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- Geschlechterspezifische Arbeitsteilung: Erwerbstätigkeit und Fürsorgearbeit im Spannungsverhältnis
Politik
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Verlag:
Diplomica Verlag
Imprint der Bedey & Thoms Media GmbH
Hermannstal 119 k, D-22119 Hamburg
E-Mail: info@diplomica.de
Erscheinungsdatum: 04.2014
AuflagenNr.: 1
Seiten: 100
Abb.: 46
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback
Aus der geschlechtsspezifischen Arbeitsteilung zwischen unbezahlter Haus- und Familienarbeit, die traditionell von Frauen übernommen wird, und bezahlter Lohnarbeit, die immer mehr Frauen mindestens teilweise ebenfalls verrichten, ergeben sich zahlreiche volkswirtschaftliche Probleme, wie der demografische Wandel, das Ungleichgewicht im bestehenden Rentensystem oder das Brachliegen von Arbeitspotential. Darüber hinaus ist die Verbesserung der Vereinbarkeitsstruktur von Erwerbstätigkeit und Familienarbeit eine notwendige Voraussetzung für eine geschlechteregerechtere Gesellschaft: Da Familien- und Hausarbeit keine Ansprüche auf Leistungen außerhalb der Sozialleistungen begründet, waren und sind oftmals (Haus-)Frauen ökonomisch von den Männern und Vätern abhängig. Durch eine neue Austarierung der innerfamiliären Arbeitsteilung, in der Männer und Frauen sowohl Hausarbeit als auch Erwerbsarbeit verrichten, kann und muss diesem Ungleichgewicht entgegengewirkt werden. In diesem Buch werden das multifaktorielle Bedingungsgefüge der scheinbar individuellen Entscheidung zwischen Arbeit und Familie, sozialstaatliche Rahmenbedingungen und die Wirkungsmacht politischer Maßnahmen vergleichend untersucht.
Textprobe: Kapitel 3, Regimeforschung: Es gibt europaweit eine große Bandbreite an Variationen bezüglich der Betreuungsangebote: ob sie von öffentlicher Seite oder privat zur Verfügung gestellt werden, wie die Arbeitsteilung zwischen Staat, Arbeitsmarkt und Familie austariert ist, auch in Qualität und Quantität unterscheiden sich die europäischen Betreuungsangebote gravierend. Diese Unterschiede sind verschiedenen Geschlechterrollen und Arten des Wohlfahrtsstaates geschuldet. So bestehen in den je unterschiedlichen ‘Wohlfahrtsregime[n]’ - d. h. in den unterschiedlichen Modellen von Wohlfahrtsstaaten - unterschiedliche Kinderbetreuungsregime, d. h. Kulturen und Traditionen in der Kinderbetreuung. Indem Länder nach bestimmten institutionellen Rahmenbedingungen geordnet und kategorisiert werden, können diese Rahmenbedingungen als Begründung für unterschiedliche Wirkungen herangezogen werden. So kann bspw. die Wirkung von Politikmaßnahmen auf Fertilität und Arbeitsmarktorientierung von Frauen analysiert werden. ‘Implizit wird dadurch angenommen, dass Länderunterschiede Resultat des charakteristischen Wohlfahrtregimes sind’. Zunächst werden verschiedene Wohlfahrtsmodelle vorgestellt, welche sich an dem Klassiker Esping-Andersen orientieren, um anschließend Indikatoren, die Aufschluss über die Wirkungsmechanismen zwischen Frauenerwerbstätigkeit, Fertilitätsrate und Geschlechtergerechtigkeit einer Gesellschaft geben, ländervergleichend vorzustellen. Daraus werden verschiedene Kategorisierungen und Modelle hergeleitet. Anschließend wird ein Staat ausgewählt, welcher im nächsten Abschnitt mit Deutschland verglichen wird. 3. 