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- Integration durch Integrationskurse? Eine Verlaufsstudie bei iranischen Migrantinnen und Migranten
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Verlag:
disserta Verlag
Imprint der Bedey & Thoms Media GmbH
Hermannstal 119 k, D-22119 Hamburg
E-Mail: info@diplomica.de
Erscheinungsdatum: 01.2015
AuflagenNr.: 1
Seiten: 404
Abb.: 39
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback
Nach Jahrzehnten praktizierter Ausländerpolitik wird seit 2005 mit dem neuen ‚Zuwanderungsgesetz‘ in der Bundesrepublik Deutschland versucht eine Integrationspolitik zu treiben, die die Integration der Migranten in diesem Lande erleichtern und beschleunigen soll. Als erster und wichtigster Schritt auf diesem Wege ist das Durchführen der ‚Integrationskurse‘. Welche Rolle spielen aber die Integrationskurse auf den Spracherwerb der Migranten und welchen Einfluss haben sie auf die Beteiligten im Integrationsprozess? Welchen Einfluss haben die Integrationskurse und der Spracherwerb auf das psychosoziale Wohlbefinden und die Alltagsbewältigung der Betroffenen? Welche Rolle spielen die persönlichen Einstellungen der Betroffenen (Motivation, Integrationsbereitschaft bzw. Integrationsverweigerung, Rück- und Zukunftsorientierung usw.) beim Spracherwerb und bei der sprachlichen sowie sozialen Integration der Betroffenen? Diesen und vielen anderen Fragen wurden in der vorliegenden Studie wissenschaftlich nachgegangen. Die Studie beschäftigt sich aus qualitativer Perspektive mit der subjektiven Sichtweise der iranischen Migranten zum Ertrag der Integrationskurse zu ihrer sprachlichen und sozialen Integration in Deutschland.
Textprobe: Kapitel 3.3, Integrationskurse (vor und) nach dem neuen Zuwanderungsgesetz: Die Integrationskurse nach dem neuen Zuwanderungsgesetz von 2005 sind keine neue Erfindung. Bereits seit den 1970er Jahren gibt es in der Bundesrepublik Deutschland Sprachkurse und Beratungsangebote für Migranten. Diese waren jedoch nicht wie die jetzigen Integrationskurse Teil eines umfassenden integrationspolitischen Programms, sondern auf etliche Träger verstreut und an unterschiedliche Zielgruppen von Zuwanderern gerichtet (vgl. Schönwälder u.a. 2005: 35). Zusammenfassend gab es bis Ende 2004 ein ‚dreigliedriges System der Bundesförderung‘: a) SGB III Kurse, die 900 Unterrichtsstunden umfassten und für Spätaussiedler, Kontingentflüchtlinge und Asylberechtigte bestimmt waren (vgl. Regren 2007: 122). b) Garantiefonds-Sprachkurse, die für nicht schulpflichtige Jugendliche und junge Erwachsene bis 27 Jahren ebenso aus den o.g. Gruppen gedacht waren (vgl. ebd.: 123). c) Sprachverbandskurse, die im Auftrag des Bundesministeriums für Wirtschaft und Arbeit eingeführt wurden und für Arbeitnehmer und ihre Familienangehörigen aus den Anwerbeländern und Vertragsstaaten der ehemaligen DDR sowie EU-Bürger gedacht waren (vgl. ebd.). Seit 2003 wurde die Verantwortlichkeit für diese Sprachkursförderung dann dem Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge übertragen, während sich der Sprachverband e.V. auflöste (vgl. ebd.). Neben diesen Sprachförderungsangeboten gab es auch landesfinanzierte Sprachkurse. Über diese wurde versucht, diejenigen zu erreichen, die in den Bundesrichtlinien nicht für die Förderung vorgesehen waren, wie z.B. Asylbewerber, Bürgerkriegsflüchtlinge oder mit Deutschen verheiratete Ausländer (vgl. Regren 2007: 123f.). Auch Orientierungskurse gab es – wie oben erwähnt – bereits vor 2005. Im Allgemeinen werden zwei verschiedene Typen von Orientierungskursen unterschieden: a) herkunftssprachliche Orientierungskurse in Frankfurt am Main und in