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Politik


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Produktart: Buch
Verlag:
disserta Verlag
Imprint der Bedey & Thoms Media GmbH
Hermannstal 119 k, D-22119 Hamburg
E-Mail: info@diplomica.de
Erscheinungsdatum: 11.2013
AuflagenNr.: 1
Seiten: 236
Abb.: 22
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback

Inhalt

Am 14. Juli 2010 wird Hannelore Kraft zur Ministerpräsidentin von Nordrhein-Westfalen gewählt. Die Koalition aus SPD und Bündnis 90/Die Grünen tritt die Regierung an, indem sie sich bewusst für eine Minderheitsregierung entscheidet und politische Koalitionsangebote der weiteren Parteien ablehnt. Den 90 Abgeordneten von SPD und Grünen stehen 91 Mandatsträger der Oppositionsfraktionen CDU, FDP und LINKE gegenüber. Zwei Jahre später ist das Projekt gescheitert, doch die Neuwahl beschert Hannelore Kraft eine satte Mehrheit im Parlament. Die parlamentarische Demokratie in Bund und Ländern basierte in der Vergangenheit, bis auf wenige Ausnahmen, auf Mehrheitsregierungen. Die Regierungspartei, beziehungsweise die Regierungskoalition, verfügt über die absolute Mehrheit der Sitze im Parlament. Entscheidungen fällen realistisch betrachtet Ministerpräsidenten, Minister und Fraktionsvorsitzende. Die Rolle des einzelnen Abgeordneten ist untergeordnet. Der SPD-Parteivorsitzende Sigmar Gabriel bezeichnet die Minderheitsregierung als eine Möglichkeit auch für die Bundesebene. Ob dieses Modell eine Option im Vielparteienparlament der Bundesrepublik ist, und ob Hannelore Kraft das Zeug für einen Politikwechsel in NRW und auch im Bund hat, zeigt die vorliegende Arbeit.

