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- Feindbildkonstruktionen im Nahostkonflikt: Ursache für das Scheitern der Roadmap 2003?
Politik
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Verlag:
Diplomica Verlag
Imprint der Bedey & Thoms Media GmbH
Hermannstal 119 k, D-22119 Hamburg
E-Mail: info@diplomica.de
Erscheinungsdatum: 11.2012
AuflagenNr.: 1
Seiten: 88
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback
Bis heute bleibt der Nahostkonflikt ungelöst. In den großen israelisch-arabischen Kriegen konnte sich Israel als militärische Supermacht in der Region behaupten. Die arabischen Staaten haben sich nach jahrelanger Feindschaft mit der Existenz Israels abgefunden. Auch wenn die zwischenstaatlichen Auseinandersetzungen beendet sind, ist die Konfliktsubstanz noch lange nicht abgetragen. Im Mittelpunkt des Nahostkonflikts steht nun vielmehr der israelisch-palästinensische Konflikt, bei dem es hauptsächlich um den Anspruch der Palästinenser auf nationale Selbstbestimmung und einen eigenen, unabhängigen und souveränen Staat auf dem arabisch-palästinensischen Gebiet geht. 1967 wurde Israel erobert, wird seitdem besetzt gehalten und wurde mit einem Netz von Siedlungen und Verbindungsstraßen überspannt. Alle Versuche zur Lösung des Konflikts schlugen fehl. Die Friedensbemühungen westlicher Diplomaten verliefen stets im Sande, so dass einige Experten sogar von einer Friedensphobie sprechen. Die Initiative des amerikanischen Präsidenten George W. Bush im Jahr 2002 sollte den Friedensprozess neu beleben. Das Nahost-Quartett verkündete 2003 die Roadmap, ein Friedensfahrplan mit drei Phasen, welcher den Nahostkonflikt binnen zwei Jahren beenden sollte. Im August 2003 kam es in Jerusalem zu einem der blutigsten Selbstmordattentate in der Geschichte Israels. Daraufhin fror Israel die diplomatischen Beziehungen zur Palästinensischen Autonomiebehörde ein. Damit scheiterte der Fahrplan bereits in der ersten Phase, die ein Ende des Terrors und der Gewalt vorsah. Das wirft die Frage auf, warum der Friedensfahrplan scheiterte. War die Roadmap unrealistisch konzipiert und die Zeitangaben illusorisch? Bei näherer Betrachtung sind diese Erklärungen unzureichend. Es gibt beinahe eine unendliche Fülle an Ideen, Konzepten und Strategiepapieren, wie der Frieden in der Region wiederhergestellt werden sollte und keines davon führte bisher zum Erfolg. In diesem Buch wird diskutiert, ob eingefahrene Feindbilder und Identitätskonstruktionen Auslöser der Gewalt sind und diese eine friedliche Lösung des Konflikts verhindern.
Textprobe: Kapitel 3.2.2., Palästinensisches Feindbild gegenüber Israel: Der durchschnittliche Palästinenser trifft hauptsächlich auf israelische Soldaten, Bürokraten und Siedler (Kelman 1999: 584). Für ihn gestaltet sich das Bild des Israeli als eines des Besatzers, Unterdrückers, Kolonialisten, Rassisten, Vertreibers und Zerstörers, der für Bombardements, Massaker, Folter, Diskriminierung, Verschleierung des eigenen Handelns und undemokratischer Praktiken verantwortlich ist. Die meisten Palästinenser sind der Auffassung, sie hätten den Preis für den jüdischen Staat bezahlt und jetzt geschehe ihnen das, was den Juden selbst mit der Diaspora angetan wurde (Bar-On 2006: 194). 'Israel was accused of committing the biggest crime history has ever known' (Webman 2009: 35). Demnach sind die Israelis skrupellose Aggressoren und die Palästinenser die Opfer. Viele Palästinenser verneinen die Existenz eines jüdischen Volkes, weil das Judentum lediglich eine Religion und aus diesem Grund keine reelle Nation sei. Darüber hinaus wird angezweifelt, dass es sich beim Zionismus um eine richtige Nationalbewegung handle. Zionismus sei vielmehr eine Form des Siedlungskolonialismus, weitergeführt von Europäern, die keine Verbindung zum Land hätten. (Kelman 1999: 590) Diese Grundeinstellung ist das palästinensische belief system, in welches alle eingehenden Informationen angepasst werden. Bestimmte Motive tauchen im palästinensischen Diskurs seit 1967 immer wieder auf. Sie sehen sich als Opfer eines abscheulichen Verbrechens und einer westlichen Verschwörung. Der zionistische Feind wird dämonisiert. Der Wunsch zur Heimkehr ist stark ausgeprägt. Wut und Rachegedanken sowie das Überwinden der empfundenen Demütigungen sind allgegenwärtig. Darüber hinaus gibt es ein ausgeprägtes glorifizierendes Heldentum und die Idealisierung