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- Die innere und äußere Schranke des Kapitalismus. Eine Analyse auf Makroebene
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Verlag:
Diplomica Verlag
Imprint der Bedey & Thoms Media GmbH
Hermannstal 119 k, D-22119 Hamburg
E-Mail: info@diplomica.de
Erscheinungsdatum: 03.2019
AuflagenNr.: 1
Seiten: 104
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback
Die vorliegende Analyse behandelt die innere und äußere Schranke des Kapitalismus. Die innere Schranke ist ökonomischer Art. Der globale Niedergang der wertproduktiven Arbeit entzieht dem Gesamtsystem seine Lebensgrundlage. Dies wird anhand vieler Praxisbeispiele dargestellt. Die äußere Schranke dagegen bildet die Ökologie. Denn unendliches Wachstum ist in einer endlichen Welt nicht möglich. Das Wort Schranke bedeutet in diesem Zusammenhang, dass die Expansionsfähigkeit der kapitalistischen Produktionsweise zum Erliegen kommt. Die Analyse zeigt, dass nur durch das fiktive Kapital an den Finanzmärkten die Krise des Gesamtkapitals zeitweilig in die Zukunft verschoben werden kann. Der Zwang zu Wachstum und steigender Produktivität, die Vernutzung von immer mehr Arbeit, die substanzlose Aufblähung des Geld- und Zinssystems, ständig wachsende Schulden und Vermögen, Armut, Hunger und Umweltzerstörung sind in sich verzahnte und sich wechselseitig bedingende Ausdrücke eines widersprüchlichen Systems, welches sich selbst die Lebensgrundlage entzieht. Dieses Buch verhilft zu einem tieferen Verständnis der kapitalistischen Produktionsweise und beschreibt dabei die gesellschaftliche Totalität und ihre Bewegungsgesetze als tiefere Ursache einer krisenhaften Dynamik. Es handelt sich hierbei sowohl um eine Kritik des Arbeitsethos der Arbeitsgesellschaft als auch um einen Appell an eine bewusste Produktionsweise.
Textprobe: Kapitel 2.2 Der »Regelbetrieb« des Kapitalismus – die Rückkopplung der abstrakten Arbeit auf sich selbst: […] Der Zweck des kapitalistischen Systems ist die Anhäufung von abstraktem Reichtum. Die Produktion von Waren ist für diesen Zweck bloß ein untergeordnetes Mittel. Auch lebensnotwenige Dinge wie Nahrungsmittel, Kleidung und Wohnungen werden nur unter der Zielsetzung hergestellt, dass es einen Gewinn abwerfenden »Markt« dafür gibt. In diesem Markt gelten selbst existentielle Bedürfnisse als nicht vorhanden, wenn ihnen die Kaufkraft fehlt. Daher ist es unter der kapitalistischen Produktionsweise möglich, dass Millionen von Menschen trotz eines Überflusses an Lebensmitteln verhungern. Die Produktion stofflichen Reichtums ist unter diesen Verhältnissen nur die notwendige Begleiterscheinung der Produktion abstrakten Reichtums, der sich empirisch in Geld ausdrückt. Als Waren produziert sind Häuser, Kleidung und Nahrung, sobald sie als Darstellungsform von Wert dienen, lediglich Repräsentanten von abstraktem Reichtum. Damit ist nicht die Befriedigung sinnlicher Bedürfnisse entscheidender Antrieb der Wirtschaftsweise, sondern der abstrakte Selbstzweck der Kapitalakkumulation. Aus seinem Antrieb resultiert die Dynamik des Kapitalismus, die sich jeder bewussten Kontrolle entzieht und die die gesellschaftlichen Beziehungen über den Umweg von Ware, Geld und abstrakter Arbeit erzeugt. Nicht die Menschen verständigen sich darüber, was, wie und unter welchen Bedingungen produziert werden soll, sondern der Vorgang vollzieht sich blind als Folge vereinzelter Zwecke – als abstrakte Arbeit. Die Menschen sind gezwungen ihre Lebensenergie und Zeit in abstrakte Arbeit