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- Handel und wirtschaftliche Entwicklung in den Least Developed Countries: Ein Paradox?
Politik
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Verlag:
Diplomica Verlag
Imprint der Bedey & Thoms Media GmbH
Hermannstal 119 k, D-22119 Hamburg
E-Mail: info@diplomica.de
Erscheinungsdatum: 11.2010
AuflagenNr.: 1
Seiten: 104
Abb.: 18
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback
Niemand hat die Absicht eine Mauer zu errichten verkündete Walter Ulbricht im Juni 1961 - zwei Monate vor Beginn des Mauerbaus. Niemand hat die Absicht protektionistische Maßnahmen zu ergreifen hätte das gemeinsame Lippenbekenntnis der Regierungen der G-20 auf dem Weltwirtschaftsforum Ende Januar diesen Jahres in Davos lauten können - und wäre damit ebenso glaubwürdig. Zwei Monate später stellte die Weltbank in der Tat zahlreiche protektionistische Maßnahmen in 17 der G-20-Staaten fest. Ihr Ziel ist der Schutz der heimischen Branchen vor den Folgen der Wirtschaftskrise, etwa durch Zölle, Subventionen oder milliardenschwere Konjunkturpakete, die inländische Unternehmen gegenüber ausländischen bevorzugen. Damit nehmen die Regierungen jedoch eine Verstärkung der Krise in Kauf. Seit Ende des Zweiten Weltkrieg ist der konstant zunehmende Welthandel der Motor globalen Wachstums. Die gegenwärtige Welle des Protektionismus hingegen führt zu einem massiven Handelseinbruch, vor dem die internationalen Finanz- und Handelsorganisationen warnen. Besonders Entwicklungsländer sind von einem Rückgang der Weltnachfrage negativ betroffen, ihre Exporterlöse sanken bereits um durchschnittlich 14 %, in den Industrieländern lediglich um die Hälfte. Die derzeitige Situation illustriert die immense Sensibilität der Entwicklungsländer gegenüber konjunkturellen Schwankungen der Weltwirtschaft und des Welthandels. Sie soll daher als Anlass genommen werden, die Rolle des Außenhandels für die wirtschaftliche Entwicklung der 49 ärmsten Entwicklungsländer, den Least Developed Countries genauer zu untersuchen. Mit diesem Vorhaben begibt man sich zwangsläufig auf ein sowohl wissenschaftlich als auch politisch besonders umstrittenes Gebiet. Denn schon immer stellte Handelspolitik in der politischen Diskussion ein emotional sehr aufgeladenes Thema dar, was sich auch in der wissenschaftlichen Auseinandersetzung niederschlägt. Während klassische und neoklassische Außenhandelstheorien die Argumentationsgrundlage für Freihandelsbefürworter darstellen, bedienen sich Freihandelsgegner meist empirischer Evidenz von Verlierergruppen um ihren Standpunkt zu unterstützen. Neuere Modelle und Theorien zeigen jedoch auch mögliche adverse Effekte von bestimmten Handelsmustern. Die stark in den Welthandel integrierten Least Developed Countries machen oberflächlich betrachtet den Eindruck, weder gesamtwirtschaftlich besonders stark von Handel zu profitieren, noch Verlierergruppen ausreichend zu schützen. Im Gegenteil: Hunger und Armut herrschen in der breiten Bevölkerung der meisten LDCs, gleichzeitig werden sie im Welthandel marginalisiert und wirtschaftlicher Wohlstand scheint ihnen verwehrt zu bleiben. In den letzten Jahren jedoch wachsen diese Länder seit langem wieder. Daher ergibt sich die Fragestellung dieser Arbeit, ob Handel zu einem nachhaltigen Wachstum in den LDCs beitragen kann.