palästinensischer Verluste. Heldentaten und der Jihad palästinensischer Helden aus der Mandatszeit, der arabischen Revolte 1936 und der Katastrophe von 1948 sind beliebte und weitverbreitete Geschichten. Der zionistische beziehungsweise israelische Feind ist der ultimative Andere, von dem sich auf radikalste Weise abgegrenzt wird (vgl. Webman 2009: 31f). Palästinenser bekommen die Ablehnung der Israelis zu spüren, wenn sie beispielsweise an Checkpoints von israelischen Soldaten gehindert werden, zur Arbeit oder Universität zu gehen. Oder wenn Palästinenserinnen wegen ihrer Kopftücher von jungen israelischen Soldaten grob behandelt und gedemütigt werden. Das Unrechtsempfinden ist so stark, dass viele Palästinenser nicht bereit sind, den Israelis beziehungsweise den Juden das durch den Holocaust erfahrene Leid anzuerkennen. (Freise 2011: 20) Oft scheitern auch viele Dialogversuche, weil sich Palästinenser im Angesicht von Erzählungen über den Holocaust mit ihrer eigenen Geschichte an den Rand gedrängt und überwältigt fühlen (Senfft 2010: 6). Insbesondere für die palästinensische Führung unter Arafat war der Holocaust ein Tabuthema. Seitens des Erziehungskomitees des Palästinensischen Parlaments hieß es, es bestehe kein Interesse an einem Unterricht über den Holocaust. Dieser stelle eine potenzielle Gefahr für das palästinensische Selbstbild dar (Künztel 2003: 117f). Im Gegensatz dazu scheint Hitlers Mein Kampf keinerlei Bedrohung für das Selbstbild der Palästinenser darzustellen. Die Autonomiebehörde hatte die Verbreitung ausdrücklich autorisiert und das Buch rangierte 1999 auf Platz sechs der Bestsellerliste im palästinensischen Autonomiegebiet (Middle East Media Research Institute 1999). In der Einleitung des Übersetzers heißt es: 'Adolf Hitler does not belong to the German people alone, he is one of the few great men who almost stopped the motion of history, altered its course, and changed the face of the world. Hence, he belongs to history. […] National Socialism did not die with the death of its herald. Rather, its seeds multiplied under each star' (Middle East Media Research Institute 1999). Die Autonomiebehörde sät damit nicht nur auf diese Weise den Nationalsozialismus, sondern erntet auch die Praxis von der Vernichtung der Juden. Die Funktion besteht darin, Legitimationsgründe für die Vernichtung Israels zu schaffen und sich selbst in die Opferrolle zu projizieren (vgl. Küntzel 2003:117). Das Feindbild des israelischen Aggressors und Unterdrückers findet sich auch in der Palästinensischen Nationalcharta wieder. In Artikel 9 wird von einer 'grundlegenden Auseinandersetzung, die zwischen den Kräften des Zionismus und Imperialismus auf der einen und dem arabischen palästinensischen Volk auf der anderen Seite besteht', gesprochen. Nicht minder reaktionär ist die in Artikel 15 formulierte Zielsetzung, Israel zu beseitigen , wie auch die in Artikel 19 behauptete völlige Illegalität der Teilung Palästinas und der israelischen Staatsgründung. Die Skizzierung einer jüdischen Weltverschwörung findet in Artikel 22 seinen Ausdruck, in dem es heißt, dass Israel 'eine ständige Quelle der Bedrohung für den Frieden im Nahen Osten und in der Welt' sei und außerdem die Beschreibung des Zionismus als 'eine politische Bewegung, die organisch mit dem internationalen Imperialismus verbunden' sei. Seine Eigenschaften seien 'rassistischer und fanatischer Natur', seine Ziele seien 'aggressiv, expansionistisch und kolonialistisch' und seine Methoden 'faschistisch' (Palästinensische Nationalcharta 1968). Des Weiteren zeichnet auch die Hamas ein Bild von einer jüdischen und imperialistischen Weltverschwörung. In Artikel 32 der Hamas-Charta heißt es, dass 'World Zionism and Imperialist forces have been attempting, with smart moves and considered planning, to push the Arab countries, one after another, out of the circle of conflict with Zionism, in order, ultimately, to isolate the Palestinian People.' Das Konstrukt einer jüdischen Weltverschwörung wurde auch durch die Ereignisse des 11. September 2001 weiter genährt. Einer Legende nach seien 4.000 Juden an jenem Tag durch den Mossad gewarnt worden, das World Trade Center zu betreten. Diese Geschichte impliziert das Bild eines Juden, dessen Geheimdienst über tausende Leichen geht, nur um der arabischen Sache zu schaden. Außerdem füge sich jeder Jude außerhalb Israels mit eiserner Disziplin den