Nordrhein-Westfalen, die das Ziel verfolgten, Neuzuwanderern, die eine Aufenthaltserlaubnis erhalten hatten, vorwiegend den ankommenden Spätaussiedlern und jüdischen Kontingentflüchtlingen Orientierungshilfen zu geben (vgl. Zwengel & Hentges 2008: 17 Gruber 2005: 237f.). b) deutschsprachige Orientierungskurse bzw. Einbürgerungskurse in Bayern (München und Nürnberg), die ab 2000/2001 entstanden und den Neuzuwanderern, insbesondere den Einbürgerungswilligen in erster Linie Kenntnisse über deutsches Recht, deutsche Kultur und Geschichte vermitteln wollten (vgl. Zwengel & Hentges 2008: 22f.). Das oben aufgeführte dreigliedrige ‚System der Bundesförderung‘ sollte durch ein im Jahr 2000 verabschiedetes Gesamtkonzept vereinheitlicht werden (vgl. BAMF 2004: 251). Dieses Ziel konnte aber aus Gründen einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts Ende 2002 nicht realisiert werden. Erst mit dem In-Kraft-Treten des neuen Zuwanderungsgesetzes Anfang 2005 konnte ein einheitliches Gesamtkonzept im Rahmen der Integrationskurse verabschiedet werden (vgl. Regren 2007: 42). In der Publikation des BMI (Rambøll-Management 2006) steht: ‘Der Integrationskurs ist ein feststehender Begriff, der durch seine Etablierung im Aufenthaltsgesetz ein spezifisches Angebot des Bundes zur Förderung der Integration von Zuwanderern darstellt. In diesem Sinne ist der Integrationskurs ein Grundangebot des Bundes zur Erreichung des Sprachniveaus B1 und zur Erlangung von Wissen über Kultur, Geschichte und Recht in Deutschland und basiert auf der Philosophie des Förderns (Unterrichtsangebot) und Forderns (Erwartung des Zielniveaus B1 in einer vorgegebenen Zeit, Eigenbeiträge bei der Finanzierung).’ (Ebd.: 164). Die Integrationskurse dienen lt. Integrationskursverordnung § 3(1) ‘dem Erwerb ausreichender Kenntnisse der deutschen Sprache’, so dass die Teilnehmer ohne Hilfe oder Vermittlung Dritter in allen Angelegenheiten des täglichen Lebens selbstständig handeln können (§ 43 Abs. 2 AufenthG). Das Sprachkursangebot soll durch einen Orientierungskurs ergänzt werden (vgl. Rambøll-Management 2006: 2 Rother 2008: 7 Bundesregierung 2005). Auch bei der Konzeption der Orientierungskurse orientierte sich das BAMF an dem in Nürnberg entwickelten Konzept. So wurden aus Einbürgerungskursen Orientierungskurse (vgl. Olbrich 2001: 352f.). Diese Kurse dienen lt. Integrationsverordnung § 3 (2) ‘der Vermittlung von Alltagswissen sowie von Kenntnissen der Rechtsordnung, der Kultur und der Geschichte in Deutschland, insbesondere auch der Werte des demokratischen Staatswesens der Bundesrepublik Deutschland und den Prinzipien der Rechtsstaatlichkeit, Gleichberechtigung, Toleranz und Religionsfreiheit’ (vgl. Rambøll-Management 2006: 2 Rother 2008: 7 Bundesregierung 2005). Die im neuen Zuwanderungsgesetz festgeschriebenen Sprach- und Orientierungskurse unterscheiden sich von den vorhergegangenen Kurskonzepten in verschiedenen Punkten. Zum ersten Mal werden die Sprachkurse von einer zentralen Stelle aus bundesweit organisiert und koordiniert (vgl. Internetquelle [3] Regren 2007: 42). Außerdem ist es mit der Einführung der Integrationskurse gegenüber den Kursen im Sprachverband Deutsch zu einer Veränderung bezüglich der sozialpädagogischen Begleitung gekommen, denn diese ist nicht mehr fester Bestandteil der Kurse. Diese Aufgabe wird vielmehr den Migrationserstberatungsstellen (MEB) bzw. den Jugendmigrationsdiensten (JMD) zugewiesen, die eine individuelle Einzelfallbegleitung für Neuzuwanderer (Spätaussiedler und Ausländer) anbieten (vgl. Rambøll-Management 2006: 50). Die Integrationskurse umfassen im Allgemeinen einen Basis- und einen Aufbaukurs, die jeweils 300 