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Politik

Marius Hummitzsch

Grundsätze für den Umgang mit rechtsextremen Schülerkonzepten im Politikunterricht

ISBN: 978-3-95934-849-2

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Produktart: Buch
Verlag:
Diplomica Verlag
Imprint der Bedey & Thoms Media GmbH
Hermannstal 119 k, D-22119 Hamburg
E-Mail: info@diplomica.de
Erscheinungsdatum: 12.2015
AuflagenNr.: 1
Seiten: 84
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback

Inhalt

Die Auseinandersetzung mit dem Thema Rechtsextremismus und den naheliegenden Feldern wie Fremdenfeindlichkeit , Rassismus oder Ethnozentrismus in der politischen Bildung der Bundesrepublik Deutschland folgt seit jeher einer inneren Logik. Wenn es schwerwiegendere tagespolitische Ereignisse mit einem rechtsextremistischen Hintergrund gab, dann wurde der Ruf nach der politischen Bildung laut. Ursächlich für den nun verminderten öffentlichen Diskurs sind die beobachtbaren Tendenzen zum Verharmlosen, Verdrängen und vor allem Entpolitisieren rechtsextremer Gewalttaten. Doch welche Konsequenzen ergeben sich daraus für die politische Bildung? Ist politische Bildung von ihrem Selbstverständnis her tatsächlich gegen rechts ? Oder steht ein solches Verständnis politischer Bildung nicht vielmehr im Widerspruch zur verfassungsmäßigen Meinungsfreiheit des Einzelnen? Ein Schwerpunkt der vorliegenden Arbeit soll es sein, den Beweis zu erbringen, dass politische Bildung aus triftigen Gründen einen wesentlichen Beitrag erbringen kann, sollte und sogar muss. So wird die Priorität primär auf der Erarbeitung von Grundsätzen zum Umgang mit rechtsextremen Schülerkonzepten im Politikunterricht in der Schule liegen, wo ein großer Bedarf besteht, Strategien zur Überwindung von Unsicherheiten auf Seiten der Lehrkraft zu entwickeln. Mit Hilfe der vielfältigen, durch die Studie gewonnenen Erkenntnisse wird abschließend eine Formulierung von Grundsätzen für den Umgang mit rechtsextremen Schülerkonzepten vorgenommen.