Textprobe: Kapitel 3.1, Statische Gewinne aus Handel: Die folgenden klassischen und neoklassischen Außenhandelstheorien erarbeiten das Argument, dass Länder grundsätzlich gesamtwirtschaftlich betrachtet von Außenhandel profitieren, auch wenn innerhalb der Gesellschaft bestimmte Gruppen als Verlierer der Handelsliberalisierung hervorgehen könnten. Während die Theorien von Adam Smith und David Ricardo die Verteilungseffekte noch nicht miteinbeziehen, kann man anhand des Modells der spezifischen Faktoren und des (Neo-)Faktorproportionentheorem schon erste Aussagen über die Gewinner- und Verlierergruppen in den LDCs treffen. Der ökonomischen Logik zufolge sind gesamtwirtschaftliche Gewinne ausreichend für eine breite wirtschaftliche Entwicklung, da die Möglichkeit besteht, potentielle Verlierer zu kompensieren. Solange eine solche Umverteilung möglich ist und trotzdem noch Gewinne übrig wären, ist eine Handelsliberalisierung ökonomisch sinnvoll. Dies nennt man das Kaldor-Hicks-Kriterium. Es trifft jedoch keine Aussage darüber, ob diese Umverteilung tatsächlich passieren muss, dies ist eine rein politische Frage, keine ökonomische. Ein anderer bekannter Ansatz der angebotsorientierten Wirtschaftspolitik ist die trickle-down-Theorie. Sie besagt, dass zunehmender Wohlstand den reicheren Gesellschaftsschichten auch für die ärmeren Schichten gut ist, da der Wohlstand durch die Schichten ‘heruntertröpfelt’. Dies wird durch die Verfügbarkeit günstigerer Kredite, durch höhere Löhne und neue Jobs und vor allem günstigere Preise für die Konsumenten begründet, die durch die Gewinne der höheren Gesellschaftsschichten und deren Wirtschaftsaktivitäten möglich werden. Solange eine Volkswirtschaft also gesamtwirtschaftlich von Handel profitiert, stellt der Handel eine ‘potenziellen Quelle des Gewinns für alle’ dar. Im vierten Teil dieser Arbeit wird jedoch die tatsächliche politische Durchsetzbarkeit von Umverteilungsmaßnahmen diskutiert, die in diesem Teil ausgespart wird. 3.1.1, Absolute Kostenvorteile und effiziente Ressourcenallokation: ‘It is a maxim of every prudent master of a family never to attempt to make at home what it will cost him more to make than to buy. (...) [They] find it for their interest to employ their whole industry in a way in which they have some advantage over their neighbors, and to purchase with a part of ist produce, (...) whatever else they have occasion for’. Adam Smith beschreibt hier die Vorteile von Arbeitsteilung und Tausch durch Unterschiede der absoluten Produktionskosten. Im nächsten Kapitel wird beschrieben, wie Ricardo diese Idee zur Theorie des komparativen Vorteils weiterentwickelt. Die Idee des absoluten (Kosten-)Vorteils ist simpel: Sie bedeutet nichts anderes, als dass ein Produzent – sei es ein Mensch, ein Unternehmen oder ein Land – effizienter und damit preisgünstiger produziert, als ein anderer. Wenn jeder Bürger hingegen seine Konsumgüter selbst herstellt, nimmt er sehr niedrige Produktivitäten in Kauf, da er zwar alle Tätigkeiten beherrscht, jedoch in keiner richtig gut ist. Für die Herstellung der meisten Dinge benötigt man gewissen Fertigkeiten oder Vorbedingungen, so dass sich die Hersteller in ihrer Produktivität unterscheiden. Durch Spezialisierung auf ein oder wenige Güter steigt die Produktivität, weil man die Tätigkeit z.B. schneller oder elaborierter ausführen kann. Das hergestellte Gut kann man nun gegen andere Güter eintauschen, welche andere wiederum produktiver hergestellt haben. Durch die gesteigerte Produktivität sind nun mehr Güter auf dem Markt und die Preise sinken, was allen Konsumenten nützt. Da jeder Konsument möglichst viel ertauschen will, tauscht er mit demjenigen, der in einem bestimmten Zeitraum am meisten produziert und daher am günstigsten ist. Anders formuliert: Der erste Markt entspricht einem Produzenten und einem Konsumenten, die dieselbe Person sind. Durch Tausch kann man den Markt