Unterrichtseinheiten beinhalten. Die beiden Teile bestehen wiederum aus 3 Modulen mit jeweils 100 Unterrichtseinheiten (insgesamt 600 Unterrichtseinheiten) (vgl. Kehr 2008: 4f. s. Abb. 1). Die Teilnehmer, die nach 600 Unterrichtsstunden das Niveau B1 nicht erreicht haben, haben seit 2007 die Möglichkeit, den Kurs mit zusätzlichen 300 Unterrichtsstunden zu wiederholen. Bei Analphabeten kann er bis zu 1.200 Unterrichtseinheiten erweitert werden (vgl. Internetquelle [11]). Für den Orientierungskurs waren ursprünglich 30 Unterrichtseinheiten vorgesehen, ab 2007 waren es 45 und seit 2012 sind es 60. Für diesen Kurs gab es bis 2011 kein einheitliches Testsystem. Die Tests wurden, je nach Themengewichtung, in den einzelnen Kursen von den Lehrkräften oder den Trägern selbst entwickelt. Beginnend mit dem Jahr 2012 sollte der Orientierungskurs mit dem Einbürgerungskurs zu einem einheitlichen Kurs zusammengelegt und mit einem einheitlichen Konzept durchgeführt werden (vgl. ebd.). Die Durchführung des Orientierungskurses erfolgt nach § 10 Abs. 1 im Anschluss an den Sprachkurs und in deutscher Sprache (vgl. Bundesregierung 2005). Bei einer ausreichenden Anzahl an Interessenten können seit 2007 neben den regulären Kursen spezielle Kurse für Eltern und Frauen, Jugendliche und Teilnehmer mit Alphabetisierungsbedarf angeboten werden (vgl. Rother 2008: 9 Regren 2007: 42f.). Im Angebot gibt es sowohl Vollzeit- als auch Teilzeitkurse, die von Lernwilligen bei zugelassenen Kursträgern besucht werden können (vgl. Kehr 2008: 4f.). Bei ‘ganztägigem Unterricht’ soll der Kurs nicht länger als ein halbes Jahr dauern (§ 11, Abs. 1 IntV) (vgl. Rothenbusch 2007: 84). Ein Sprachniveau, das über B1 hinaus geht, ‘kann nicht über staatlich finanzierte Integrationsmaßnahmen verwirklicht werden’, sondern muss durch Eigeninitiative erworben werden (vgl. Storr & Albrecht 2005: 283). Die Lehrkräfte, die im Integrationskurs unterrichten, müssen ein abgeschlossenes Studium ‘Deutsch als Fremd-/Zweitsprache’ vorweisen oder eine vom BAMF vorgegebenen Zusatzqualifikation für Lehrkräfte erworben haben (vgl. Internetquelle [11]). Da der Bedarf an Lehrkräften auf diese Weise bis jetzt nicht gedeckt werden kann, gab es bis 2009 eine Regelung für Ausnahmegenehmigungen (vgl. Deutscher Bundestag 2006). Eine Bewertungskommission, die sich aus der Integrationsbeauftragten der Bundesregierung, Vertretern der Bundesregierung, des BAMF, der Bundesländer und kommunaler Spitzenverbände sowie aus Wissenschaftlern und Experten aus der Praxis zusammensetzt, begleitet und bewertet fachlich die Inhalte der Integrationskurse und deren Komponenten (vgl. ebd.).
Keyghobad Yazdani wurde 1958 im Iran geboren. Er hat im Iran auf Lehramt studiert und arbeitete als Lehrer. Ende 1985 musste er sein Heimatland aus politischen Gründen verlassen. Seitdem lebt er in Deutschland, in Bremen. Seit 1991 arbeitet er als freier Dozent für Deutschkurse für Ausländer (seit 2005 ‚Integrationskurse‘) an verschiedenen Sprachinstitutionen in Bremen u.a. beim katholischen Bildungswerk, bei der VHS-Bremen und beim Kulturzentrum Lagerhaus. Im Jahr 2000 hat er das Lehramtsstudium in den Fächern Deutsch und Kunst an der Universität Bremen abgeschlossen. Er hat im Jahr 2014 seine Promotion im Fach Erziehungswissenschaften erfolgreich abgeschlossen. Neben seinen beruflichen Tätigkeiten führte und führt er noch Projekte und Seminare zur interkulturellen Bildung sowie zur Integration und Partizipation der Migranten in Deutschland und in Bremen durch. Er hat etliche Veröffentlichungen in den Bereichen Pädagogik, Literatur und Kunst in persischer Sprache.
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