zu verwandeln. Dieser Zwang ist in dem Maße einverleibt, dass sich die Menschen so sehr mit ihm identifizieren, dass er als solcher kaum kritisiert wird. Das ist für das System funktional, da einzig die abstrakte Arbeit den Wert schafft und damit die unendliche Selbstverwertungsbewegung des Kapitals eine Rückkopplung der abstrakten Arbeit auf sich selbst ist (vgl. Lohoff/Trenkle 2013: 23ff.). Kapitalismus ist nun deshalb mit der vollautomatisierten Produktion inkompatibel, weil mit der Ausschaltung lebendiger Arbeit aus dem Produktionsprozess keine Mehrwertschöpfung mehr stattfindet – die absolute Mehrwertmasse geht mit der Tendenz zur Vollautomatisierung zurück (vgl. Mandel 1972: 191). Ihr Gebrauchs-wert Wert zu schaffen macht die Ware Arbeitskraft, das variable Kapital, zum Dreh- und Angelpunkt der Erzeugung stofflichen Reichtums. Im Gegensatz dazu wird beim Einsatz von konstantem Kapital (das sind Rohstoffe und Vorprodukte aber auch in besonderer Form als fixes Kapital Maschinen, Anlagen und Gebäude) zwar dessen Gebrauchswert aufgezehrt, der Tauschwert geht aber auf die produzierten Waren über. D.h., dass auf der Ebene des abstrakten Reichtums beim Einsatz von konstantem Kapital lediglich Wert übertragen wird. Daraus folgt, dass nur das variable Kapital sowohl auf der Stoffebene als auch auf der Wertebene für eine Veränderung sorgt (vgl. Lohoff/Trenkle 2013: 196f.). Maschinen vermehren hingegen nur den stofflichen Reichtum und keinen Wert. Sie übertragen nur die in die Produktion eingehende Wertmenge auf die mit ihnen produzierten Waren, bzw. sie vermindern indirekt den Wert der Arbeitskraft (indem sie die Reproduktions-kosten der Arbeit verringern). Dass Maschinen keinen Wert schaffen basiert auf dem Unterschied zwischen stofflichem Reichtum und Wert. Eine größere Menge von produziertem stofflichem Reichtum bedeutet nicht, dass mehr Wert geschaffen wird. Produktivitätszuwachs bringt keine größere Wertmasse pro Zeiteinheit hervor (vgl. Postone 2003: 301f.). Der durch die Vernutzung der Arbeitskraft entstehende Mehrwert – der Unterschied zwischen dem durch Arbeit geschaffenem Wertquantum und dem Wert der Arbeitskraft – wird unter den individuellen Kapitalien hauptsächlich gemäß ihres relativen Anteils am gesamtgesellschaftlich eingesetzten Kapital verteilt. Denn der Profit des Einzelkapitalisten ist nicht allein auf die in seiner Kapitaleinheit verausgabten Arbeit zurückzuführen (vgl. Postone 2003: 210ff.). Nach Marx kann der Mehrwert nur auf zwei Arten gesteigert werden: durch die (zusätzliche) Produktion einerseits von absolutem Mehrwert und andererseits von relativem Mehrwert. Bei der absoluten Mehrwertsteigerung handelt es sich um eine historisch begrenzte Verdichtung von Arbeit (in derselben Zeit wird ein höheres Quantum der Arbeitsenergie abverlangt), sowie um die ebenfalls historisch begrenzte Verlängerung der Arbeitszeit. Beide Möglichkeiten der absoluten Mehrwertsteigerung sind durch die menschliche Physis beschränkt. Ganz anders sieht es bei der Steigerung des relativen Mehrwerts aus. Dabei geht es ausschließlich um die Erhöhung des relativen Anteils von Mehrwert an der gesamten Neuwertschöpfung. Von der Konkurrenz getrieben werden die Arbeitsprozesse nicht nur verdichtet und verlängert. Durch die erzwungene Produktivkraftsteigerung kommt es zum steigenden Einsatz verwissenschaftlichter Maschinerie und der Wegrationalisierung von Arbeit. Um den Anteil des relativen Mehrwerts am Gesamtwert weiter zu steigern, vermindert sich der Gesamtwert gleichzeitig (vgl. Kurz 2012: 277ff.). Wir haben es, wie später gezeigt wird, mit einem historisch irreversiblen Prozess zu tun. Dieser äußert sich darin, dass die Zahl der auf einem neuen Produktivitätsstandard noch anwendbaren kapitalproduktiven Arbeitskräfte so stark sinkt, dass die Erhöhung des relativen Mehrwerts pro Arbeitskraft gar nichts mehr nützt, weil die gesamte Mehrwertmasse trotzdem irreversibel zurückgeht (absolute innere Schranke) (Kurz 2012: 282). Ein weiterer wesentlicher Punkt für den »Regelbetrieb«, der nicht vernachlässigt werden darf, ist der Umstand, dass der Unterschied zwischen Preis und Wert eine dritte Ware als Maß voraussetzt, in der sich der wirkliche Tauschwert der Ware ausdrückt. Die Arbeitszeit ist dieses wertbestimmende Element, aber in ihr können die Preise nicht ausgedrückt werden. Denn die Arbeitszeit kann sich nicht gleichzeitig als das Bestimmende und das Nicht-Bestimmende ihrer selbst ausdrücken (vgl. Mandel 1972: 374). Geld ist demgemäß das Maß des Werts und drückt den Wert in Preisen aus. Es ist der eigentliche Ausdruck und Zweck der Wertform, d.h. dass die Waren nur noch Zustände des Geldes darstellen (vgl. Kurz 2005b: 116ff.). Kurz stellt in diesem Zusammenhang fest, dass es im ideellen »Regelbetrieb« des Kapitalismus keine Flexibilität der Preise im Verhältnis zur Wertsubstanz geben kann. Er führt dementsprechend aus, dass die Gesamtwertmasse die Gesamtheit der Waren darstellt. Durch deren Realisierung auf dem Markt verdoppelt sich die Wertsubstanz in der Form des Geldes. Jede Geldeinheit muss ihm zufolge im Gegensatz zu jeder einzelnen Ware (im »Regelbetrieb«) prinzipiell unmittelbar Wertsubstanz haben. Der Warenkosmos und das Geld gehören derselben Substanz an – die gesamtkapitalistische Äquivalenz besteht aus der unsichtbaren (vom Gesamtwert der Waren repräsentierten) Wertmasse auf der einen Seite und der sichtbaren Geldmenge auf der anderen Seite. Es handelt sich dabei um die doppelte Wertsubstanzgröße in abstrakt-menschlicher Arbeitsenergie – zwei gleichermaßen substantielle Erscheinungs¬formen des Werts stehen sich gegenüber (vgl. Kurz 2012: 219ff.). Ersetzt man allerdings die »Wertsumme der Waren« durch die »Preissumme der Waren« und erkennt man den Preis als den Geldausdruck (die Geldform) des Wertes, dann wird diese Preissumme begriffen als ein Verhältnis, nämlich als das Verhältnis zwischen dem (sich ändernden) Wert der Waren und dem (sich ändernden) Wert der Geldware, des Geldmaterials. Jede marxistische Analyse der Geldproblematik muß von einer Analyse dieses Verhältnisses ausgehen (Mandel 1972: 375). Kurz konstatiert entsprechend, dass, sobald das Wert-Preis-Verhältnis nicht mehr substantiell angeglichen ist, sondern im Gegenteil nur noch eine gewaltige Menge an heißer Luft darstellt, es zu einer Krise kommen muss. Durch solch eine Krise wird die Illusion einer unendlichen Flexibilität der Preise im Verhältnis zur Wertsubstanz aufgedeckt (vgl. Kurz 2013b: 21f.). Wie weiter unten im Geld- und Zinskapitel gezeigt wird, ist das Wert-Preis-Verhältnis in der jetzigen Phase des kapitalistischen »Dahinscheidens« von einem doppelten Substanzverlust gekennzeichnet. Nicht nur die Waren verlieren an Wert, sondern aus monetärer Sicht bedeutet die Aufhebung des Goldstandards ebenfalls die Abkehr von einer prinzipiell unmittelbaren Wertsubstanz jeder Geldeinheit. Das Auftreten der Widersprüche liegt Lohoff zufolge daran, und hier wird es prinzipieller, dass Gütermarktwaren und Geld zwar (der Möglichkeit nach bei einem Goldstandard) noch Äquivalente