? Was ist das Schlimmste, das Dir je passiert ist? etc. Ziel dieser Befragung ist es, einen tieferen Einblick in die subjektive Sicht von niños desplazados, den kolumbianischen Kindern zu bekommen. Die Exploration der Gedanken, Gefühle und des Verhaltens dieser Kinder erfolgt anhand der Betrachtung ihrer Erfahrungen und Gefühle im Zusammenhang mit der Vertreibung, den beobachtbaren Auswirkungen auf ihr Erleben und Verhalten sowie der Erfassung ihrer Lebensbedingungen.
Textprobe: Kapitel 2.2.7, Auswirkungen auf die Lebensqualität: Insgesamt führt das desplazamiento zu einer Verringerung der Lebensqualität der betroffenen Menschen, die auch wenn sie aus einfachen Verhältnissen stammen, sich im Gegensatz zu ihrer aktuellen Situation, vor der Flucht ihren eigenen Lebensunterhalt sichern konnten. Im Anschluss an die Vertreibung leben die meisten der desplazados unter prekären Lebensbedingungen, in denen sie versuchen ihre existenziellen Bedürfnisse zu befriedigen, und diese Situation hat negative Auswirkungen auf die Gesundheit, das allgemeine Wohlbefinden und die Entwicklungsmöglichkeiten der betroffenen Kinder und Jugendlichen. Die Armut und der Mangel an Möglichkeiten, mit denen diese Population konfrontiert ist, kann zu neuen Widrigkeiten führen und somit in einer erhöhten Vulnerabilität der desplazados resultieren. Für Das Kind bedeutet das: Je mehr Schwierigkeiten zu bewältigen sind, desto geringer die Chance, sie erfolgreich zu durchstehen es handelt sich folglich um einen negativen kumulativen Effekt (vgl. Bello Albarracín et al., 2000 Camilo, 2000, S.28). 2.2.7.1, Unterkunft: In den meisten Fällen wohnen die vertriebenen Familien in überbevölkerten bzw. überfüllten Zimmern, Wohnungen oder Häusern in den Randvierteln der Stadt, in denen der ärmste Teil der Stadtbevölkerung lebt oder in selbsterrichteten Slumhütten in invasiones (unrechtmäßige Landbesetzungen). Diese Überbevölkerung der Wohnsitze erhöht die Wahrscheinlichkeit von Verletzungen im Haushalt, die Ansteckungsgefahr, ehelichen Konflikte, Probleme der geistigen Gesundheit und des kindlichen Missbrauch (vgl. Bello Albarracín et al., 2000 Maldonado Guerrero, 2000). 2.2.7.2, Unterernährung und Gesundheitsprobleme: Durch die fehlenden finanziellen Mittel und dem fehlenden Zugang zu Gesundheitsdienstleistungen, kann man in vielen Fällen bei dieser Population eine Unterernährung sowie andere Gesundheitsprobleme beobachten. Dies kann u.a. zu einer Verzögerung in der Entwicklung und im Wachstum der Kinder und Jugendlichen sowie zu einer Erhöhung der Anfälligkeit für verschiedene Infektionen leiten. Darüber hinaus verhindern diese Umstände, dass die Kinder durch den daraus resultierenden Konzentrationsmangel sowie einer häufigen Abwesenheit von der Schule einen Profit aus der Schulbildung ziehen können. Neben der Unterernährung und den Gesundheitsproblemen führen u.a. der Hygienemangel, fehlendes Trinkwasser, überfüllte oder fehlende Unterkünfte zu einer erhöhten Sterbensrate innerhalb dieser Bevölkerung (vgl. Andrade Truyol & Alvarez, 2000 Bello Albarracín et al., 2000 Campo Rodicio, 2000 Maldonado Guerrero, 2000). 2.2.7.3, Erschwerter Zugang zu grundlegenden Dienstleistungen: Ein weiteres gravierendes Problem stellt der erschwerte, oder in manchen Fällen, fehlende Zugang zum Bildungs- und Gesundheitswesen dieser Bevölkerungsgruppe dar. Viele der Familien nehmen aus der Angst und dem Misstrauen, die ihnen der Konflikt bereitet, nicht an den Hilfsprogrammen des Staates oder der Nichtregierungsorganisationen teil. In anderen Fällen ist der Grund mitunter in der mangelnden Kapazität der verschiedenen Dienstleistungen, in der Diskriminierung, den fehlenden finanziellen Mitteln oder fehlenden Ausweisdokumenten der desplazados zu sehen (vgl. Bello Albarracín et al., 2000 Maldonado Guerrero, 2000). 2.2.7.4, Unsicherheit: Die Bedingungen der Neuniederlassung sind in den meisten Fällen mit einer anhaltenden Unsicherheit verbunden. Diese nimmt zwar größtenteils im Gegensatz zur Unsicherheit im Kontext des bewaffneten Konflikts andere Ausdrucksarten an (hohe Gewaltraten, hoher Alkohol- und Drogenkonsum, Konflikte innerhalb der Familien und sexuelle Aggressionen) stellt aber dennoch für die Kinder und Jugendlichen eine Risikoquelle dar. So sind die Minderjährigen v.a. in den Großstädten mit verschiedenen Gewaltformen konfrontiert (Banden, urbane Milizen usw.), die durch ihre vorgeschriebenen Normen und Regeln die bedrohlichen Szenarien (Bedrohung, Angst und Ermordung) der Herkunftsorte in gewisser Weise weiterführen (vgl. Andrade Truyol & Alvarez, 2000 Campo Rodicio, 2000 Maldonado Guerrero, 2000). Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass es den meisten desplazados nahezu unmöglich ist ihre menschlichen Grundbedürfnisse (Verpflegung, Unterkunft, Gesundheit, Schutz, Zuneigung, Teilhabe und Identität) zu befriedigen, und sie sich in äußerst prekären Lebensbedingungen befinden.
Marcella Birke wurde 1985 als Tochter eines Deutschen und einer Kolumbianerin in Deutschland geboren. Ihre Kindheit und einen großen Teil ihrer Jugend verbrachte sie im Ausland (Washington D.C., Brüssel, London und Québec). Im Jahre 2005 legte sie ihr Abitur an einem deutsch-französischen Gymnasium in Köln ab. Ihr Studium der Psychologie an der Universität zu Köln beendete sie 2012 mit dem Diplom. Bereits während ihres Studiums sammelte die Autorin an der Kinder- und Jugendpsychiatrie der Uniklinik Köln, im Rahmen eines ehrenamtlichen Engagements in einem Kinderheim in Bogotá, Erfahrungen mit Binnenflüchtlingen und mit psychisch gestörten Kindern. Das besondere Interesse der Autorin an der Binnenvertreibung in Kolumbien ist auf ihre kolumbianischen Wurzeln sowie ihre eigenen Migrationserfahrungen zurückzuführen.
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