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Verlag:
Diplomica Verlag
Imprint der Bedey & Thoms Media GmbH
Hermannstal 119 k, D-22119 Hamburg
E-Mail: info@diplomica.de
Erscheinungsdatum: 01.2009
AuflagenNr.: 1
Seiten: 184
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback
Am Morgen des 16. März 1968 machte sich eine amerikanische Einheit auf den Weg in ein kleines südvietnamesisches Dorf: My Lai. Innerhalb von vier Stunden brachten sie so gut wie alle Bewohner in einem grauenvollen Exzess um. My Lai ist eine Zäsur es ist der Höhepunkt eines grausamen Krieges. Erschreckender noch als das Ereignis selbst, ist die Erkenntnis, dass My Lai zwar in seiner zeitlichen Verdichtung einzigartig, ansonsten aber in der Geschichte des Vietnamkrieges nicht ungewöhnlich war. Extreme Gewalt gegen andere wurde in Vietnam alltäglich nicht einmal die eigenen Soldaten waren voreinander sicher. In diesem Krieg entgrenzte sich die amerikanische Armee vollständig. Sie stellte ihren Soldaten eine Ermächtigung zum willkürlichen Töten aus und versank schlussendlich in einem Strudel aus Disziplinlosigkeit, Gewalttätigkeit, Verbrechen, Drogenmissbrauch und Insubordination. Mithilfe von Erkenntnissen aus der Sozialpsychologie und der genauen Untersuchung der Umstände, wie die jungen Soldaten in diesen Krieg gerieten, will das Buch zur Klärung der Frage beitragen, wie so eine Entgrenzung möglich werden konnte: Wie wurden aus ganz normalen Menschen Massenmörder? Was trug dazu bei, dass junge Männer zu solchen grausamen Taten fähig waren, wie sie in Vietnam begangen wurden? Mehrere Lebensstationen rücken dabei in den Fokus des Interesses: Die Lebensverhältnisse der Jugendlichen nach dem Zweiten Weltkrieg in der victory culture mit ihren Helden Audie Murphy und John Wayne. Die Grundausbildung, die ganz wesentlich zu einer körperlichen und auch charakterlichen Veränderung der jungen Männer beitrug. Schlussendlich der Einsatz in Vietnam, der von Angriffen aus dem Hinterhalt, Sprengfallen, dem Verlust enger Kameraden und allgemein dem Gefühl von Hilflosigkeit angesichts eines unsichtbaren und allgegenwärtigen Feindes geprägt war. Erkenntnisse über all diese Lebensstationen können zur Klärung der Frage des Jahrhunderts mit beitragen. Allein sie sind nur ein Teil der menschlichen Disposition, die zu Verbrechen in Kriegen führt. Konformismus, Gruppenzwang, Autorität, Gehorsam und Befehl, Vorurteile und Stereotypen - auch diese menschlichen Verhaltensweisen sind Teil der Antwort auf die Frage und sollen ebenfalls mit einbezogen werden. Die Auseinandersetzung mit diesem Gegenstand ist wichtig. Im Irak, genauso wie in Afghanistan sind auch im 21. Jahrhundert Soldaten in Kriege verwickelt, die ähnliche Umstände aufweisen, wie der Krieg in Vietnam. Wir können anhand der Beschäftigung mit der Geschichte viel über die Entgrenzung des Menschen in solchen extremen Situationen lernen und wir sind dazu verpflichtet, wenn wir Fehler der Vergangenheit in Zukunft vermeiden wollen.