Anweisungen aus Tel Aviv . Zudem liefere der 'New Yorker Jude' der Legende zufolge seine nichtjüdischen Arbeitskollegen kaltblütig ans Messer aus (Küntzel 2003: 135). Das Bild des weltverschwörerischen Juden, der für seine Sache über Leichen gehe, schließt ihn aus der moralischen und menschlichen Gesellschaft aus. In diesem Sinne wird ihm die Menschlichkeit abgesprochen. Dies erfühlt ein weiteres Kriterium der Feindbilder. Anzumerken ist, dass die Juden seit jeher der Verschwörung bezichtigt werden. Dieses Feindbild gibt es daher nicht nur unter den Palästinensern oder Arabern. Die Selbstmordattentate traten im israelisch-palästinensischen Konflikt seit 1994 auf (Halwani/Kapitan 2008: 149). Sie sind zum Charakteristikum der Al-Aksa-Intifada geworden (Küntzel 2003: 120). Im Oktober 2003 befürworteten 61,8 Prozent der palästinensischen Bevölkerung Selbstmordanschläge gegen die israelische Zivilbevölkerung (Jerusalem Media and Communication Center 2003: 8). Hierbei handelt es sich um ein kühl kalkuliertes Politikmittel, deren taktisches Ziel in der Hamas-Charta festgehalten ist: '[Peace] initiatives, the so-called peaceful solutions, and the international conferences to resolve the Palestinian problem, are all contrary to the beliefs of the Islamic Resistance Movement. For renouncing any part of Palestine means renouncing part of the religion the nationalism of the Islamic Resistance Movement is part of its faith, the movement educates its members to adhere to its principles and to raise the banner of Allah over their homeland as they fight their Jihad' (Hamas-Charta 1988: Artikel 13). Es wird deutlich, dass das vordergründige Ziel der Anschläge darin besteht, jede friedliche Lösung und jeden arabisch-israelischen Dialog mit Vorsatz zu zerstören. Die Art und Weise der Attentate gibt Aufschluss darüber, warum die Juden getötet werden sollen. Die Anschläge sind nicht gegen hohe Politiker oder Militärs, sondern unterschiedslos gegen die Zivilbevölkerung gerichtet. Es spielt keine Rolle, ob es sich um religiöse oder säkulare, alte oder junge Opfer handelt. Je mehr Menschen getötet werden, je verheerender der Anschlag ist, desto erfolgreicher ist die Mission. Es handelt sich hierbei um die radikale Umsetzung einer islamfaschistischen Weltanschauung. Aus dieser mythischen Weltanschauung heraus werden die Juden als das absolut Böse dämonisiert, von der die Welt zu befreien sei (Küntzel 2003: 120 Tabarani 2008: 237ff). In ihrer Charta legt die Hamas ihre politische Programmatik und ihren Antisemitismus schonungslos offen. Die Charta lässt sich als Gründungsdokument bezeichnen, welche die Befreiung des historischen Palästinas durch den bewaffneten Kampf als Ziel definiert, Verhandlungen als Zeitverschwendung ablehnt, Gesamtpalästina als niemals zu teilendes islamisches Erbe begreift und Israel das Existenzrecht abspricht (Bröning/Meyer 2010: 32). Damit liefern die Hamas und andere islamistische Gruppen einen Vorwand für die israelische Besatzung, da man aus Sicherheitsgründen keinen palästinensischen Staat dulden könne, der die Vernichtung Israels plane (Driesch 2010: 195). Die kodifizierte Absicht zur Unterbindung jeglicher Friedensprozesse und Dialoge entspricht einem Hauptmerkmal von Feindbildern. Der Feind ist ein Akteur, mit dem jeder Dialog, jede Verhandlung und jede Diskussion über eine gemeinsame Basis abgewehrt wird oder sogar als unmöglich empfunden wird. Es ist deutlich geworden, dass Israel eine zentrale Rolle bei der palästinensischen Identität spielt und sich das Feindbild auf die Juden fokussiert. Die Chartas von Hamas und PLO basieren im Wesentlichen auf Kampf und Widerstand gegen Israel. Die Interdependenz zwischen der israelischen und der palästinensischen Identität spielt eine essentielle Rolle, die im nächsten Abschnitt herausgearbeitet wird.
Dennis Weiter wurde 1968 in Uelzen geboren. Nach dem Abitur entschied er sich dazu, zur Bundeswehr zu gehen, und absolvierte dort eine Ausbildung zum Offizier. Außerdem studierte er an der Helmut-Schmidt-Universität, der Universität der Bundeswehr in Hamburg, und schloss dort das Studium der Politikwissenschaften mit der Spezialisierung auf den Themenbereich Internationale Beziehungen erfolgreich mit dem M.A. ab. Während des Studiums entwickelte der Autor ein besonderes Interesse an dem Nahostkonflikt und dem arabischen Raum.
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