1, Esping-Andersens Welten des Wohlfahrtskapitalismus: Ein Klassiker der vergleichenden Wohlfahrtsforschung, auf welchen folgend rekurriert wird, ist Gøsta Esping-Andersen, der in seinem Werk ‘The Three Worlds of Welfare Capitalism’ verschiedene Wohlfahrtstaaten auf deren Sozialsysteme, institutionelle Regelungen und akteurszentrierte, interessengeleitete und parteipolitische Politiken hin untersucht. Zwei wichtige Stichworte in Esping-Andersens Arbeit sind De-Kommodifizierung und Stratifizierung. De-kommodifizierende Wirkung haben staatliche Leistungen dann, wenn sie es erwerbstätigen Bürgern ermöglichen, zeitweise aus der Erwerbsarbeit aussteigen zu können: ‘De-commodification occurs when a service is rendered as a matter of right, and when a person can maintain a livelihood without reliance on the market’. De-Kommodifizierung soll die Individuen von ihrer absoluten Marktabhängigkeit loslösen: ‘De-commodification strengthens the worker and weakens the absolute authority of the employer’. Den ArbeitnehmerInnen soll es in bestimmten Situationen möglich sein, den Arbeitsplatz ohne Einbußen verlassen zu dürfen: ‘Eine minimalistische Definition derselben [der De-Kommodifizierung] müßte beinhalten, daß ihre Bürger ungehindert und ohne drohenden Verlust des Arbeitsplatzes, ihres Einkommens oder überhaupt ihres Wohlergehens ihr Arbeitsverhältnis verlassen können, wann immer sie selbst dies aus gesundheitlichen, familiären oder altersbedingten Gründen oder auch solchen der eigenen Weiterbildung für notwendig erachten sprich: wenn sie dies für geboten halten, um in angemessener Weise an der sozialen Gemeinschaft teilzuhaben.’ Das Stichwort ‘Stratifizierung’ bezeichnet das Maß an Einfluss der Politik auf die soziale Schichtung, da Wohlfahrtsstaaten mittels Sozialleistungen soziale Hierarchien beeinflussen können. Das letzte Unterscheidungskriterium ist die Gewichtung und das Zusammenwirken von Staat, Markt und Familie bzw. privaten Haushalten bei der Absicherung verschiedener Risiken. Aus den drei Unterscheidungskriterien hat Esping-Andersen drei wohlfahrtsstaatliche Regime differenziert und gebündelt. Das liberale Modell ist durch marktwirtschaftliche Strukturen und ein geringes Maß an sozialer Sicherung charakterisiert. Typische Vertreter sind die Länder USA, Kanada und Australien, ‘in which meanstested assistance, modest universal transfers, or modest social-insurance plans predominate’. Dänemark, die Schweiz und Großbritannien sind diesem Typus ebenfalls ähnlich. Der liberale Wohlfahrtstyp hat nur geringe de-kommodifizierende Effekte und errichtet aufgrund strikter Zugangsregeln zur staatlichen Wohlfahrt und niedriger Leistungen eine ausgeprägte Stratifizierung der Gesellschaft, eine soziale Hierarchie - ‘a class-political dualism’ - zwischen armen EmpfängerInnen öffentlicher Hilfen und der Wohlfahrt erwerbstätiger BürgerInnen. Die konservativ-korporatistischen Wohlfahrtsstaaten gewähren traditionell soziale Rechte, weshalb diese Staaten eine größere de-kommodifizierende Wirkung entfalten als liberale. Allerdings sind die sozialen Rechte an die Klasse und den Status des Empfängers gekoppelt und zielen somit auf den Erhalt von Statusunterschieden ab. Des Weiteren hat die Kirche einen weitreichenden Einfluss auf konservativ-korporatistische Staaten, weshalb traditionelle Familienformen staatlich unterstützt werden: ‘Social insurance typically excludes non-working wives, and familiy benefits encourage motherhood. Day care, and similar family services, are conspicuously underdeveloped the principle of ‘subsidarity’ serves to emphasize that the state will only interfere when the family´s capacity to service its members is exhausted.’ In konservativen Regimen ist die Vereinbarkeit von Beruf und Familie aufgrund von unflexiblen Arbeitsmärkten und einer unzureichenden Kinderbetreuungsinfrastruktur besonders schwierig. In Deutschland ist der Rückgang des Lebensstandards v. a. nach der Erstgeburt besonders stark ausgeprägt. Das liegt an der starken Abnahme der Frauenerwerbstätigkeit nach der Geburt eines Kindes. Je länger die Erwerbsunterbrechung ist, desto höher sind die Lohneinbußen. Durch den Ausbau von Kinderbetreuungseinrichtungen können sich Frauen, die dies wollen, schneller wieder in den Arbeitsmarkt integrieren und so werden die Opportunitätskosten der Kindererziehung gesenkt. Da die staatliche Fürsorge durch das Subsidiaritätsprinzip geregelt ist, kommt der Familie die herausragende Rolle bei der Versorgung ihrer Mitglieder zu. Als Beispiel für das Subsidiaritätsprinzip nennt Esping-Andersen die Arbeitslosenhilfe Deutschlands: ‘Hat eine Person ihren Anspruch auf normale Versicherungsleistungen erschöpft, hängt die weitere Leistungsgewährung davon ab, ob die Familie dieser unglücklichen Person über die finanziellen Reserven verfügt, um ihr zu helfen’. Weitere Staaten, die neben Deutschland diesem Typus zugeordnet werden können, sind Österreich, Frankreich und Italien. Der dritte Regime-Typ, welcher am wenigsten vertreten ist, ist der sozialdemokratische Wohlfahrtsstaat, welcher besonders von Norwegen und Schweden, aber auch Dänemark und Finnland vertreten wird. Er entfaltet die größte de-kommodifizierende Wirkung und ist durch ein hohes Maß an sozialer Sicherung durch staatliche Institutionen gekennzeichnet. Das politische Ziel der sozialdemokratischen Staaten ist die Herstellung der größtmöglichen Gleichheit unter den Bürgern. So versuchen diese Staaten, den Dualismus zwischen Arbeiterklasse und Mittelschicht aufzulösen und soziale Hilfen nicht an einem Mindestbedarf auszurichten. Alle BürgerInnen, unabhängig von Klasse und Schicht, sind in ein universelles Versicherungssystem einbezogen, welches sich am vorherigen Einkommen orientiert. Dieser Regime-Typ orientiert sich nicht am Subsidiaritätsprinzip, sondern vergesellschaftet von vornherein die familialen Kosten. Dadurch wird nicht die Abhängigkeit von der Familie, sondern die individuelle Abhängigkeit möglichst maximiert. ‘The result is a welfare state that grants transfers directly to children, and takes direct responsibility of caring for children, the aged, and the helpless. It is, accordingly, committed to a heavy social-service burden, not only to service family needs but also to allow woman to choose work rather than the household.’ Ein weiteres Merkmal dieses Typus´ ist die Verknüpfung von Arbeit und Wohlfahrt. Sozialdemokratische Wohlfahrtsregime sind der Idee der Vollbeschäftigung verpflichtet und zugleich von ihrer Realisierung abhängig, da die horrenden Kosten dieses Regimes voraussetzen, dass möglichst viele Menschen erwerbstätig sind und möglichst wenig Menschen Sozialhilfe empfangen.
Victoria Flägel, B.A., wurde 1991 in Rostock geboren und schloss 2013 ihr Studium der Politikwissenschaft und Philosophie ab. Im Laufe ihres Studiums setzte sie sich mit den vielfältigen Facetten, Problemen und Ursachen von Geschlechter(un)gerechtigkeit auseinander. Anschließend sammelte die Autorin praktische Erfahrungen in den Bereichen Journalismus, PR und Öffentlichkeitsarbeit und lernte u. a. die Arbeitsweise und Prozesse politischer Organisationen kennen.
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