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Produktart: Buch
Verlag:
Diplomica Verlag
Imprint der Bedey & Thoms Media GmbH
Hermannstal 119 k, D-22119 Hamburg
E-Mail: info@diplomica.de
Erscheinungsdatum: 10.2010
AuflagenNr.: 1
Seiten: 136
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback

Inhalt

Dieses Buch analysiert die Propagierung eines gewünschten Bildes der Werktätigen - also der arbeitenden Bevölkerung in der DDR - in DEFA-Gegenwartsfilmen. Film als Propagandamittel, durch den die Werktätigen zur Erfüllung wirtschaftlicher Pläne und Ziele im Sinne der Parteiführung der SED erzogen werden sollten, indem ihnen idealtypische Werktätige vorgeführt wurden. Das Buch geht zunächst auf die Rolle der Kunst und des Films innerhalb der Ideologie und zur Erziehung der Massen ein und beschreibt auch einige Aspekte der Theorie des Sozialistischen Realismus. Daraufhin wird der Abnahmeweg von der Idee bis zum fertigen Film innerhalb und außerhalb des Studios und deren Einfluss auf die Filmproduktion skizziert. Die Auswirkungen der Wechselspiele der Kulturpolitik der SED und in diesem Zusammenhang besonders der Filmpolitik, zeichnen sich deutlich im Filmschaffen der DDR ab. Innerhalb der wechselnden Tonarten blieben jedoch einige Grundanforderungen an die Künstler konstant. Dies drückt sich sehr deutlich in der Ausrichtung von DEFA-Gegenwartfilmen auf die Erziehung der Werktätigen hinsichtlich ökonomischer Ziele aus. Einige Musterexemplare werden in diesem Buch vorgestellt. Die Mehrzahl der betrachteten Filme war zu plump in ihrer Propaganda für den von der Parteiführung erwünschten Werktätigen, als dass sie von den Zuschauern nicht durchschaut worden wären. Der Erziehungsauftrag der DEFA konnte letztlich nicht erfüllt werden. Bemerkenswert ist, dass trotz der umfassenden Indoktrinierung und Kontrolle der Filmproduktion die kulturpolitischen Anforderungen und die Ergebnisse höchstens in Ausnahmefällen voll und ganz übereinstimmten, denn natürlich versuchten die Künstler immer wieder etwas von ihren eigenen Vorstellungen einzubringen.