Leseprobe

Textprobe: Kapitel 3 Zur Logik des Dilemmas der politischen Bildung im Umgang mit Rechtsextremismus: Nach der ausführlichen und gleichermaßen notwendigen Klärung wesentlicher Termini und der Begründung eines Paradigmenwechsels hin zu einer wieder verstärkten und bildungstheoretisch begründeten Wahrnehmung schulischer Bearbeitung von rechtsextremer Einstellungen bei Jugendlichen soll nun die Position der politischen Bildung aber insbesondere des Politikunterrichts in diesem Feld abgesteckt werden. Bevor allerdings konkrete Maßnahmen im Politikunterricht thematisiert werden können, muss zunächst danach gefragt werden, ob und wie das pädagogische Handeln der Lehrkräfte durch das Selbstverständnis der politischen Bildung begrenzt bzw. gerahmt wird. Dies geschieht in diesem Kapitel. Um eine eventuelle demokratische Verpflichtung politischer Bildung untersuchen zu können (3.1.2), muss zunächst die verfassungsrechtliche Ausgangssituation in der Bundesrepublik Deutschland rekonstruiert werden (3.1.1). Im Anschluss sollen die Grundsätze des Beutelsbacher Konsens eingehend dargestellt und diskutiert werden (3.2). In Kapitel 3.3 sollen die Ergebnisse letztlich zusammengeführt werden, um eine Grundausrichtung politischer Bildung zu postulieren, da es intuitiv kaum möglich erscheint, im Sinne einer demokratischen Verpflichtung der politischen Bildung und des Politikunterrichts die politikdidaktischen Grundsätze des Indoktrinationsverbotes und des Kontroversitätsgebotes in Gänze aufrechtzuerhalten. 3.1 Demokratische Verpflichtung: 3.1.1 Das Konzept der wehrhaften Demokratie der BRD: Die leidvollen Erfahrungen aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts mit dem Scheitern der Weimarer Republik sowie der verheerenden Zeit des Nationalsozialismus haben deutliche Spuren in der Verfasstheit der Bundesrepublik Deutschland hinterlassen. So muss die demokratische Verfassungsordnung nicht nur als Absage an jeden Rechtsextremismus (Volkmann 2012: 15) verstanden werden, sondern ist sogar als Gegenentwurf zum Nationalsozialismus (Jaschke 2000a: 22, 2000b: 315) zu betrachten. Hierbei handelt es sich nicht um eine implizite Ausrichtung, vielmehr findet dieses Verständnis auch von Seiten der staatlichen Institutionen wie dem Verfassungsschutz explizit Zustimmung (vgl. Bundesministerium des Inneren 2013: 16). Den maßgeblichen Fixpunkt einer solchen verfassungsrechtlichen Ausrichtung gegen Rechtsextremismus stellt das Grundgesetz dar, in dem einige, gerade historisch bedingte, Festlegungen hinsichtlich der Ausrichtung der Demokratie in der Bundesrepublik Deutschland getroffen wurden. Zusammengefasst wurde dies unter dem Prinzip der wehrhaften oder streitbaren Demokratie (vgl. ebd.). Doch was beinhaltet das genannte Prinzip genau und welche Rückschlüsse sind daraus auf das Verständnis der politischen Bildung zu ziehen? Von besonderer Bedeutung ist die Wertgebundenheit. Im Verfassungsschutzbericht 2012 heißt es diesbezüglich: [D]er Staat bekennt sich zu Werten, denen er eine besondere Bedeutung beimisst und die deshalb nicht zur Disposition stehen (vgl. ebd.). Auch das Bundesverfassungsgericht hat 1958 eindeutig herausgestellt, dass das Grundgesetz nicht als wertneutrale Ordnung, sondern als objektive Werteordnung zu verstehen ist (vgl. Gloe/Oeftering 2010: 14). Bei diesen Werten handelt sich vor allem um den Schutz der Menschwürde (Art. 1 Abs. 1 GG), die unveräußerlichen Grundrechte (Art. 1-19 GG) aber auch die festgelegten und unabänderlichen Prinzipien der staatlichen Ordnung der BRD (Demokratie, Föderalismus, Rechtsund Sozialstaatlichkeit, Art. 20 GG). Neben der Wertgebundenheit ist auch die Abwehrbereitschaft wesentlich verankert. Diese zielt auf den Schutz der oben genannten Werte durch den Staat bzw. seine Institutionen ab, sodass gegen extremistische Positionen, die den Bestand der Werte gefährden, vorgegangen wird. Dass kann ausdrücklich sogar präventiv geschehen und fällt unter das Merkmal Verfassungsschutz (vgl. Bundesministerium des Inneren 2013: 16). Das Grundgesetz kennt eine Reihe von Paragraphen, die vor allem auf die Abwehrbereitschaft und den Verfassungsschutz abzielen. Beispielsweise können hier das Verbot verfassungsfeindlicher Parteien (Art. 21 Abs. 2 GG) oder Vereinigungen (Art. 9 Abs. 2 GG) angeführt werden. Besonders weitreichend fungiert Art. 18 des Grundgesetzes, in dem festgeschrieben ist, dass das Bundesverfassungsgericht die Verwirkung bestimmter