Textprobe: Kapitel 6.1.1, Veränderungen in der Wahrnehmung des Raumes und des Kampfes: Guerilla-Krieg im Dschungel von Vietnam Eine einschneidende Veränderung und Umstellung war das Erlebnis des Raumes und das veränderte Kampfverhalten, mit welchem die Soldaten konfrontiert waren und auf das sie sich einstellen mussten. Das Schlachtfeld, Kontingenzraum par excellence , hatte sich hier völlig verändert bzw. aufgelöst. Kannte man aus dem Zweiten Weltkrieg und dem Koreakrieg noch Frontverläufe, die Taktik des Vorrückens und des Gebietsgewinns, so war der Krieg in Vietnam durch ein anderes Vorgehen bestimmt. Seit dem Mai 1959 unterstützte der Norden aktiv die Widerstandsbewegung im Süden und schleuste über den Ho-Chi-Minh-Pfad Menschen und Material in den Süden. Dieser wurde also durch Guerillas infiltriert und bis zur Mitte des Jahres 1968 kämpfte die amerikanische Armee gegen hauptsächlich irregulär agierende Kampftruppen als Anti-Guerilla-Armee. Die nordvietnamesische Armee agierte nur an bestimmten Punkten verstärkt. Bis zu diesem Zeitpunkt dominierte die Guerilla in Südvietnam. Dies führte dazu, dass es keine klar untergliederten Räume, keine ausgewiesenen Kampf- und Ruhezonen gab. Beide Bereiche diffundierten ineinander. Da die hoch-technisierte Armee der USA für einen solchen Einsatz im eigentlichen Sinne nicht ausgelegt war, waren Veränderungen im Kampfverhalten von Nöten. Der Kampf gegen die Guerillazentren, die dezentral in ganz Südvietnam verteilt waren, bedingte somit zwei neue militärische Taktiken, die den Krieg in Vietnam maßgeblich prägten: einmal das »search and destroy« und zum anderen den »body count«. Die nord- und südvietnamesischen Guerillas operierten landesweit im Süden und zwangen so die US-amerikanische Armee, sich deren Stil anzupassen. Bei einem solchen Kleinkrieg gab es keine Front, der Kampf war potentiell überall möglich und damit omnipräsent. Auf die so genannten »hit and run«-Attacken des Gegners, bei denen diese zumeist aus dem Hinterhalt oder mit Scharfschützen angriffen und sich sofort wieder zurückzog, reagierte man mit der »search and destroy«-Taktik. Kleine Einheiten der Armee, über die noch zu sprechen sein wird, wurden mit Hubschraubern zu ihrem Einsatzort in Südvietnam geflogen. Nach der Absetzung machte man sich daran, einen vorher festgelegten Punkt unter Feuer zu nehmen und ihn zu erobern. Verdächtige wurden festgenommen bzw. getötet, Material, vor allem Waffen und Nahrungsmittel, welches als Nachschub dienen konnte, wurde konfisziert bzw. zerstört. Nachdem die Aktion beendet war, die zumeist ein Dorf oder einen Weiler-Komplex zum Ziel hatte, wurden die Truppen wieder abgeholt und in ihren Stützpunkt zurückgeflogen. Das einmal betretene Gebiet verblieb also nicht im Besitz der US-amerikanischen Armee, sondern man gab es nach einer Räumung und Bereinigung wieder preis. Dies führte regelmäßig dazu, dass die Guerilla in dem Gebiet erneut Fuß fassen konnte und die US-amerikanische Armee gezwungen war, denselben Punkt immer wieder anzufliegen, um erneute Räumungsaktionen durchzuführen. Man »suchte« also den Feind auf und »vernichtete« ihn, aber nie auf lange Sicht. Ein Soldat meinte zu diesem Vorgehen später: Wir wurden missbraucht … Sie quetschten uns bis zum letzten aus. . Erschwerend kam für die Soldaten die Vegetation und das Klima hinzu. Südvietnam besteht zu großen Teilen aus Wald- und dichten Dschungelgebieten. Vor allem dieser stellte die US-Soldaten vor schier unbewältigbare Herausforderungen. Die Bewegung in diesem Raum wurde stets als die Bewegung unter extremer Bedrohung wahrgenommen. Der Dschungel bildete für die ortskundigen Guerillas, aber auch für die Truppen der nordvietnamesischen Armee, eine ideale Rückzugs- und Kampfmöglichkeit. Daher wurde er für die amerikanischen Soldaten undurchschaubar, undurchdringlich, unberechenbar und in jeder Hinsicht feindlich. I was really frightening. Everybody just kept their head down and then shot at anything on the other side oft the bushes that moved because that was all you had to go by. There were no lines or anything over there. Everybody was just scattered out. You just have to keep you eyes awake and watch and hope you were not shooting at your own men over there. I tell you it was really bad. . Der Dschungel war ein Ort, dessen Abmessungen, Geräusche und Gerüche sie nicht deuten konnten und dessen klimatischen und vegetativen Bedingungen ihr Körper nicht gewohnt war. Zudem setzte der Dschungel auch auf herkömmlichen Weg der Gesundheit und dem Wohlbefinden der US-Soldaten zu. Erscheinungen wie Dehydrierung und allgemeine körperliche Schwäche waren nahezu alltäglich. Das permanente