Leseprobe

Textprobe: Kapitel 3.4.2.2, Bankett für Achilles (1975): Auch Roland Gräfs Bankett für Achilles gehört zu den Filmen, die den Filmschaffenden der DDR noch Jahre nach ihrer Premiere als Beispiel gelten sollen. Aber der Film schlägt eine andere Tonart an, als die bisherigen Gegenwartsfilme der DEFA. Die zerstörte Umwelt in der Gegend des Chemie-Kombinat Bitterfeld wird dem Zuschauer ungeschminkt vor Augen geführt, ebenso die Auswirkungen auf die dort lebenden und arbeitenden Menschen. Besonders ältere Menschen, die Rentner, werden hier ins Bild gesetzt, und streckenweise klingen recht melancholische und düstere Töne an, die das Innenleben der Hauptfigur ausdrücken. Der Film paßt nicht in das Konzept einer stilisierten Gegenwartsverklärung, sondern beobachtet besonders scharfsichtig die ungeschminkte Wirklichkeit aus den Augen eines älteren Arbeiters. Der Eindruck, den Bankett für Achilles hinterläßt, wird durch das merkwürdig optimistische Ende, das nicht so recht zu der Grundstimmung des restlichen Filmes passen will, abgeschwächt. Möglicherweise eine Konzession an die veränderten Maßstäbe der Kulturpolitik, möglicherweise aber auch ein Zeichen an das Publikum dafür, daß es noch nicht zu spät ist, etwas zu ändern. Es ist der letzte Arbeitstag von Karl Achilles, der als Meister in einem der Chemiewerke von Bitterfeld tätig ist. Er macht sich Gedanken über sein Leben nach der Pensionierung und über die Perspektiven, die er in der zerstörten Landschaft hat. Symbol für Achilles' Gemütszustand werden ein paar blaue Blumen, die er zur Resistenz gegen die vergiftete Umwelt - bisher erfolglos - züchtet. Er will schon aufgeben und zerstört das Beet, doch zum Ende des Films bepflanzt er es von neuem, was mit einem Versuch der Regierung, zusammenfällt, den vergifteten Boden per Luft zu rekultivieren. Auch in Bankett für Achilles sind die Menschen Teil der Natur, diese ist jedoch alles andere als idyllisch. Die Silhouette der Fabriken und ihre Ausdünstungen sind immer präsent. Achilles geht freiwillig in Rente. Ohne daß er darauf aufmerksam gemacht wird, weiß er, daß er den neuen Anforderungen der Technik nicht mehr gerecht wird. Sein Nachfolger bringt sein Wissen von der Hochschule mit, dies zeichnet ihn in den Augen Achilles' nicht gerade aus. Am letzten Arbeitstag überwältigt Achilles doch ein wehleidiges Gefühl, denn er fühlt sich noch nicht so alt, wie die Männer, die er im Park ihre Zeit verbringen sieht. In der Kantine wird eine große Rede über seine glanzvolle Tätigkeit gehalten, die ihn eher peinlich berührt, als daß sie ihm eine Genugtuung verschaffen könnte. Plötzlich wird er nicht mehr gebraucht, da das Chemiewerk auch ohne ihn oder mit seinem Nachfolger sogar noch besser, auskommen wird. Auch seine Familie kann ihm nicht helfen. Mit dem Sohn hat er sich schon vor Jahren überworfen, und die Tochter ist nur aus Anlaß seiner Pensionierung angereist, da sie in einer anderen Stadt lebt. Seine Lebensgefährtin, die aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr im Werk arbeitet, bringt kein Verständnis für seine Lage auf. Allenfalls die Pflegetochter, die auch im Werk beschäftigt ist, scheint ihn zu verstehen. Sie weiß auch ohne große Worte, wie es in ihm aussieht. Auf der abendlichen Abschiedsfeier brechen all seine Gefühle - insbesondere Enttäuschung und Wut - die ihn schon den ganzen Tag bedrängen, schließlich aus ihm heraus, und er sagt seine Meinung. Vor allem der Bereichsleiter Walura, der zuvor voll des Lobes über sein Arbeitsleben sprach, erscheint dabei nicht gerade in strahlendem Glanz. Achilles will die Dinge beim Namen nennen. Schließlich akzeptiert er seinen Abschied von der Arbeit, die für ihn bisher im Mittelpunkt seines Lebens stand. Der Tod ist in dem Film immer gegenwärtig: durch Andeutungen, in Bildern von der sterbenden Umwelt und der durch sie geschädigten Menschen. Achilles will sein Leben noch genießen und durch seine kleine Enkeltochter, die mit seiner Tochter angekommen ist, erscheint ihm der Schritt ins Privatleben nun durchaus annehmbar. Der Figur des Achilles ist relativ differenziert charakterisiert. Der Film veranschaulicht die Probleme eines Menschen, der an einem Scheidepunkt seines Lebens angekommen ist und nun Bilanz zieht. Er hat für seine Tätigkeit alles gegeben und muß nun lernen ohne sie auszukommen. In einer Gesellschaft, die besonders die Leistungen in der Arbeit hervorhebt und feiert, fühlt er sich nun zur Untätigkeit verdammt und ausgeschlossen. Achilles hat nicht gelernt, daß das Leben auch anders, als über Beruf und Planerfüllung definiert werden kann. Aber er geht schließlich auf den neuen Lebensabschnitt ein, wobei ihm die scheinheiligen Reden des Bereichsleiters eine gewisse Hilfestellung geben. Die Frage nach der Lebensqualität ist es, die in Bankett für Achilles groß geschrieben wird und Achilles will selber etwas zur Verbesserung eben dieser beitragen, und wenn auch nur durch die Züchtung widerstandsfähiger Blumen. In dem Film gelingt durch die Gestaltung der Figur des Achilles die kritischste und lebhafteste Position in der Zeichnung eines Arbeiters oder eines Werktätigen der DDR in einem DEFA-Film überhaupt. Die Helden der vorhergehenden Jahre sahen einer strahlenden Zukunft entgegen. Jetzt sind sie alt geworden und leben in einer grauen und hoffnungslosen Gegenwart, in der die Phrasen von damals recht hohl klingen. Das oberste Ziel der Produktionssteigerung wird als Rechtfertigung für die Beschränkung der persönlichen Freiheit nicht mehr hingenommen.

Über den Autor

Dr. Sabine Brummel, Jahrgang 1972. Nach dem Studium dem Studium der Wirtschaftswissenschaften, das sie als Diplom-Volkswirtin abschloss, promovierte sie zum Thema Zur Konzentration im deutschen Fernsehsektor - Eine problemorientierte Analyse. Nach der Promotion war sie im Bereich Investor Relations und Public Relations eines am Neuen Markt notierten Software-Unternehmens tätig. 2003 machte sie sich als Kommunikationsberaterin selbständig und nahm Lehraufträge im Bereich der Medienwissenschaften wahr. Seit 2004 ist sie als Referentin für Investor Relations und seit 2010 als Director Investor Relations / M&A bei der Wincor Nixdorf AG tätig.

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