um beliebig viele Marktteilnehmer erweitern. Umso größer der Markt, desto effizienter die Ressourcenallokation, also die effiziente Nutzung der eingesetzten Ressourcen. Die leitende ‘unsichtbare Hand’ des Marktes, die gerne im Zusammenhang mit Adam Smith zitiert wird, ist nichts anders als die Intention jedes Marktteilnehmers für sein hergestelltes Gut möglichst viel von den Gütern der anderen zu erhalten. Demnach sei der Markt besser als der Staat geeignet, die Ressourcenallokation produktiv durchzuführen. Folglich ist es aus volkswirtschaftlicher Sicht nur logisch, dass auch die begrenzten nationalen Märkte weniger effizient sind, als ein großer internationaler Markt. Die logische Konsequenz ist daher der Abbau jeglicher Handelshemmnisse und die Integration der Märkte durch die Einführung von Freihandel und weltweite Arbeitsteilung. Diese Theorie sagt jedoch nicht aus, dass alle Länder vom Handel profitieren müssen: Die Marktteilnehmer, die in keiner Tätigkeit besser sind, als die anderen, werden ihre Güter nicht los und können sie daher auch nicht gegen andere Güter austauschen. Betrachtet man die vielen Produktionsnachteile der LDCs, etwa ungünstige Klimabedingungen und periphere Lage, mangelnde Infrastruktur und geringe Bildung, sowie Kapitalmangel, könnte sich durchaus eine Marginalisierung der Länder im Welthandel ergeben. Zwar sind auch die Löhne der Arbeitnehmer in den LDCs sehr niedrig, wie man am durchschnittlichen Pro-Kopf-Einkommen erkennt, die ungünstigen Produktionsbedingungen könnten jedoch die übrigen Produktionskosten in die Höhe treiben. Lediglich der Abbau der reichlichen Rohstoffvorkommen scheint vor allem für afrikanische LDCs mit geringeren Kosten verbunden zu sein, als in anderen Ländern mit geringeren Rohstoffvorkommen. Umso mehr Rohstoffe vorhanden sind, desto einfacher und effizienter ist ihr Abbau. Diese Exporte dürften daher sehr wettbewerbsfähig gegenüber Industrieländern sein, welche Rohstoffe kaum oder nur sehr teuer abbauen können. Letztendlich ist es jedoch sehr schwierig zu untersuchen, welche Produkte die LDCs absolut betrachtet effizienter herstellen können, als ihre Konkurrenz auf dem Weltmarkt, da Wechselkurse die Preise verzerren können. Im nächsten Kapitel wird die Vermutung des geringen absoluten Kostenvorteils der LDCs jedoch theoretisch widerlegt und gezeigt, warum alle Länder von Handel profitieren müssten.
Carolin Mengel wurde 1984 in München geboren. 2004 bis 2010 studierte sie Poltikwissenschaft und Volkswirtschaft in München, Potsdam, Berlin und Ljubljana. Ihr Studium der Politikwissenschaft schloss sie im Januar 2010 erfolgreich mit dem akademischen Grad der Diplom-Politologin ab. Während ihres Studiums beschäftigte die Autorin sich mit den polit-ökonomischen Auswirkungen der Globalisierung und spezialisierte sich auf Handelspolitik in Schwellen- und Entwicklungsländern, sowie Entwicklungspolitik. 2008 vertiefte sie ihre ökonomischen Kenntnisse bei einem einsemestrigen Auslandsaufenthalt an der Fakulteta Ekonomska der Universtität Ljubljana, Slowenien. Während ihres Studiums arbeitete die Autorin am Jean Monnet Centre of Excellence unter der Leitung von Prof. Dr. Michael Bolle. Außerdem absolvierte sie ein Praktikum bei Germanwatch e.V. im Arbeitsbereich Welthandel und Ernährung und wirkte dort an einem Positionspapier zu den European Partnership Agreements (EPAs) mit. Seit 2009 arbeitet sie bei Ärzte ohne Grenzen e.V. in der Spendenverwaltung. Die vorliegende Studie spiegelt die kritische Haltung der Autorin gegenüber gängigen volkswirtschaftlichen Modellannahmen und ihrer mangelnde Anwendbarkeit auf die Realität wider. Ohne dabei ideologischen Argumentationslinien zu folgen, prüfte sie die bekannten Handels- und Wachstumstheorien auf ihre logische Konsistenz und ihre Anwendbarkeit auf die am wenigsten entwickelten Länder der Welt (LDCs).
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