darstellen können, d.h. gleich große Werte verkörpern können. Doch beim Verkauf der Kapitalmarktwaren (in der Bankwirtschaft als »Finanzprodukte« bezeichnet) ist bereits im »Regelbetrieb« das Äquivalenzprinzip von vornherein außer Kraft gesetzt. Für Kapitalmarktwaren (wie auch bei Gütermarktwaren) ist der Markt die Realisationsinstanz. Aber nur für Kapitalmarktwaren ist der Markt zustätzlich Produktionssphäre. Wo auf dem Gütermarkt noch Arbeit für die Mehrwertproduktion »zwischengeschaltet« wird, haben wir es beim Kapitalmarkt scheinbar mit »selbst heckendem Geld« zu tun (vgl. Lohoff 2014: 29ff.). Damit eröffnet sich eine neue Quelle gesamtgesellschaftlicher Kapitalakkumulation: Die als Kapitalmarktwaren im Umlauf befindlichen Zahlungsversprechen stellen, gesamtkapitalistisch betrachtet, […] genauso vollgültiges Kapital dar wie das fungierende Kapital. Die tatsächliche Wertakkumulation bei der Produktion von Gütermarktwaren ist also nicht die einzige Quelle, aus der sich die gesamtgesellschaftliche Kapitalakkumulation speisen kann. Auch die Vermehrung von Kapitalduplikaten in Kapitalmarktwarengestalt kommt als Träger des gesamtkapitalistischen Akkumulationsprozesses in Frage (Lohoff 2014: 36). Dass erst die Beziehung zur Arbeitskraft und ihrer mehrwertschöpfenden Kraft aus dem fungierenden (industriellen und kaufmännischen) Kapital einen sich verwertenden Wert macht, blendet bei den Kapitalmarktwaren das gesellschaftliche Bewusstsein aus. Hier schafft die soziale Beziehung zwischen dem Emittenten und dem Käufer ebenfalls Kapital – als eine von »toter Arbeit« (vorausgegangener Wertproduktion) unabhängige Quelle der Kapitalakkumulation. Kapitalmarktwaren heben somit die Deckungsgleichheit von Wert- und Kapitalakkumulation auf. Sie stellen künftigen Wert bereits heute als Kapital dar – nicht Wertproduktion, sondern Wertantizipation bildet das Kapital (vgl. Lohoff 2014: 40f.). Das Kapital versucht dem Dilemma der auf allen Ebenen stattfindenden Aushöhlung des Werts durch Ausdehnung des Prinzips der Wert- und Warenform zu entkommen. Im Laufe dieser Entwicklung geht der Kapitalismus, wie im 3. Kapitel gezeigt wird, vom »Regelbetrieb« zur »Phase seines Dahinscheidens« über. Denn die wahre Schranke der kapitalistischen Produktion ist das Kapital selbst. Kurz weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass es sich bei der »Ökonomisierung« sämtlicher Sphären, bzw. bei der sogenannten Globalisierung, letztlich um einen Krisenprozess handelt. Das Kapital flieht aus gesamtgesellschaftlicher Perspektive vor sich selbst, um letztendlich immer nur wieder auf sich selbst zu stoßen (vgl. Kurz 2008: 319): Der Flucht des Kapitals nach »außen« auf die Weltmärkte entspricht der Flucht nach »oben« in die vom realen Produktionsprozeß entkoppelten Finanzmärkte. Beide Prozesse bedingen sich wechselseitig und gehen ineinander über. Die Herstellung des unmittelbaren Weltkapitals in der ungefilterten Weltkrisenkonkurrenz geht einher mit der Bildung eines ebenso ungefilterten Weltfinanzmarktes, einer exorbitanten Weltverschuldung und einer Weltblase des fiktiven Kapitals (Kurz 2008: 355).
Alexander Pabusch wurde 1983 in Stralsund geboren. Nach seiner Berufsausbildung zum Bankkaufmann in Hamburg reiste er drei Jahre als Rucksacktourist um die Welt. Zurück in Deutschland, studierte er Sozialwissenschaften mit den Schwerpunkten Arbeits- und Wirtschaftssoziologie an der Humboldt-Universität zu Berlin. Heute lebt der Autor auf Rügen.
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