Leseprobe

Textprobe: Kapitel 5, Erwartungen an die Minderheitsregierung - eine erste empirische Erhebung: 5.1, Definition, Zielsetzung und Hypothesen der ersten Experteninterviews: Die Evaluation ist der Kern dieser Forschungsarbeit. Von den Interviews ausgehend, wird in diesem ersten Teil der Erhebung in einem induktiven Forschungsprozess aus den Ergebnissen eine Theorie herleitet. Dieses Vorgehen ermöglicht die unvoreingenommene Betrachtung einer neuen Situation, wie sie an diesem Forschungsgegenstand vorliegt. Dieser Prozess der Induktion steht im Gegensatz zu Deduktion, bei der von einer Theorie ausgehend Hypothesen überprüft werden. Gegenstand der Forschung in dieser ersten empirischen Befragung ist das soziale Handeln der befragten Personen, beachtet aber auch ihren politischen Tätigkeitsbereich. Wie verhalten sich die Akteure in ihrem sozialen Kontext? Welche Erwartungen erheben sie an das Verhalten der anderen Akteure, aber auch an sich selbst? Zum anderen stehen Kommunikationswege im Fokus des Interesses: Wie kommunizieren die Akteure innerhalb des Parlamentes? Gibt es Unterschiede in der Ansprache der Öffentlichkeit? Darüber hinaus sind politik- und verwaltungswissenschaftliche Fragen zu beantworten. Diese sollen erklären, wie sich politische Akteure wie Fraktionen, Parteien oder Ministerien auf die parlamentarische Mehrheitssituation einstellen. Werden formelle Entscheidungswege verändert, um der Mehrheitssuche im Parlament gerecht zu werden? Werden die Grundlagen der Entscheidungsfindung transparenter dargestellt, um niemanden von der Mehrheitsfindung auszuschließen? Wie der Abbildung dargestellt, ist der Prozess der Evaluation auf folgender theoretischer Grundlage aufgebaut: Ziel der ersten Erhebung ist es, die Erwartungen und ersten Erfahrungen der Akteure mit der neuen Situation einer Minderheitsregierung zu erfassen. Unter Erwartungen wird die Annahme eines Handelnden über etwas verstanden. Dabei sind zwei Typen zu unterscheiden: Die Erwartung darüber, was ein anderer tun würden ist die antizipatorische Erwartung. Im Gegensatz dazu steht die normative Erwartung, die beschreibt, was ein Handelnder oder andere billigerweise tun sollten. Das übergeordnete Forschungsziel lautet, aus den Erwartungen der Akteure an die Minderheitsregierung, Kriterien für deren Funktionsfähigkeit zu erarbeiten. In dieser ersten Befragung liegt der Schwerpunkt auf den Erwartungen der Akteure. Ziel ist es festzustellen, ob sich das Verhalten gegenüber dem Regelfall einer Mehrheitsregierung verändert und welche Auswirkungen diese Veränderung auf die politische Situation haben. Um dieses Forschungsziel zu erreichen, werden Hypothesen erstellt, welche durch die Evaluation überprüft werden. Abschließend werden, mit Blick auf die Hypothesen, Schlussfolgerungen aus der Evaluation gezogen. Die Hypothesen dieser ersten Evaluation lauten: Hypothese 1: Die politische Atmosphäre zwischen den parlamentarischen Akteuren, insbesondere zwischen Regierung und Opposition, ist offen und von Vertrauen geprägt. Hypothese 2: Im Entscheidungsfindungsprozess werden alle betroffenen Akteure eingebunden und besitzen Einfluss auf die Entscheidungsfindung. Hypothese 3: Das Rollenverhalten der Akteure im Parlament, insbesondere der Fraktionen, verändert sich im Gegensatz zu dem Verhalten bei einer Mehrheitsregierung. Das klassische Verhältnis Regierung - Opposition wird aufgebrochen. Hypothese 4: Die Minderheitsregierung hat keinen dauerhaften Partner, sondern arbeitet projektbezogen mit mehreren Oppositionsfraktionen zusammen. Hypothese 5: Der Informationsfluss und Abstimmungsverlauf zwischen allen Fraktionen ist transparent, so dass kein Akteur vom Entscheidungsprozess ausgeschlossen wird. Hypothese 6: Die inhaltsbasierte Auseinandersetzung, die policy, dominiert die politische Auseinandersetzung bei einer Minderheitsregierung. Thematisch Umstrittene Projekte werden im Handlungsprozess ausgeklammert. Hypothese 7: Die Minderheitsregierung bemüht sich insbesondere gegenüber der Öffentlichkeit um Stabilität in der Wahrnehmung ihrer Politik. Die aufgeführten Hypothesen werden nun in der Planung und Durchführung der Evaluation berücksichtigt. Anschließend werden Sie in Kapitel 5.4 diskutiert. 5.2, Methodik: Die Vorbereitung, Terminierung und Durchführung der Evaluation erfolgt gemäß den Besonderheiten des politischen Alltags. Aufgrund dessen wurde bei der Auswahl der Erhebungsmethode besonderes Augenmerk auf die Erhebungsgruppe der politischen Akteure gelegt. Zunächst wird entschieden, die Evaluation in persönlichen Einzelinterviews durchzuführen. Wie Konrad beschreibt, sind ‘Einzelinterviews bei Themen angezeigt, die ein aktives, auf den individuellen Informationsstand, die Äußerungsbereitschaft und die Verbalisierungsfähigkeit des Befragten zugeschnittenes Eingreifen des Interviewers erfordern. […] Ferner ist das Einzelinterview immer dann unersetzbar, wenn die Beantwortung der Fragen eine persönliche, durch Gruppendruck unbeeinflusste Atmosphäre erfordert.’. Des Weiteren wird festgelegt, die Evaluation in mündlicher Befragungsform, des sogenannten Experteninterviews durchzuführen. Nach von Saldern ist ‘die mündliche Befragung definiert als ein planmäßiges Vorgehen mit wissenschaftlicher Zielsetzung, bei dem die Person durch eine Reihe gezielter Fragen oder mitgeteilter Stimuli zu verbalen Informationen veranlasst werden soll.’ In dieser Form der Evaluation steht die Erforschung von Einstellungen, Meinungen, Verhalten sowie die Ermittlung von Wahrnehmung und Interpretation von Sachverhalten im Fokus, was maßgeschneidert für die Forschungsziele dieser Evaluation ist. Zusammenfassend lässt sich die Entscheidung für die Auswahl der mündlichen Einzelbefragung im teilstandardisierten Erhebungsverfahren damit begründen, dass mit diesen Methoden direkt auf die befragte Person eingegangen werden kann, keine festgelegten Antwortkategorien existieren und somit individuelle Interviews ermöglicht werden. Insbesondere die Erarbeitung des Interviewleitfadens, wie auch die Durchführung der Interviews, bedarf einer interdisziplinärer Vorbereitung. Interviewleitfaden: Im ersten Schritt des Erhebungsprozesses wird ein Interviewleitfaden erarbeitet. Wie bereits oben beschrieben ist Ziel des Interviewleitfadens, dass der interviewte Akteur Auskunft über sein soziales Handeln erteilt. Wichtig ist, dass die interviewte Person ihr persönliches Verhalten reflektiert und diese Ergebnisse mitteilt. Diese Ziele werden mit den Themenbereichen ‘Rollenverhalten’, ‘politische Atmosphäre’, ‘Entscheidungsfindungsprozesse’ und ‘Strategien’ erfasst. Nach Korte sind die genannten Bereiche prägende Merkmale der Politikmanagements von Regierungen. Aufgrund dessen wird jeder Interviewpartner zu diesen vier Themenblöcken befragt. Wegen der unkalkulierbaren Intensität der Antworten, bietet der Interviewleitfaden verschiedene Fragen an, die zum jeweiligen Themenbereich gestellt werden können. Insgesamt umfasst der Interviewleitfaden maximal 18 Fragen plus Nachfragen, wobei die Quantität der gestellten Fragen von der Antwortintensität der befragten Akteure abhängt. Besondere Beachtung verdient die Eingangsfrage und die damit verbundene Gesprächseröffnung. An dieser Stelle sollen Hemmungen abgebaut werden und Interesse an dem Gespräch entstehen. Die Eingangsfrage ermöglicht der interviewten Person einen weiten Antwortspielraum und stellt erstes Vertrauen zwischen Interviewer und interviewter Person her. So wird im ersten Themenbereich ‘Rollenverhalten’ zunächst die Sicht auf das Verhalten der Landesregierung thematisiert. Im Verlauf des ersten Themenfeldes wird die Perspektive auf die anderen Akteure gerichtet, die Erwartungen an diese, sowie im letzten Schritt das eigene Rollenverhalten reflektiert. Der zweite Themenbereich ‘politische Atmosphäre’ thematisiert die persönliche Ebene zwischen den handelnden Akteuren. Im dritten Themenfeld ‘Entscheidungsfindungsprozesse’ wird versucht, formelle Antworten zu überwinden und über ein im Interview gewachsenes Vertrauensverhältnis zwischen Interviewer und befragter Person, persönliche Einschätzungen und Informationen über Handlungsmuster im politischen Entscheidungsfindungsprozess zu erlangen. Aufgrund dessen ist dieser Themenbereich auch an dritter Stelle des Interviewleitfadens angesiedelt. Auf diese Weise wird ein Vertrauensverhältnis ermöglicht, gleichzeitig ist noch kein Zeitdruck entstanden, da das Interview zu diesem Zeitpunkt ca. 15 bis 20 Minuten andauert. Vor Beginn des vierten Themenblocks ‘Strategien’ wird der Interviewte darauf hingewiesen, dass dieser Bereich der abschließende ist. Damit wird die Aufmerksamkeit nochmals fokussiert. Zudem sind je nach Interviewverlauf individuelle Nachfragen des Interviewers möglich, sollten die Antworten zunächst unbefriedigend sein. Der angewendete Interviewleitfaden steht zwischen den Extremen eines standardisierten und eines nicht-standardisierten Interviews. Mit diesem teilstandardisierten Leitfaden, werden dem Interviewer Art und Inhalte des Gesprächs vorgeschrieben. Gleichzeitig besitzt der Interviewer aber Handlungsspielraum für Nachfragen, Konkretisierungen oder das Setzen von Prioritäten. Besondere Beachtung bei der Entwicklung des Interviewleitfadens wurde auf die Form der Fragen gelegt. Durch Fragen erhält man wichtige Sachinformationen und einen Einblick in Standpunkte, Meinungen und Motive des Dialogpartners. So wird darauf geachtet, offene Fragen zu formulieren. Sie ermöglichen es Informationen über die Einstellungen der Interviewpartner zu erlangen, den Bezugsrahmen der Befragten zu ermitteln und differenzierte Einstellungen zu erheben. Offene Fragen ermöglichen somit ausführliche Aussagen und eine positive Gesprächsatmosphäre, da der Interviewte den Gesprächsverlauf mitbestimmt und nicht, wie bei geschlossenen Fragen, sofort konkret antworten muss. Erst bei Nachfragen zu einzelnen Themenbereichen werden auch geschlossene Fragen angewendet, um an dieser Stelle klare Bekenntnisse des Interviewpartners zu erlangen. Grundsätzlich werden in dem Interviewleitfaden hauptsächlich Meinungs-, Verhaltens-, Einschätzungs- und Handlungsfragen angewendet.

Über den Autor

André Vielstädte, Jahrgang 1985, studierte Politikwissenschaft, Volkswirtschaftslehre und Soziologie an der KU Eichstätt-Ingolstadt. In seiner Dissertation verarbeitet er seine Erfahrungen als Referent im Landtag von Nordrhein-Westfalen und setzt diese in einen wissenschaftlichen Kontext. Vielstädte ist Referent der Konrad Adenauer Stiftung und arbeitet als Berater für Public Affairs in Münster.

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