Grundrechte aussprechen kann, wenn diese durch jemanden zum Willen der Beseitigung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung missbraucht werden. So wirkungsstark und geschlossen das Konzept der wehrhaften Demokratie auch scheinen mag, so ergeben sich eine Reihe von Fragen, Probleme und zum Teil auch kaum aufzulösende Dilemmata, die aus einem Spannungsverhältnis resultieren, das zwischen den genannten Wesensmerkmalen existiert. Auf zumindest drei solcher diskussionsbedürftigen Punkte soll an dieser Stelle eingegangen werden. Immer wieder taucht der Demokratiebegriff sowohl im Grundgesetz als auch im Kern dieser Arbeit auf. Dabei stellt sich der Begriff von seiner konnotativen Ausfüllung her als sehr umstritten heraus und es lassen sich eine enorme Anzahl demokratietheoretischer Denktraditionen nachvollziehen, die – ähnlich wie beim Rechtsextremismusbegriff – dafür sorgen, dass es kein geschlossenes Begriffskonzept gibt (vgl. Massing 2001: 71). Grundsätzlich soll, bezogen auf die demokratische Verfasstheit der Bundesrepublik Deutschland, hier von den oben genannten Merkmalen der grundgesetzmäßigen Grundordnung als wesentliche Elemente ausgegangen werden. Ob und inwieweit Demokratie vielleicht tatsächlich in demokratiepädagogischer Tradition als Staats-, Herrschafts- und Lebensform zu denken ist, kann an der Stelle genauso wenig weiter verhandelt werden, wie die damit verbundene Frage, ob Demokratie in einem festen Verhältnis zu (politischer) Partizipation steht. Eines der zentralsten Dilemmas betrifft das angemessene Agieren des Staates oder besser der staatlichen Institutionen bei entsprechenden Gefährdungen. Hierbei sieht sich die streitbare Demokratie dauerhaft dem Problem ausgesetzt, dass bei einem unzureichenden (repressiven) Handeln der staatlichen Akteure sich extremistische und beispielsweise rechtsextremistische Tendenzen ausbreiten, die Demokratie schwächen und sogar gefährden können. Wird allerdings zu stark von den repressiven Mitteln bei der Abwehr extremistischer Gefahren Gebrauch gemacht, so werden die eigens postulierten Werte schrittweise ad absurdum geführt und sinnentleert (vgl. Jaschke 2000a: 22f.). Dass dementsprechend die staatlichen Institutionen selbst teils sensibel und eher zurückhaltend auftreten, kann nicht verwundern. So stellt die im Grundgesetz legitimierte Grundrechtsverwirkung beispielsweise eines der weitreichendsten Mittel zur Bekämpfung dar. Faktisch ach das Bundesverfassungsgericht davon trotz vorhandener Anträge keinen Gebrauch, um die Grundrechte nicht auszuhöhlen (vgl. Volkmann 2012: 17). Auch das Parteienverbot ist an harte Kriterien gebunden und es wird nur selten davon gebrauch gemacht.31 Generell wird mittlerweile zwischen einer scharfen, stärker auf Verbote setzenden, und einer eher milden, die geistig-politische Auseinandersetzung mit den Rechtsextremisten betonenden, Form der streitbaren Demokratie unterschieden (vgl. Jesse 2012: 152). All dies zeugt von einem notwendig immer wiederkehrenden Problem bei der Zusicherung der verfassungsrechtlichen Grundrechte und der Abwehr gefährdender extremistischer Aktivitäten, was Jaschke schließlich passend zum Dilemma auf den Punkt bringt, wenn er resümiert: [zu] viel Staat ist gefährlich, zu wenig auch (vgl. Jaschke 2000a: 23). Zuletzt soll noch ein weiteres Dilemma thematisiert werden. So steht die Demokratie, unabhängig davon ob nun wehrhaft oder nicht, vor dem Problem, das Teil des sogenannten Böckenförde-Diktums ist, das im Kern auch das eben dargelegte Dilemma beinhaltet. Das hier im Mittelpunkt stehende Problem bezieht sich auf die Schwierigkeit des demokratischen Staates, dass sich die Freiheit, die er seinen Bürgern gewährt, von innen her, aus der moralischen Substanz des einzelnen und der Homogenität der Gesellschaft (Böckenforde 1967: 93, zit. N. Ingenfeld 2009: 2), regulieren müsse. Es bedarf also einer inneren demokratischen Überzeugung bei den Bürgern, die nicht naturgegeben sein kann, aber eine wichtige Grundvoraussetzung für den Fortbestand eines demokratischen Staates bildet. Walter Gagel bezeichnet diese ganz treffend als demokratische Tugenden (ders. 2000: 319), ohne das zugrundeliegende Konzept hier weiter ausführen zu wollen. Wichtig ist an dieser Stelle, dass die genannte Grundvoraussetzung irgendwie bei den Bürgern geschaffen werden muss, wobei auch die politische Bildung ins Spiel kommt.

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