Bedrohungsszenario verlangte von den Soldaten auch permanente Wachsamkeit. Ein erhöhter Adrenalinpegel und die Folgen von Schlafmangel wirkten sich negativ auf die körperliche Verfassung und Leistungsfähigkeit aus. Ein Soldat berichtete später dem Psychiater Jonathan Shay von seinen Eindrücken: Zunächst einmal bist du überladen … Du musst 80, 90 Pfund tragen. Der durchschnittliche Bursche dort wog nur 125 Pfund. Ich wog 125 Pfund. […] Du warst immer erschöpft, immer. […] Ein Problem war das Wasser, die Sauberkeit. Wir verfügten weder über Seife noch über Wasser. Jeden Abend bepuderten wir uns mit Insektenpulver. Wir badeten nicht öfter als alle vier, fünf Wochen. Wir wechselten unsere Kleidung nicht. Und dann die Hitze, der Verlust an Wasser. Die Lebenssituation war genauso schlimm für uns wie die Konfrontation mit dem Feind, denn dem Feind stand man nicht immer unmittelbar gegenüber, aber stets hatte man mit diesen Bedingungen von Dschungel, Fäulnis, Durchfall, Entwässerung, Hunger, Erschöpfung und Verzweiflung fertig zu werden. Manchmal wünschte man sich geradezu, einen Treffer abzubekommen … Die Bedingungen, unter denen wir leben mussten, waren animalisch, rein animalisch. Und deine Gedanken bewegten sich auf den gleichen Bahnen. Du lebst wie ein Tier, du beginnst zu denken und zu essen wie ein Tier und dich wie ein Tier zu verhalten. Du dreckiges verkommenes Schwein, du stinkst, du Schwein! Und welche positiven Gefühle sollst du dann in irgendeiner Hinsicht haben? Du weißt, dass du dich nicht gut fühlen kannst. Du hoffst, stets und ständig, dass irgend etwas passiert, so dass du dich fallen lassen und ein wenig ausruhen kannst. Diese Gedanken gingen mir durch den Kopf. Wir erhielten bloß zwei Mahlzeiten. Eine am Morgen und eine am Abend. Das war es. Das war alles, was wir aßen. Wenn wir zuviel Nahrung bei uns trugen, dann konnten wir nicht genügend Munition mitschleppen. Die Munition war wichtiger, und wenn wir voll beladen waren, dann, so denke ich, trugen wir Nahrung für fünf oder sechs Tage bei uns … Und dazu kam noch alles andere, was wir mit uns schleppten. Aber du hast nur zweimal gegessen – am Morgen, wenn du aufstandest, hast du was gegessen, und dann hast du dich zwölf Stunden lang abgerackert [Überlandmarsch zu Fuß in voller Kampfausrüstung], und dann hast du um sechs Uhr abends wieder gegessen. Das war alles. Dabei handelte es sich um C-Rationen. Die sättigen nicht sehr sie sättigen überhaupt nicht. So hungerten wir eben – wir stahlen stets den anderen die Nahrung weg. […] Das Gelände und das Wetter sorgten dafür, dass wir eine heftige Zeit erlebten. Das Gelände machte der nordvietnamesischen Armee Konkurrenz, so schlimm war es. Es war so gottverdammt übel. Aber wenn du dann in ein Feuergefecht gerietst, dann warst du so verdammt müde, dass es dir nicht mehr viel ausmachte. Alles egal. So habe ich es erlebt. . Die permanente Bedrohung, von der viele Veteranen im Nachhinein berichteten, war durchaus real: Immer war die Gefahr gegeben, unvorhergesehen aus dem Hinterhalt attackiert zu werden. Und auch wenn der Feind nicht in persona anwesend oder zumindest wahrnehmbar war, so war er dennoch stets präsent. Denn die Guerillas hatten den Dschungel mit zahlreichen Fallen, den so genannten »booby-traps«, und Minen versehen, die für einen Großteil der amerikanischen Verluste verantwortlich waren. In diesem Raum, der also zu keiner Zeit sichere Zonen bot, war der Vietcong in der Rolle eines überlegenen Gegners, welcher sich sicher bewegen und bedrohend agieren konnte. Der Dschungel wurde für die amerikanischen Soldaten zum Synonym für den »instant death«, für den sofortigen Tod, welcher ihnen keinen Raum für eine männliche Gegenwehr ließ, wie es ihnen noch in der Kampfgrundausbildung vermittelt wurde. Ein Soldat meinte in einem Brief dazu: The principal danger here is from mines and booby traps. Ein anderer konkretisierte das Problem: This is some war. A man can’t feel safe anywhere in this whole country. Man konnte zu dem Schluss kommen, dass the war was all the time and everywhere. Ein Veteran berichtete später: Complete safety was always relative in Vietnam, and therefore combat paranoia was endemic. . Aus diesem Grund wurde es für die Soldaten enorm wichtig, dass sie sich auf einen genau definierten Kreis an Personen verlassen konnten.
Erik Fischer, M.A., Studium der Geschichtswissenschaft an der Universität Greifswald, Abschluss 2007 als Magister Artium für Geschichte. Derzeit tätig als Dozent für politische Bildung an einer staatlichen Zivildienstschule und als Doktorand der Nordamerikanischen Geschichte an der Universität Bochum.
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